Weg mit dem leicht angestaubten Image, her mit mehr Lobbyarbeit für einen Beruf, der bislang ohne feste Ausbildung klarkommen muss: Die „Deutsche Barkeeper Union e.V.“ befindet sich im Wandel.
Bei der „Deutschen Cocktail Meisterschaft“, die dieses Jahr im „Schloss Hotel Fleesensee“ stattfand, war der Wille zur Modernisierung zu spüren. Denn neben dem Wettbewerb fanden dort spannende und informative Workshops für die Bartender statt und zukünftig sollen diese gar im Zentrum des jährlichen Haupttreffens der DBU stehen. Vor allem aber will man das Thema Aus- und Weiterbildung in den kommenden Jahren noch stärker anfassen und hat dafür ein eigenes Lehrbuch für Berufsschulen geschrieben.
Woran die DBU zurzeit arbeitet, warum Bartender sich anschließen sollten und wo man im Jahr 2022 stehen will, darüber haben wir uns in Fleesensee mit Mohammad Hamudi Nazzal unterhalten. Der Kölner Bartender und Gastronom berät den Verband extern und treibt ihren Umbau zum starken Branchen-Interessenvertreter mit voran.
Die DBU gibt es ja schon seit 1909, und trotzdem hat sie zurzeit kein leichtes Standing in der Welt der Bartender. Woran liegt das?
Bis zu einem gewissen Zeitpunkt hat die DBU im Prinzip einen guten Job gemacht. Aber als die Renaissance der Barkultur kam, hat sie gepennt. Einfach gepennt. So etwas passiert, wenn man in seiner Komfortzone ist und da nicht rauskommt, feste Strukturen nicht aufbrechen will. Wir haben in den letzten Jahren viele Meinungsmacher verloren.
Woran arbeitet die DBU zurzeit?
Wir machen Basisarbeit und bauen eine Lobby auf. Nur wenn du eine Lobby hast, bekommst du auch, und das ist unser Ziel, einen Ausbildungsberuf für die Bar hin. Sonst nicht. Was mich so an unserem Berufsstand stört: Eine gewisse Intelligenz ist bei uns einfach ausgeschaltet. Jeder, der darüber nachdenkt, dem dürfte klar werden: Nur in einer Gruppe ist man stark. Nur dann kann man Lobbyarbeit machen. Die Bartender schließen sich aber nicht zusammen oder wenn, dann nur in kleinen Gruppen. Ein regionaler Barzirkel ist schön, aber so wirst du nichts verändern. Du musst dich einem Verband anschließen, der dann auch in den Landes- und Bundesausschüssen Platz bekommt und Gehör findet, weil er eine gewisse Stärke habt.
Bei Bartendern ist, so meine Beobachtung, viel Miteinander vorhanden. Die kennen sich alle untereinander, sind zum Teil befreundet, machen Gastschichten beieinander …
… aber das alles nur bis zu einem gewissen Grad. Diejenigen, die etwas an der Situation und am Stand unseres Berufs ändern wollen oder fragen, was sie eigentlich für ihre Angestellten tun können, das sind wenige. Nach dem Motto: Mein Mikrokosmos ist in Ordnung, meine Läden laufen gut oder meine Anstellung ist okay. Das globale Denken, wohin soll die Reise gehen, fehlt.
Was tut die DBU dafür, damit die Leute wieder zu ihr kommen?
Wir laden die Bartender zu unseren Events ein und mein Eindruck ist, dass sie gerne kommen. Die Leute fangen wieder an einzutreten. Jeder in dieser Branche müsste doch ein Interesse haben, dass wir besser werden, dass wir eine Lobby werden und endlich einen Ausbildungsberuf bekommen.
Warum braucht die Bar eigentlich einen Ausbildungsberuf?
Weil uns Nachwuchs fehlt. Wir kommen nicht hinterher! Wir müssen uns aktuell die Quereinsteiger raussuchen, die Potenzial haben. Die Situation ist bei uns schlimmer als bei den Köchen.
