Wie turbulent die Gründungs- und Anfangszeit des„Klinglwirt“ war, lässt sich in Buchform nachlesen: Der Roman „Drei Bier auf die Vier“ schildert die Geschichte des modernen Münchner Wirtshauskonzepts auf spannende und unterhaltsame Art und Weise. Seit der Eröffnung sind gut zehn Jahre vergangen. Wo steht das Unternehmen heute? Wir haben uns mit der Gründerin Sonja Obermeier unterhalten.
Sonja, wie geht es euch?
Im Moment heißt es noch Füße stillhalten und warten, bis es wieder losgeht. Wir sind zwar geöffnet, aber es ist nur ein Drittel des Geschäfts, das wir sonst haben. Generell sind wir gut durch die Krise gekommen. 2019 hatten wir ein super Jahr und haben dementsprechend viel Förderung erhalten. Auch die Sommer 2020 und 2021 waren sehr gut. Jetzt warten wir auf den Frühling. Die Herausforderung ist, bei diesem schwankenden Geschäft die Mitarbeiter zu halten – denn die brauchen wir natürlich, wenn es richtig wieder los geht. Im letzten Lockdown sind wir auf Kurzarbeit gegangen, es ging nicht anders. Jetzt versuchen wir es ohne hinzubekommen. Die Aushilfen arbeiten deutlich weniger, die Festangestellten waren alle eine Zeit im Urlaub und haben teilweise Minusstunden.
Habt ihr in der Coronazeit auch mit Takeway und Co. gearbeitet?
Ja. Im ersten Lockdown haben wir mit to go angefangen, eine Zeitlang haben wir auch geliefert. Was wir dann aber wieder eingestellt haben, weil die meisten unserer Gäste ihre Speisen selbst abgeholt haben. Wir haben später auch ein Mehrwegsystem, Relevo, eingeführt. Ich bin manchmal schwer zu erwischen im Lokal. Aber die waren sehr hartnäckig und haben so lange vorbeigeschaut, bis sie mich angetroffen haben (lacht). Und dann war ich auch schnell überzeugt. Es funktioniert gut, 50 Prozent bestellen to go damit.
Das ist recht viel.
Es funktioniert auch ganz easy. Die Gäste scannen die Behälter per App beim Abholen ein und dann können sie diese bei uns oder anderen Partnerbetrieben wieder abgeben. Für die Kunden ist es kostenlos. Uns kostet es zwar ein bisschen mehr als eine Einwegbox, aber es passt voll zu unserer Philosophie und ist es uns daher auf jeden Fall wert. To go lief im zweiten Lockdown gar nicht schlecht, natürlich nicht mit dem normalen Geschäft vergleichbar, aber so blieben wir im Kontakt mit den Gästen und haben die Festangestellten beschäftigen können. Ich muss dazu sagen: Damals hatten wir noch nicht so viele Feste und brauchten nach dem Lockdown dringend Personal, weil so viel los war, deswegen sind wir aktuell überbesetzt. Aber das kriegen wir schon hin!
Wie groß ist dein Team zurzeit?
Wir haben sechs Festangestellte und zehn Aushilfen.
Im Buch über den Klinglwirt, das 2013 erschien, wird schön geschildert, wie du ein Netzwerk aus regionalen Produzenten aufgebaut hast – viele auch aus der Region, in der der Ur-Klinglwirt deiner Familie ursprünglich ansässig war. Heute ist so ein regionaler (Rück-)Bezug fast eine Selbstverständlichkeit. Wie war das damals und wie hat sich dieser Trends aus deiner Sicht weiterentwickelt?
Damals war es Überforderung an allen Fronten (lacht). Die Idee fanden alle toll, aber es kommt dann so viel Idealismus rein, der in der logistischen Praxis nicht umsetzbar ist. Oft haben Gäste und Bekannte, praktisch jeder, der es mitgekriegt hat, mir Vorschläge gemacht und Ideen eingebracht – was an sich natürlich sehr schön ist. Aber es war für uns einfach nicht möglich, von zig verschiedenen Lieferanten zu beziehen oder gar Ware abzuholen. Ich habe mich dann auf ein paar Lieferanten hier aus der Umgebung konzentriert (mittlerweile ist sie zurück in die Heimat vor der Stadt gezogen, Anm. d. Red.). Teilweise sind es Bauern, die ich persönlich kenne. Meine Eltern haben ja anfangs persönlich die Eier, die Kartoffeln oder den Schnaps abgeholt und nach München gebracht.
So machen wir es eigentlich immer noch. Es ist natürlich semi-effektiv, weil es viel Zeit kostet, aber die persönliche Lieferantenbeziehung ist ja auch Teil unseres Marketings. Also: 80 Prozent kommt vom Bio-Großhändler und einem normalen, wir sind ja nicht zu 100% bio, 20 Prozent beziehen wir auf diesem Wege, inklusive dem Herrmannsdorfer Fleisch und dem Brot aus Martin’s Holzofenbäckerei in Grafing, die beide von Anfang an dabei sind. Unser Motto ist ja bayerisch und bio – darum wollen wir so viel wie möglich Bio aus Bayern kaufen.
