Haus der Kost, München: kostenfreies Coaching und bioregionales Netzwerk für die Gemeinschaftsgastronomie

von Jan-Peter Wulf
PXL 20240719 1140100502 - management, gastronomie, food-nomyblog, catering Haus der Kost, München: kostenfreies Coaching und bioregionales Netzwerk für die Gemeinschaftsgastronomie

Daniela Schmid und Karoline Stojanov vom Haus der Kost. Foto: Redaktion

 

Nach dem Vorbild des Kopenhagener „House of Food“ und der „Kantine Zukunft“ in Berlin bietet nun auch München seiner Gemeinschaftsgastronomie ein Coaching- und Workshop-Programm an, das die Transformation gen biologischer, regionaler, frischer, gesunder und leckerer Küche vorantreiben soll. Das „Haus der Kost“ will zur Drehscheibe für die lokale Ernährungswende werden – und die bereits bestehende Infrastruktur noch besser vernetzen. 

Die Edelstahlflächen der Kücheneinrichtung im Haus der Kost blitzen noch neu – erst vor wenigen Monaten hat es seine Türen geöffnet. Es ist genau genommen kein eigenes Haus, sondern befindet sich im Munich Urban Colab, einem Coworking-Zentrum, in dem sich diverse Start-ups eingerichtet haben, vornehmlich technischer Art.

Als man im Rahmen der Planung erkannt habe, dass man als Schulungsküche auf Fettabscheider verzichten kann, konnte man die ursprünglichen Pläne, eine leer stehende Bestandsküche zu nutzen, verwerfen und eine eigene, komplett neue und repräsentative Küche aufbauen, erklärt uns Karoline Stojanov. Sie ist Ökotrophologin und arbeitet im Sachgebiet Nachhaltige Ernährung im Referat für Klima- und Umweltschutz und leitet das Projekt zusammen mit der Geografin Daniela Schmid.

Die Erfolge des „House of Food“ in Kopenhagen und der „Kantine Zukunft“ in Berlin seien in München nicht unbemerkt geblieben, erklärt Schmid uns. Nach einem intensiven Austausch zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung folgte 2023 der Stadtratsbeschluss, ein eigenes Ernährungshaus zu etablieren. Beschlossen, schnell getan: Schon im April 2024 war es soweit.

Ambitionierte Bio-Ziele

München hat es aber auch eilig, denn die Stadt will schon bis 2025 den Anteil bioregionaler Produkte in der städtischen Außer-Haus-Verpflegung auf 60% steigen. Mehr noch: Schon bis Ende 2024 sollen alle Einrichtungen für Kinder unter drei Jahren sowie 30 Kindergärten, Horte und Häuser für Kinder über drei Jahren auf einen Frischkostanteil von über 70% umgestellt werden, im nächsten Schritt die übrigen ü3-Einrichtungen, und der Bio-Anteil soll in diesem Bereich in den kommenden Jahren auf rund 80% steigen. Das „Haus der Kost“ soll die Zielerreichung maßgeblich unterstützen: Betriebe der städtischen Gemeinschaftsgastronomie, aber auch nichtstädtische Einrichtungen, sofern sie ihren Sitz in München haben, erhalten dafür ein Bündel hilfestellender Dienstleistungen.

So stellt man den Küchenteams, die am Programm teilnehmen wollen, für sechs bis zwölf Monate einen Coach zur Seite, der die Prozesse analysiert und Verbesserungsvorschläge aufzeigt: Speisepläne, Lieferscheine, Rechnungen, Bioanteil … alles wird zusammen mit dem Team unter die Lupe genommen. Die Konzeptentwicklung gestaltete Speiseräume aus Berlin, das Unternehmen hinter „Kantine Zukunft“, und führte im Vorfeld Praxistests mit Münchner Betrieben durch.

„Die Küchen, die an diesem Praxistest teilgenommen haben, haben uns das Feedback gegeben: Endlich haben wir nun Schwarz auf Weiß, wie hoch unser Bioanteil ist, wie viel Convenience wir verwenden, wo wir sparen können. Zum anderen haben sie durch die Kochworkshops neue Ideen bekommen“, berichtet uns Karoline Stojanov.

Kreative Kochworkshops

Stichwort Workshops: Vor Ort im „Haus der Kost“ gibt es ab sofort ein vielseitiges Programm für Betriebe der Gemeinschaftsgastronomie: Die Module nennen sich z.B. „attraktive vegetarische Gerichte“, „Saison und Region“, „Getreide und Hülsenfrüchte“ oder „Speiseplan- und Rezeptgestaltung“. Wer seinen Bioanteil erhöhen will, ohne die Kosten in die Höhe zu treiben, kocht pflanzlicher – und wie das kreativ und genussvoll geht, können bis zu 15 Personen gleichzeitig an den Kochinseln erarbeiten.