Dabei hat es doch wieder Charme für viele, an der Bar zu arbeiten. Mehr als die Küche. Da gibt es Leute mit Uniabschluss, die das tun, statt in ein Unternehmen gehen …
… ja, die gibt es. Aber das sind viel zu wenige. Wir unterstützen eine Zusatzqualifikation an der Bar, das Barmanagement, das es in einigen wenigen Berufsschulen in Deutschland für die Refa- und Hofa-Ausbildung gibt. Die Landesverbände und die Kultusministerien bestimmen über diese Zusatzqualifikation, deswegen müssen wir als Lobby sagen können: Da, wo es sie gibt, dort bekommt ihr mehr Azubis und letztlich mehr Fachkräfte. Gerade wird diskutiert, die Ausbildung zum Restaurant- und Hotelfachmann umzustrukturieren in eine zweijährige Grundausbildung und eine einjährige Spezialisierung. Da wird über alles gesprochen. Sommelier, Barista, alles. Das einzige, worüber nicht geredet wird, ist die Bar.
Weil es keine Lobby gibt.
Weil es keine Lobby gibt.
Könnt ihr euch an Verbandsarbeit im Ausland orientieren?
Der Dachverband, die IBA, ist im Vergleich zu uns Jahre zurück.
Was ist mit starken Barländern? Australien, Großbritannien?
Schon eher Japan. Die haben 5.000 Mitglieder, 12 Büros und 30 Angestellte. Von der Struktur und Größe her ist das erstrebenswert – wir haben die Ehrenamtlichen, eine halbe Bürostelle und mich als Externen. Aber Japan ist eine andere Kultur. Die treten im gleichen weißen Dinnerjacket auf die Bühne, die arbeiten alle gleich, wie eine Armee. Wir wollen mit der Barcommunity wachsen.
Aber in dieser finden viele die DBU, den Begriff hört man immer wieder, verstaubt.
Ich habe keinen Bock mehr, mir anzuhören: Ihr seid langweilig, ihr seid piefig. Wir packen die Leute jetzt bei den Eiern: Tretet ein und verändert was! Wenn von 100 Leuten zehn Avantgarde sind, Druck ausüben und das Ding sexy machen wollen, dann kommen die nicht gegen die 90 anderen an. Aber wenn es 25 sind, Starke, Meinungsmacher, dann ändert sich etwas.
Was sind für dich die drei Hauptgründe, in die DBU einzutreten?
Netzwerk, Fortbildung und die Familie, denn die DBU ist eine. Egal, wo du hinfährst, wenn du bei einem Mitglied bist, bist du bei jemandem aus der Familie.
Ich habe gestern mit zwei Berliner Barbetreibern, die noch nicht in der DBU sind, darüber gesprochen, was für sie thematisch relevant wäre. Zum Beispiel die Arbeitssicherheit.
Ein wichtiges Thema. Wir werden in den nächsten zwei Jahren in den großen Städten Round Tables machen und gezielt Leute einladen, um ihnen zuzuhören: Wo sind denn eure Bedürfnisse? Was interessiert euch?
Standards wurden im Gespräch gestern auch genannt. Jetzt habt ihr vor ein paar Minuten „Das Barhandbuch für Einsteiger“ vorgestellt. Mit dem Ziel, vermute ich, es zum Standardwerk zu machen?
Ja. Das bekommen die Berufsschulen kostenfrei. Aktuell kommen die Leute aus der Ausbildung mit den Klassikern, Manhattan, Sidecar, aber kein Drink passt, weil jede Berufsschule ihre eigenen Rezepturen hat. Deswegen das Buch: Wir haben 35 Keydrinks genommen, Klassiker und modernere Drinks wie den Gin Basil Smash. Wenn du die 35 kannst, dann bist du gut aufgestellt. Dazu kommen Themen wie Service, Warenkunde und Techniken sowie Produktsteckbriefe. Das Buch soll wachsen. In der ersten Ausgabe wurde zum Beispiel das Thema Weinbrand noch nicht behandelt, das werden wir aufarbeiten: Alle zwei Jahre wird eine neue Auflage erscheinen.
Aber trotzdem: Nur gelernte Bartender wird es so schnell nicht geben, oder?
Quereinsteiger wird und soll es immer geben. Ich kenne viele und im Prinzip bin ich ja selbst einer. Die Leute, die quer einsteigen und sich dann entscheiden, das weiterzumachen, machen das aus reiner Leidenschaft. Und die sind dann auch genau richtig hier.
Wo steht die DBU in fünf Jahren?