Stichwort bayerisch: Das Wirtshaus ist ja quasi ein Stück der kulturellen Identität Bayerns. Gleichzeitig beobachten wir leider ein Wirtshaussterben. Wie bringt man die Tradition erfolgreich in die Gegenwart?
Wir wollten zum einen immer Tradition, aber eben auch nicht zu sehr. Serviceleute in Tracht und Dirndl wie in anderen Wirtshäusern – so was haben wir nie gemacht. Wir schreiben auch nicht „bayerisch“ auf die Karte – dieses Aufgesetzte, Touristische, das wollte ich nicht. Ich habe immer gesagt: Bayerisch ist eine gesprochene Sprache. Wir haben ein gemütliches Ambiente, aber wir laufen ganz normal in Jeans herum Besonders bei den jüngeren Leuten kommt das gut an, die stehen nicht auf dieses Touristending.
Das andere ist das Angebot: Es wird immer mehr vegetarisch und jetzt auch veganer. Dahin geht der Trend, zumindest in München – vorausgesetzt, das schmeckt genauso gut. Ich wollte das schon länger einführen, aber es hat erst mit der Küche nicht so geklappt, dass wir da kreativ werden. Zu Hause essen wir fast nur noch vegan, insofern habe ich mich dann selbst mehr damit beschäftigt und Sachen ausprobiert. Vegane Knödel sind total einfach, und so habe ich Gerichte für den Klinglwirt entwickelt, die wir nach und nach auf der Wochenkarte testen. Ein Münchner Schnitzel aus Blumenkohl – oder Rahmschwammerl, die kamen jetzt auf die feste Karte, sie schmecken genauso wie mit echter Sahne. Doch wir haben schon viele Gäste, die wegen des Hermannsdorfer Fleischs kommen. Das laufende Konzept will ich nicht total umdrehen. Schweinebraten oder Weißwurst, solche bayerischen Klassiker werden wir wohl eher nicht vegan machen. Aber wir wollen den veganen Anteil auf ein Drittel der Speisekarte heben.
Nachhaltigkeit hat ja auch eine ökonomische Dimension. Wie setzt ihr diese um?
Also was die Ökonomie betrifft: Ich habe mich durchgebissen (lacht), an den Kosten geschraubt, an den Preisen, am Umsatz und Marketing, sodass wir jetzt wirtschaftlich gut dastehen. Der Klinglwirt ist schuldenfrei, der Kredit ist seit zwei Jahren zurück bezahlt, wir haben Corona gut überstanden – wir sind gut aufgestellt. Wobei die Herausforderung ist, dass wir sehr hohe Warenpreise haben. Normales Fleisch kostet ein Drittel oder gar Viertel.
Wir sparen am Schischi. Die Teller werden nicht wird mit einer liebevoll geschnitzten Karotte dekoriert, sondern es kommen die guten Basisprodukte drauf. Und wir nutzen die Teller vielleicht auch ein zwei Jahre länger als andere Lokale, selbst wenn sie vielleicht schon eine kleine angeschlagene Ecke haben. Ich zahle zwar überdurchschnittlich, aber auch keine astronomischen Gehälter – es muss alles zusammen passen, damit es auch wirtschaftlich ist und man die hohen Warenkosten wieder reinholt.
Und wie funktioniert das Team des Klinglwirt?
Die Fluktuation in der Gastronomie ist bekanntlich allgemein hoch und das war am Anfang bei uns nicht anders, weil ich keine Erfahrung hatte, wie man Mitarbeiter richtig auswählt und erkennt, wer pragmatisch und stressresistent ist – solche Qualitäten braucht man in dieser Branche. Ich hatte früher auch deutlich mehr Aushilfen, nachdem es ganz am Anfang mit einigen Festangestellten komplett schief lief und ich schnellen Ersatz brauchte. Was mir nicht so zugesagt hatte, weil ich meinen Leuten schon eine Lebensgrundlage und soziale Absicherung bieten möchte.
Damals brauchte ich die Flexibilität, jetzt hat es sich deutlich mehr in die Richtung Festanstellung entwickelt: Der berufliche Fokus dieser Leute ist der Klinglwirt. Wir haben keine Meetingkultur, dafür aber eine flache Hierarchie und eine offene Kommunikation. Operativ arbeite ich selbst mittlerweile weniger mit. Mein Ziel vor der Gründung war es, ein Restaurant zu betreiben, das Mitarbeiter bezahlen kann, sodass ich nicht jeden Abend selbst am Tresen stehe. Das hat ein paar Jahre gedauert (lacht), aber meine Haupttätigkeit für den Klinglwirt heute ist die Kommunikation und mit meinen Leuten zu sprechen. Wenn sie Vorschläge haben, was man besser machen kann, dann nehme ich das gerne an. Ich nehme sie als Personen ernst. Das – und die Tatsache, dass viele wegen des Nachhaltigkeitsaspekts bei uns arbeiten – ist wohl der Grund, warum wir weniger Personalprobleme haben als andere.
Vielen Dank und alles Gute, liebe Sonja.
Webseite Klinglwirt
Zum Greentable-Profil
Das Buch „Drei Bier auf die Vier“