haus der kost muenchen - management, gastronomie, food-nomyblog, catering Haus der Kost, München: kostenfreies Coaching und bioregionales Netzwerk für die Gemeinschaftsgastronomieoriginal bbcff563 aecf 48d3 8546 54b3ef497e08 PXL 20240719 114051907 - management, gastronomie, food-nomyblog, catering Haus der Kost, München: kostenfreies Coaching und bioregionales Netzwerk für die GemeinschaftsgastronomieSpannendes Detail: Drei verschiedene Kombidämpfer-Modelle hat man im Einsatz, um die Arbeit mit Gerätschaften unterschiedlicher Leistung abbilden zu können. Das theoretische Wissen wird an den High-Top-Tischen vermittelt, die sich im selben, viel Platz bietenden Raum befinden. Die Spülküche befindet sich ums Eck in einem separaten Raum.

Neben eigenen Coachings und Workshops will man begleitend auch Kommunikation betreiben, um der Öffentlichkeit darzustellen, was sich rund ums „Haus der Kost“ tut, dass die Münchner Gemeinschaftsgastronomie sich modernisiert – und nicht zuletzt den Menschen, die in den Betrieben und Küchen arbeiten, mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung zu geben. Vorbild ist die Plakatkampagne Wir kochen für Berlin von „Kantine Zukunft“.

Schwarmintelligenz nutzen und koordinieren

Darüber hinaus wird das „Haus der Kost“ aber auch die bestehende Infrastruktur der Region nutzen und einbinden. „In München gibt es bereits viele Akteure mit wertvollem Wissen, das sie gemeinsam mit uns für den Transformationsprozess einsetzen können“, erklärt Karoline Stojanov. Man wolle diese Schwarmintelligenz koordinieren und eigene Standards etablieren: „Wenn beispielsweise Coaches für uns in Einrichtungen Beratungen leisten, ist uns wichtig, dass das, was wir als Referat gerne erreichen wollen, eingebracht wird.“

„Wir haben in München seit mehr als 30 Jahren eine gewachsene Struktur von Einzelinitiativen, die schon immer eine Bioberatung von Küchen durchführen“, fügt Daniela Schmid hinzu und verweist auf die Bioverbände wie Naturland oder Bioland, die in der Gastronomie sehr aktive Projektstelle Ökologisch Essen vom Bund Naturschutz e.V. oder auch die Träger von Kitas und Schulen, die ihre eigenen Beratungen durchführen. Schmid: „Wir wollen ihnen allen die Möglichkeit bieten, sich bei uns zu qualifizieren, damit wir aus diesem Flickenteppich eine gemeinsame Richtung entwickeln.“

Bioregionales Netzwerk

Eine gewachsene Struktur gibt es auch, was Erzeuger- und Herstellerbetriebe der Region angeht, die biologisch arbeiten. Das Bayerische Bio-Siegel, welches sich an den Standards der in Bayern aktiven Öko-Anbauverbände Bioland, Biokreis, Demeter und Naturland orientiert, zieht man für die Auswahl jener Lieferanten heran, die man in das eigene bioregionale Netzwerk aufnimmt.

Ziel ist, dass die Betriebe der Gemeinschaftsgastronomie mehr Transparenz erhalten, welche Alternativen zu herkömmlichen Herstellern sie in der Region zur Verfügung stehen haben. Vice versa sollen die Betriebe besser verstehen lernen, wie die Gemeinschaftsgastronomie „tickt“. „Die landwirtschaftlichen oder verarbeitenden Betriebe wissen unter Umständen gar nicht, was die Gemeinschaftsgastronomie braucht, welche Gebindegrößen, in welcher Vorstufe die Produkte sein sollen“, so Daniela Schmid.

Speed-Dating

Den Austausch fördern soll u.a. das Format „Küche trifft Region, das abläuft wie ein Speed-Dating: Die Mitarbeitenden der Küchenteams gehen von Tisch zu Tisch und „daten“ den Lieferanten von Bio-Lebensmitteln, den Spezialisten für Pilzzucht oder den Metzger. Und notieren sich im Idealfall gleich die Nummer. Auf diese Weise könne man auch signalisieren, dass in München ein Bedarf an Produkten aus nachhaltiger Produktion vorliege, so Daniela Schmid.

Was auch dazu beitragen soll, dass Betriebe ihre Produktion entsprechend ökologischer ausrichten. Auch der Handel als Schnittstelle zwischen Produzenten und Gemeinschaftsgastronomie soll eingebunden werden – das Haus der Kost versteht sich als Drehscheibe, die alle Akteure miteinander in Verbindung bringen und somit die Transformation gesamtheitlich voran treiben will.

Wenngleich der Fokus zunächst auf städtischen Einrichtungen der Gemeinschaftsgastronomie liegt: Auch private Betriebe sind eingeladen, die Coachings und Workshops zu nutzen. Das vom „Haus der Kost“ selbst angebotene Programm ist kostenlos und soll dauerhaft zur Verfügung stehen. 

 

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