Angelina Bosse, Too Good To Go: „Die richtige App zur richtigen Zeit“

Wie die Gastronomie Umsatz mit übrig gebliebenen Speisen macht, statt sie wegzuwerfen

von Jan-Peter Wulf
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Alle Fotos: Too Good To Go

Mit Too Good To Go werden verbleibende Speisen zu einem reduzierten Preis verkauft, statt sie wegzuwerfen. Umsatz und Deckungsbeitrag statt Food Waste und Müllkosten – das klingt doch gut. Doch wie (gut) funktioniert das Ganze in der Gastronomie? Worauf ist zu achten und was empfiehlt sich für den Verkauf?

Diese Fragen stellten wir Angelina Bosse, Leiterin des B2B-Marketing in Deutschland.

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Angelina, seit wann gibt es Too Good To Go in Deutschland, und wie hat sich das Thema Nachhaltigkeit seitdem entwickelt?

In Deutschland gibt es Too Good To Go tatsächlich schon seit mittlerweile fünf Jahren. Das Phänomen der Lebensmittelrettung per App ist also nicht wirklich neu, erfährt aber im aktuellen Zeitgeschehen eine besondere Aufmerksamkeit. Im Vergleich ist die Bedeutung von Nachhaltigkeit heutzutage eine ganz andere als noch vor zehn Jahren, auch der Umgang mit dem Thema Lebensmittel ist viel bewusster geworden. Das ist für unsere Mission natürlich enorm hilfreich. Das persönliche Konsumverhalten ist für viele Konsument*innen ein wesentlicher Hebel für mehr Ressourcenschonung und Klimaschutz geworden. Darauf müssen sich auch die Betriebe einstellen, um nicht an Relevanz zu verlieren. Hier kommt Too Good To Go ins Spiel. Man könnte also sagen, wir sind die richtige App zur richtigen Zeit.

Kannst du uns bitte ein paar Zahlen und Fakten an die Hand geben?

In Deutschland haben wir aktuell rund 8.500 Partnerläden in über 900 Städten und eine Community von mehr als 5,5 Millionen Menschen. Weltweit sind es sogar rund 40,5 Millionen Menschen. Bislang wurden dadurch international schon mehr als 85 Millionen Mahlzeiten gerettet und in dem Zuge mehr als 200.000 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart. In Deutschland wurden bereits rund 8,5 Millionen Mahlzeiten gerettet. Davon sind 37% Bäckereien, 24% Supermärkte, 22% Gastronomien wie Cafés und Restaurants, 7% Tankstellen und 3% Hersteller. Der Rest ist bunt verteilt auf weitere F&B-Branchen.

Gut ein Fünftel also macht die Gastronomie bei den Kund*innen bereits aus. Welches Feedback erhaltet ihr aus den Betrieben?

Wir stehen im engen Austausch mit unseren Partnerbetrieben und der Community von Too Good To Go. Das Feedback, das wir bekommen, ist durchweg sehr positiv. In der Zusammenarbeit mit Too Good To Go schätzen unsere Partnerläden besonders den einfachen Umgang mit der App. Und ebenso das Konzept der Überraschungstüte, die „Magic Bag“. Sie gibt ihnen die Möglichkeit, eine Tüte mit übrig gebliebenen Lebensmitteln zu füllen, anstatt Produkte einzeln auf die Plattform stellen zu müssen. Das spart nicht nur Zeit, sondern liefert mit Blick auf schwer vorhersagbare Überschüsse auch Flexibilität. Bei einer täglich oder wöchentlich wechselnden Speisekarte bleibt immer ein bisschen übrig – und genau diese Portionen können die Gastronomen flexibel über die App online stellen, sodass nichts im Müll landet. Das ist für viele Partner bei der Reduzierung von Lebensmittelverschwendung entscheidend. Gleichzeitig bleiben sie nicht komplett auf den Kosten sitzen, sondern bekommen für ihr übrig gebliebenes Essen Geld.

Erreichen sie auch neue Gäste?

Ja, viele gastronomische Betriebe berichten, dass sie über die App eine neue Zielgruppe erreichen können, die häufig zu wiederkehrender Kundschaft werden und ihr Laden somit an Bekanntheit gewinnt. Eine Studie der Universität Wageningen aus dem Jahr 2019 bestätigte ebenfalls, dass 76% der User*innen zu wiederkehrender, regulärer Kundschaft werden.

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Welche Produkte bzw. Reste eignen sich besonders für den Verkauf über Too Good To Go? Was darf man überhaupt verkaufen?

Alle übrig gebliebenen Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr produziert wurden und noch sicher gegessen werden können, können über Too Good To Go verkauft werden. Das können komplette Speisen, einzelne Zutaten oder Beilagen sein, aber auch Obst und Gemüse mit Druckstellen oder Produkte, die sich dem Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum nähern. Ebenso können abgepackte Lebensmittel oder alkoholfreie Getränke verkauft werden. Was in einer sogenannten „Magic Bag” landet, ist letztendlich immer eine Überraschung. Eins haben die Überraschungstüten aber immer gemeinsam, nämlich, dass sich in ihr nur übrig gebliebene Lebensmittel wiederfinden. Verkauft werden sie in der Regel zu einem Drittel des Originalpreises. Daher gibt es keine Lebensmittel, die sich besser oder schlechter eignen.

Und was darf nicht verkauft werden?

Nicht verkauft werden darf schimmelige, faulende, auslaufende oder matschige Ware, kühlpflichtige Produkte nach dem MHD oder Verbrauchsdatum sowie Ware, bei der die Kühlkette unterbrochen wurde oder die beschädigte Verpackungen aufweist. Ebenso darf keine harte Backware verkauft werden, Non-Food-Artikel oder alkoholische Getränke auch nicht.