Sie ist definitiv strukturstark. Sie ist kurz davor, ein eigenes Schulungszentrum zu eröffnen. Die Lehrbücher laufen rund. Die DCM ist Teil eines jährlichen Symposiums – es wird definitiv keine Messe, sondern es werden Inhalte vermittelt und die Barchefs schicken ihre Leute dorthin. Und in zehn Jahren können wir den Ausbildungsberuf etablieren.
Vielen Dank, Hamudi.
Mehr Infos: www.dbuev.de
3 Kommentare
Herr Sklenar hat offensichtlich selbst eine ausgeprägte Profilneurose…
Es scheiterte bislang immer an der Tatsache, daß ein Ausbildungsberuf ab 16 Jahre angeboten werden muss…
Ich bin und bleibe der Überzeugung treu, daß der fundierteste Weg an die Bar zunächst eine Ausbildung im Gastgewerbe (ReFa oder Koch) zugrunde haben sollte!
Ich habe in nunmehr 22 Jahren am Brett auch viele „Quereinsteiger“ kennen und schätzen gelernt. Da waren Krankenpfleger, Mechaniker oder Maurer bei!
Aber ALLE kamen mit einer Leidenschaft rüber, welche es zu respektieren gilt!
Open your mind!
Unsere Branche ist einfach zu speziell!
Sie lebt vom Input!
Ich bin Mohammads‘ Meinung einig!
Herr Sklenar,
Hr. Nazzal ist definitiv der Letzte, der sich hier in den Vordergrund stellen möchte. Ganz im Gegenteil! Hier geht es um das große Ganze! Genauso hätten Ulf, Sabine od. sonst jemand interviewt werden können. Hätten sie denen dasselbe vorgeworfen?
Ehrlich gesagt liegt nach Ihrem Kommentar wohl auf der Hand, wer sich mit der Aufzählung von Referenzen in den Vordergrund stellen möchte.
Der Auftritt in „ordentlicher“ [damaliger] Uniform ist übrigens einer der [vielen] Gründe, die den Verein in den letzten 10 Jahren ins Abseits gedrängt haben. Dies möchten wir ändern. Entwicklung ist wichtig!
Es mag sein, dass Sie Barkeeper unterrichten. An der Berufsschule in Calw werden Barkeeper sogar geprüft ;-)
-> von einem anerkannten Ausbildungsberuf sind wir dennoch noch ein ganzes Stück entfernt.
In der Vergangenheit hat die DBU viel bewegt. Und dafür sind wir auch heute noch dankbar. Vor einigen Jahrzehnten war auch „American Bar“ der Stand der Technik, allerdings schreiben wir das Jahr 2017. Die Zeiten ändern sich. Einiges bleibt gleich, vieles Verändert sich. Und wenn man nicht Schritt hält, bleibt man auf der Strecke. Die 80er sind bald 3 Jahrzente her… Zeit für Veränderung! (die Gott sei Dank seit ein paar Jahren vonstatten geht).
Diese Bestreben des Hr. Nazzal
mag eine Emotin sein sich persönlich in den Vordergrund zu stellen. Die Sektion NRW wurde von Heinz Dahlmeier
in den 80iger Vorbildlich geführt infolge Jahre von
mir als Vorsitzender mit Bemühungen für den Nachwuchs und für Quereinsteiger mit Erfolg.
Barkeeper und Barmeisterausbildung in Altötting mit Zulauf und Erfolg.
Ich persönlich unterrichtete am Bildungszentrum für Gastronomie in Koblenz -Barkeeper mit Erfolg.
Persönlich globale Erfahrung
Member bei IBA- Mailand
Meisterprüfung 1970-USA
Barlehrbuch mit Harry Schremli ausgearbeitet in Kenia und Tansania Schremli ein absoluter Prof. der Barkultur.Barbuch mit Hr. Hinterwirth Hotelfachschule Bad Gastein ausgearbeitet.
Wir haben auch in der Vergangenheit einiges bewegt für den Beruf alle mit ordentlicher Uniform bei öffentlichen Auftritten.
Der Untergang dieses Berufes ist die Vorspiegelung der leichtigkeit und Coolheit somit kann jeder Arbeitslose mit gutem Aussehen an die Bar.
Barkultur ist was anderes.
Gerne halte ich darüber einen Vortrag am round table.
Peter Sklenar