In der aktuellen Ausgabe der „Mixology“ erklärt Bartender und Mixologe Volker Seibert vom „Seiberts“ aus Köln, warum das Thema Apéritif-Kultur in deutschen Bars weiterhin kein großes ist: Sie öffnen hierzulande schlicht zu spät. Zum Apéro gehört idealer Weise auch ein Snack, und auch das haben nur wenige Bars zu bieten.
In der Berliner Bar am Lützowplatz hat man sich da etwas ausgedacht: Seit einigen Wochen belebt man von Donnerstag bis Samstag die Zeit am frühen Abend mit einem ganz besonderen Food-Angebot. Draußen auf der Terrasse bereitet ein junger Mann Fleischiges für die zahlreichen Gäste zu, die es sich an den Tischen bequem gemacht haben und ihre Drinks genießen. Es ist der gebürtige Texaner Adam Ramirez, der mit seinem The Pit die Barbecue-Tradition seiner Heimat an die Spree bringt. Dabei hilft ihm „Betty“, so heißt nämlich sein Smoker der Firma „Pits by JJ“ aus Houston. In diesem hat er am Vorabend um acht in seiner Produktionsstätte in Mariendorf Wagyu-Rindfleisch aus Nebraska zu garen begonnen. Bis zum heutigen Nachmittag um drei hat das gedauert, bei niedrigen 110 Grad schmilzt das Fleisch geradezu dahin. Danach wird es durchgehend gewärmt und dann hier, vor der Bar, geschnitten und serviert.
Ramirez nutzt ausschließlich aromatisches Eichenholz aus Strausberg. Das muss jede halbe Stunde nachgelegt werden. Viel Arbeit. Ein Freund übernahm freundlicherweise eine Nachtschicht. Warum der ganze Aufwand, das „Smoken“ ginge doch auch elektrisch? „Man würde vielleicht eine ähnliche Qualität hinbekommen, aber es würde doch etwas fehlen. Das gewisse Etwas, etwas Greifbares. Es wäre dann keine Handwerklichkeit dabei, keine Kunst, keine Romantik“, erklärt der 28-jährige Halb-Mexikaner. „Natürlich ist es Schufterei, aber am Ende hat man etwas sehr Besonderes.“ Er hält die Hände hoch: „Ich arbeite gerne mit denen hier.“
Das hat er in seinem vorherigen Job auch getan, irgendwie. Die Fingerkuppen zum Tastaturklappern benutzend, so wie unsereins jetzt bei der Verschriftlichung vor einem Bildschirm. In der IT-Branche war er tätig, baute in Berlin Start-ups mit auf. Irgendwann habe er das alles nicht mehr ertragen können, erzählt er.
Jetzt also Fleisch smoken statt Programmieren. Neben dem Nebraska-Wagyu-Rind hat Ramirez auch Spareribs und Pulled Pork vom LiVar Klosterschwein aus dem niederländischen Limburg und französisches Schwarzfederhuhn aus Dombres im Angebot. Und einen Cheesecake, den er selbst backt. Heute Abend aber gibt es nur noch die Kernkompetenz Rinderbrust, der Rest ist schon ausverkauft. Das Geschäft brummt, mein Magen jetzt auch. Der darf sich nun auf „Brisket“ freuen, dazu gibt es frischen Coleslaw mit viel Essig, ein paar Scheiben Brot und eine hausgemachte Barbecue-Sauce. Die ist aber eher dekorativ – echte Texaner brauchen keine Sauce zu ihrem Fleisch.
Welches ist eine kleine Offenbarung ist: Butterweich, zart und saftig ist es, teils durchwachsen, teils mager, abgeschlossen von einer tiefschwarzen, dünnen Kruste mit feiner Salz-Pfeffer-Würzung. Das rauchige Aroma erfüllt Nase und Mund. Schweigend und mein „Brisket“ genießend sitze ich am langen Tresen der tunnelartigen Bar, die mit dem noch einfallenden Tageslicht eine sehr eigene Atmosphäre hat um diese Uhrzeit.
Ich trinke ein Helles zum Essen. Was bestellen andere dazu? Michael Blair, er ist seit einigen Monaten Barchef, erklärt uns, dass besonders eine „Passionate Lady“ zu dieser frühen Zeit gerne bestellt werde – mit Bacardi Ocho Anos, Aperol, frischer Maracujasaft und Zitronensaft. „Wer es besonders fruchtig will, bekommt noch einen Schuss Ananassaft dazu“, so Blair. Klingt sehr klassisch-komplementär „gepaired“ zum herzhaft-rauchigen Food. Weine, Biere, Longdrinks – die Drinks auf den Tischen sind bunt gemischt. German Apéro. Übrigens: donnerstags gibt es Live-Musik zu BBQ und Drinks in der „Bar am Lützowplatz“.
Was seine langfristigen Pläne sind, will ich noch von „Pitmaster“ Adam Ramirez wissen. Ein eigenes Restaurant? „Erstmal mehr Caterings, Gastkochen und Pop-ups“, antwortet er. „Ein Restaurant ist mein Ziel, aber das ist eher der Zwei- bis Fünfjahresplan für mein Business.“ Da klingt die Startup-Erfahrung durch. Die er gut gebrauchen wird können, jetzt, als Food-Entrepreneur.
Update: Leider wurde die Bar Anfang Juli geschlossen. „The Pit“ gibt es aber an anderen Orten zu erleben.
Mehr Infos zu kommenden Terminen:
www.thepitberlin.com
www.facebook.com/thepitberlin