Worauf sollte man achten, wenn man mit dem Verkauf anfängt?

Für einen möglichst einfachen Start und wenig administrativen Aufwand empfehlen wir, abhängig von den geschätzten Überschüssen, eine täglich voreingestellte Anzahl an Überraschungstüten anzubieten. So lässt sich der Prozess sehr einfach in den Tagesablauf integrieren. Sollte doch mal mehr oder weniger übrig bleiben, kann die Menge jederzeit flexibel angepasst werden.

Gibt es neben der Überraschungstüte noch andere Verkaufsformen, vielleicht etwas genuin gastronomisches?

Wir haben einige Partner, die eine sogenannte „Magic Pizza“ anbieten. Da Toppings wie Gemüse am schnellsten an Frische verlieren und ein vorbereiteter Teigrohling auch nur eine Mindesthaltbarkeit von maximal ein bis anderthalb Tage hat, erwartet die Kunden im wahrsten Sinne eine Überraschungspizza, bei der sie vorher nicht wissen, mit was sie belegt sein wird.

Viele Hotels und Betriebe machen es auch so, dass Nutzer*innen von Too Good To Go zum Beispiel eine halbe Stunde vor Abbau des Buffets kommen und sich eine Box füllen können oder die Betriebe packen selbst Buffetboxen.

Manche Betriebe sind vielleicht zögerlich, weil sie nicht sichtbar machen wollen, dass sie Reste haben. Was sagst du dazu?

Lebensmittelverschwendung ist ein Thema, das man nicht totschweigen sollte und das alle angeht. Allein in Deutschland werden ein Drittel aller Lebensmittel produziert, nur um direkt im Abfall zu landen. Die Minimierung von Lebensmittelverschwendung ist mit eine der am einfachsten umsetzbaren Lösungen, um der Klimaveränderung entgegenzuwirken. Nachhaltiger Konsum spielt eine immer größere Rolle in unserer Gesellschaft und immer mehr Konsument*innen hinterfragen ihre Kaufentscheidungen nach diesem Gesichtspunkt. Gastronomische Betriebe sollten sich deshalb nicht verstecken, sondern stolz darauf sein, einen nachhaltigen Beitrag zu leisten. Wir hören sehr oft von Partnern, dass eine neue Zielgruppe durch die Zusammenarbeit angezogen wird. Und viele zu regulären Kund*innen werden, die dann sogar auch mit Freunden und Familie wiederkommen.

Ein anderes Bedenken könnte sein, dass es den Service in der Gastronomie zusätzlich belasten könnte, wenn er sich parallel noch um Too Good To Go kümmern muss.

Too Good To Go stört das eigentliche Geschäft nicht, da über die App nur überschüssige, unverkaufte Produkte angeboten werden. Da die Bezahlung direkt über die App läuft, müssen die Mitarbeitenden nur noch die Überraschungstüten vor Ort packen und die Userinnen und User von Too Good To Go holen diese zu der vom Betrieb angegebenen Zeit ab. Da dies in der Regel Randzeiten des täglichen Geschäftsbetriebs sind, stört es den Tagesablauf nicht. Durch die täglich voreingestellte Anzahl an Überraschungstüten lässt sich der Prozess leicht in den Arbeitsalltag integrieren.

Das Einpacken und das Handling kostet ja Zeit, sprich es verursacht Personalkosten. Was muss man beachten, damit es sich wirklich rechnet, es also günstiger ist als wegwerfen? 

Ob man etwas wegschmeißt oder in eine Tüte packt, macht keinen großen Unterschied im Handling. Es spart aber Entsorgungskosten und bekommt kleinen Obolus für Lebensmittel, die man selbst produziert hat, sodass man den Wareneinsatz drin hat.


Wie präsentieren die Restaurants ihre angebotenen Speisen in der App ideal? Und welche Unterstützung bietet Too Good To Go dabei?

Wir übernehmen komplett das Einstellen des Profils in der App für unsere Partner und helfen ihnen zum Beispiel durch ansprechende Fotos und einen aussagekräftigen Apptext dabei, sich attraktiv für unsere Kunden zu präsentieren. Wichtig dabei ist, dass klar beschrieben ist, wie unsere Nutzer*innen zum Betrieb finden und welche Teile des Sortiments potenziell in einer Überraschungstüte landen können. Dabei kann ein Angebot auch als vegetarisch oder vegan markiert werden, um zusätzliche Kundschaft anzulocken.

Zusätzlich zeigen wir den Nutzer*innen im Partnerprofil, durch welche Qualitäten ein Betrieb sich besonders auszeichnet, also z.B. freundliche Mitarbeiter*innen oder ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Grundlage dafür sind Nutzer*innen, die bereits bei dem Betrieb gerettet und ihn bewertet haben.

Letzte Frage: Welches Marketing bieten Sie teilnehmenden Restaurants?

Alle neuen Betriebe werden bei uns wöchentlich auf Instagram und Facebook an unsere 270.000 Follower kommuniziert, wodurch besonders kleinere Betriebe mehr Bekanntheit erlangen. Gleichzeitig feiern wir Meilensteine mit unseren Partnern, machen gemeinsame Gewinnspiele und veröffentlichen Erfolgsgeschichten, die in den Medien publiziert werden. Zusätzlich erhält jedes teilnehmende Restaurant von uns ein Marketing-Paket aus Postern und Social-Media-Material, mit dem sie die Partnerschaft selbst aktiv an unsere Community von rund 6 Millionen Retter*innen kommunizieren können. Das gibt ihnen eine enorme Reichweite.

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