Über die Grenzen Berlins hinaus bekannt geworden ist Jesko Klatt mit seinem Club-Restaurant „Spindler & Klatt“ an der Spree. Es folgte mit „The Grand“ ein weiteres Mischkonzept und nun wurde der Club-Gastronom mit dem „Chrome Cottage“ auch noch zum Hotelier. Ein Portrait.
„Das müsste jetzt meine siebte oder achte Eröffnung sein“, sagt Jesko Klatt. „Klar, der Energiepegel geht kurz vorher noch mal hoch, aber eigentlich bleibe ich mittlerweile relativ entspannt.“ Das glauben wir ihm glatt: Mit Flipflops an den Füßen und Zigarre in der Hand, auf der Lehne eines frisch angelieferten Mini-Chippendale-Sofas sitzend, strahlt er überhaupt keinen Stress aus. Klatt ist gerade aus Zypern zurück, wo der Vater von zwei Kindern seinen zweiten Wohnsitz hat und jedes Jahr mehrere Monate verbringt.
Seinem Hobby allerdings, dem Kitesurfen, konnte er in diesem Sommer nur einen Tag nachgehen, denn auch von der idyllischen Mittelmeerinsel aus hatte er alle Hände voll zu tun rund um die Eröffnung des Hotels „Chrome Cottage“ in Friedrichshain. Standort: Simon-Dach-Straße, jene Straße, die berüchtigt für ihre gastronomischen Discount-Angebote und Scharen von Touristen ist. Doch der Wandel im Sinne einer Aufwertung von Angebot und Publikum ist deutlich sichtbar: Die „Booze Bar“, beste Cocktailbar des Viertels (eröffnet nach einem Brand im Frühjahr in Kürze wieder) befindet sich gleich gegenüber, mit dem französischen Food- und Store-Konzept „Frenc“ und dem Specialty-Coffee-Store „Silo“ haben sich hier kürzlich zwei weitere gehobene Gastronomien platziert.
Das Hotel-Restaurant „The Raw Bar and Grill“ soll mit Dry-Aged-Steaks, Surf’n’Turf-Burgern, Thunfisch-Tartar sowie Rohkost-Gemüse-Kreationen unter Leitung von Küchenchef Peter Romero (er bringt Drei-Sterne-Restaurant-Erfahrung mit) seinen Teil zum Angebots-Upgrade im Kiez beitragen; auch ein Coffeeshop und eine Bar (Typ moderne Hotelbar, also offen für alle Gäste) gehören zum „Chrome Cottage“.
Dichter dran an der Stadt
Hotelier werden, war das immer sein Ziel? „Als Ergänzung hatte ich darüber schon länger nachgedacht“, erklärt der aus Kiel stammende End-Vierziger. Mit zwei Partnern aus der Immobilienbranche, die schon länger einen Hotelmietvertrag für die Fläche halten, tat er sich für das „Chrome Cottage“ zusammen und legte, wie immer bei seinen Läden (2005 gewann er den fizzz Award für Design) auch in der Interiour-Gestaltung maßgeblich Hand an: Das Interieur mit dunklem Holz aus tropischem Eisenholz und Metall-Elementen.
Man kann es, auch wenn zum Interviewzeitpunkt noch keine Gäste einchecken können, schon erahnen: Zielgruppe ist ein urbanes Publikum mit Design-Anspruch, das „dicht dran an der Stadt“ sein möchte – und das ist es im Hause von Klatt natürlich: „Über ein Zimmer bei uns bist du sofort zugeschaltet. Wenn du vor die Tür trittst, bist du mitten in der Action, und wenn du eine gute Empfehlung für Bars, Restaurants oder Clubs brauchst, bekommst du sie bei unserem Concierge. Wir werden die Leute nicht nur in meine eigenen Läden schicken“, sagt Klatt schmunzelnd.
Service und Crew – Essenz des Erfolgs
Zwei Gastronomien, das „Spindler & Klatt“ und das „The Grand“ sowie die Event-Location „Haus Ungarn“ am Alexanderplatz betreibt Jesko Klatt, jeweils mit anderen Partnern. Hinzu kommt eine international tätige Event-Agentur. Das „Spindler & Klatt“, das er 2004 zusammen mit Frank Spindler (er betreibt heute das „Restaurant Spindler“) eröffnet hat, gilt als Inbegriff des Club-Restaurants in Deutschland. Ein Pionier und Longseller, der seinesgleichen sucht. Viele Konzepte versuchten, einen Mix aus Essen und Tanzen unter einem Dach zu etablieren, nachhaltige Erfolgsbeispiele sind rar. Was ist das Geheimnis? „Der Service-Gedanke und eine gute Crew sind die Essenz“, erklärt Klatt, der in seinen Betrieben heute rund 200 Leute fest und frei beschäftigt.
