Jochen Schmelzer, Taste Twelve: „Der Ritterschlag ist, wenn Gastronomen sagen: Ich habe euch unterschätzt“

von Jan-Peter Wulf
jochen schmelzer 690x460 - medien-tools, gastronomie Jochen Schmelzer, Taste Twelve: „Der Ritterschlag ist, wenn Gastronomen sagen: Ich habe euch unterschätzt“

Taste-Twelve-Gründer Jochen Schmelzer. Foto: Redaktion

Gutscheinhefte und Couponing-Aktionen haben in der Gastronomie einen schweren Stand. Das Konzept von „Taste Twelve“ geht seit vielen Jahren einen konsequent anderen Weg und hat damit Erfolg in der Branche und bei den Gästen: Ein hochwertiges Buch, für das es beim Vorzeigen (und vorherigen Ankündigen bei der Reservierung) einen Hauptgang aufs Haus gibt, wenn zwei Personen zum Essen kommen. Wir trafen Gründer Jochen Schmelzer in Berlin. 

 
Jochen, wie kam es zu Taste Twelve, und wie lange gibt es euch schon?

Wir feiern mit dieser Ausgabe Jubiläum: zehn Jahre Taste Twelve. Angefangen habe ich allerdings schon 2005 damit, in Schweden. Ich habe eine Zeitlang in Stockholm gelebt, dort habe ich Fernseh-PR gemacht und vor allem schwedischen Unternehmen geholfen, in Deutschland Fuß zu fassen. Zwischen den Projekten hatte ich immer recht viel Zeit und bin auf die Idee gekommen, einen Restaurantführer zu machen: Eat Sweden. 2006 ist das erste Buch rausgekommen, eigentlich mehr als Hobbyprojekt. Es ist in Stockholm jedoch sehr erfolgreich geworden und so habe ich das dann später für verschiedene Städte herausgebracht: Göteborg, Malmö, Kopenhagen, Oslo und  Helsinki.

Und dann hast du es nach Deutschland gebracht.

Genau, ich habe das zunächst für Köln und Düsseldorf gemacht, ich komme aus dem Rheinland. Allerdings habe ich schnell gemerkt: Wir brauchen für Deutschland eine 2.0-Version, weil die Gutscheinbücher hier viel verbrannte Erde hinterlassen haben.

Was unterscheidet euch von einem Gutscheinbuch?

Wir sind ein Restaurantführer mit Einladung. Gedacht für eine Zielgruppe, die nie ein Gutscheinbuch benutzen würde, und für Restaurants, die eher nicht in ein Gutscheinbuch gehen würden. Der Unterschied zeigt sich in der Aufmachung, im Design, in der Haptik, die Bücher werden aufwändig produziert. Und es gibt keine Einschränkungen zum Beispiel zeitlicher Art oder dass es nur bestimmte Gerichte gibt. Darauf achten wir akribisch.

Was ist der Deal? 

Ein Hauptgang von zwei bestellten geht aufs Haus. Das müssen die Restaurants akzeptieren. In dem Moment, wo es auch nur eine einzige Einschränkung gäbe, würde das Ganze nicht mehr funktionieren. Wir sprechen eine kulinarische Zielgruppe an, die begeistert werden will. Das Projekt ist auch bewusst limitiert auf 4.000 Bücher pro Stadt – wenn die weg sind, sind die weg.

Limitiert ist es auch bei den Restaurants – auf zwölf, wie der Name es ja schon sagt. Das sind nicht viele.

Zwölf Restaurants sind für eine Großstadt in der Tat nicht viel. Aber die Idee ist es, genau damit einen kleinen kulinarischen Querschnitt durch die Stadt zu schaffen. Wir versuchen, die Seele der Stadt einzufangen, und das in erster Linie für Locals, weniger für Touristen. Die 4.000 Bücher werden in die Hände von Leuten gegeben, die sich dann nicht mehr durch den Restaurantdschungel kämpfen müssen. Eine kleine, feine Auswahl, ganz verschieden von klassisch bis Rock’n’Roll. Es geht nicht darum, nur schick zu sein – es soll vor allem überraschen.

Stichwort Überraschung: Das Buch ist ein schönes Geschenk – Weihnachten steht wieder vor der Tür. Doch wie ist das mit der Situation im Restaurant, beim Vorzeigen des Buches? Das berüchtigte Gutscheinwedeln ist ja uncool bzw. nicht so richtig angenehm.

Wir versuchen, dem Kunden eine gewisse Sicherheit zu geben: Du musst keine Scham haben, mit dem Buch wegzugehen. Es stimmt, bei Gutscheinbüchern wird man manchmal komisch angeguckt, an den hinterletzten Tisch gesetzt oder bekommt womöglich eine kleinere Portion – das alles gibt es bei uns nicht. Wir besprechen das mit den Restaurants sehr genau: Bitte behandelt die Leute, die mit unserem Buch kommen, charmant und gut. Gebt das Allerbeste! Es sind schließlich kulinarisch versierte Leute, die euch jetzt kennen lernen wollen.  

2020 unter anderem mit dabei in Berlin: Das neue „Carl & Sophie“ und das „Cordo“ (ehemals „Cordobar“).

Es sind ja jedes Jahr neue Restaurants dabei, dieses Mal zum Beispiel das neue Carl & Sophie Spree Restaurant. Das heißt dann aber auch: Ihr müsst andere rausnehmen.

Was mitunter schwer ist! Aber wir tauschen ja nicht alle zwölf aus, wir übernehmen meist vier aus dem Jahr davor. Wir hören darauf, was die Community sagt, zum Beispiel bekommen wir auf kulinarischen Messen viel Feedback von Leuten, die das Buch schon genutzt haben – wo hat es ihnen besonders gefallen? Da hören wir genau zu. Und das Interessante ist: Je länger so ein Projekt läuft – hier in Berlin seit vielen Jahren –, desto mehr fangen die Restaurants an, sich zu bewerben. Solche, die anfangs sehr skeptisch waren und nicht mitgemacht haben, kommen dann ein paar Jahre später: Wir finden das doch ganz interessant. Der Ritterschlag ist, wenn Gastronomen sagen: Ich habe euch unterschätzt, das war gut. Das sagen nicht alle, es gibt auch solche, die sagen: Das ist nichts für uns. Aber in den allermeisten Fällen sind die Partner glücklich und wollen wieder mitmachen. 

Im Buch gibt es nicht nur die Restaurantbeschreibungen, sondern auch weitere Inhalte.

In der Mitte haben wir vier Doppelseiten mit aktuellen Foodtrends – die Inhalte kommen von der Agentur David + Martin (auch Herausgeber des Online-Magazins Urban Pioneer, Anm. d. Red.). Hier fühlen wir rein: Was ist momentan hip, worauf achten die kulinarisch Interessierten aktuell? Und am Ende des Buches stellen wir die „Taste Twelve And Friends“ vor, in der Berliner Ausgabe sind es dieses Mal u.a. „Maître Philippe Et Filles“ und die „Wein & Glas Compagnie“.

Neun Städte habt ihr bereits, plant ihre weitere?

Ich bin total interessiert an Leipzig und Dresden. Die Städte haben sich kulinarisch total entwickelt. Es muss halt einen Projektmanager vor Ort geben, der es macht. Sobald ich die richtige Person habe, mache ich es sofort.

Vielen Dank, Jochen.

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Taste Twelve gibt es derzeit für Berlin, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart und Wien.

Ein Buch mit 12 Restaurant-Einladungen (in der aktuellen Version gültig bis 31. Dezember 2020) kostet 38 Euro. 

Mehr Infos hier.

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