Vor seiner ersten Gastronomie war er rund zehn Jahre unternehmerisch in der Medienproduktionsbranche tätig, davor lebte er dreieinhalb Jahre in den USA und sammelte in Bars gastronomische Erfahrung. Als sich die Option auftat, die Fläche an der Spree zu übernehmen, griffen er und Spindler zu. „Ich dachte damals, wir machen den Club auf und ich gehe danach wieder in eine Produktion, aber ich habe seitdem nie wieder ein Set gesehen“, erzählt er.
Die Konzeptidee kam ihm bei Reisen durch Asien, dort entdeckte er große Gastronomien, die Essen, Trinken und Tanzen mischen. Ganz nach seinem Geschmack: „Ich mag das Übergreifende, die Bewegung“, erklärt er, starres, stundenlanges am-Tisch-sitzen sei noch nie sein Ding gewesen. Und ebenso wertschätzt er – als Gast wie als Gastgeber – guten Service, im Club wie im Restaurant: „Gäste hosten, sie an den Tisch bringen, statt dass sie auf sich allein gestellt sind, den Besuch zum Erlebnis machen, für mich gehört das einfach dazu. Ich will nicht ewig in der Schlange und dann verloren im Club stehen.“
Sichere Kombination
Fingerspitzengefühl braucht es für den perfekten Übergang vom Restaurant zum Club: Schließlich soll sich niemand fühlen, als werde ihm der Stuhl unter dem Allerwertesten weggezogen. Klatt: „Mein Night Manager weiß genau, wann der richtige Zeitpunkt ist, den zweiten Floor zu eröffnen, das Licht runter- und die Musik hochzufahren, den Restaurantbereich langsam wegzuschieben.“ Dann mischen sich die Gäste von den Anzugtypen, die zum Essen gekommen sind, mit den Clubbern, die später nur zum Feiern erscheinen.
Das dreibeinige Konzept aus Restaurant, Club und Eventlocation sichert nun schon über nun zwölf Jahre den Erfolg: „2009 brach nach der Wirtschaftskrise das Eventgeschäft um 60 Prozent ein, aber der Club lief super. Jetzt gerade haben wir eines der besten Umsatzjahre im Restaurantbereich. Mit unserer Kombination sind wir relativ safe“, so Klatt, wenngleich die Stadt Berlin es der Tanzgastronomie alles andere als leicht mache.„Einen Bestandsschutz gibt es nicht. Wird nebenan ein Haus gebaut und kommt das Lärmschutz-Thema ins Spiel, dann bist du schnell raus.“ Berlin, so findet er, passe nicht genug auf sein „Gut“, die Clubkultur, auf: „Es fehlt an der politischen Umsetzung“.
Ein Hotel mit Betten
Umgesetzt hat er seine Idee von Essen, Trinken und Party erneut im 2012 in einer ehemaligen Schule eröffneten „The Grand“: Vom Restaurant ziehen die Gäste hier an die Bar oder den Tanzbereich weiter und verbringen so – idealerweise – einen ganzen Abend unter (s)einem Dach. Und das unter dem Motto „Grand Hotel ohne Betten“, welches Klatt spielerisch mit einer Rezeption im Eingangsbereich sowie einem Salon, einer Galerie und einem Ballroom inszeniert. Ein echtes Hotel mit Betten ist das „Chrome Cottage“. Ein kleines: 19 Zimmer hat es nur, sehr „boutique“. Doch die Pläne reichen weiter, denn das Konzept soll multipliziert werden, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stadt. „Und danach mache ich nie wieder was auf“, resümiert Klatt. Das glauben wir ihm glatt. Nicht.
2004: Spindler & Klatt
2005: Gewinner des „FIZZZ Award“ in der Kategorie Design
2012: The Grand
2014: Haus Ungarn
2016: Chrome Cottage
Das Interview erschien zuerst in der Ausgabe 10/2016 der FIZZZ.
Das „Chrome Cottage“ ist mittlerweile eröffnet worden.