Kakigori: Japanische Eiskunst mit viel Potential für die Gastronomie

Eine kleine Eisgeschichte, Teil 2

von Jan-Peter Wulf
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Fotos: Redaktion

Das japanische Kakigori-Eis hat in Mitteleuropa noch Seltenheitswert. Dabei ist es ein Produkt, das sich sowohl in der gehobenen Restauration als auch an der Bar sicher gut machen würde. Eindrücke vom Workshop aus Berlin. 



Das Tenzan Lab ist der perfekte Ort für einen Kakigori-Workshop, denn hier wird das geschabte Eis aus gefrorenem Wasser schon seit sechs Jahren verkauft und zelebriert. An diesem Frühlingstag haben sich hier zahlreiche Personen aus der Berliner Gastronomiewelt eingefunden, um den eigens angereisten Gäst*innen aus Japan bei ihrer Einführung in die Kakigori-Welt beizuwohnen.

Denn mitnichten ist es nur geschabtes Eis aus gefrorenem Wasser, wie wir eben schrieben. Vielmehr steht – wie bei so vielem Kulinarischem aus Japan – eine uralte Tradition und Handwerkskunst dahinter. In Nara westlich von Osaka erfand man schon im 5. Jahrhundert eine Methode, mit der sich Eis bis in den Sommer aufbewahren ließ – in unterirdischen Eisräumen, Himuro genannt, analog zu den noch älteren Yachtschals in Persien. Als im 8. Jahrhundert Nara der Sitz des Kaiserhofs war, genoss man zu Hofe Sake auch sommers gerne gekühlt aus dem Himuro.

Und noch heute wird Eis in Nara nach dieser Methode gelagert und ganzjährig verwendet. 
Nara das Zentrum des Kakigori-Kults, und das 2015 eröffnete Housekibako eine echte Institution. Betreiberin Keiko Okada und ihr Geschäftspartner Sousuke Hirai haben seitdem schon mehr als 200 Varianten und 400.000 Portionen verkauft. In Nara richten sie auch ein alljährliches Kakigori-Festival aus, zu dem Profis und Fans aus dem ganzen Land anreisen. Die beiden sind zusammen mit Hiroki Ikenaga, einem Hersteller von Kakigori-Maschinen, nach Deutschland gekommen, um ihr Traditionsprodukt vorzustellen.

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Die wichtigste Zutat ist Wasser. Es gefriert über mehrere Tage langsam, langsam, langsam, um möglichst rein zu sein. 72 Stunden Gefrierdauer gelten als Richtwert – ein Eis wie ein Sauerteig. Der Aufwand macht Sinn: Der Quader, der im „Tenzan Lab“ vor uns liegt, weist trotz seiner Kantenlänge von gut und gerne 25 Zentimetern keinerlei Blaseneinschlüsse auf und funkelt wie ein Kristall. Für das Schaben wird er auf eine Temperatur von cira -5°„erwärmt“, was die beste Kakigori-Qualität hervorbringt, wie wir erfahren. Auch Faktoren wie Größe der Portion, Standzeit – bei einem Workshop länger – sowie die Art des Sirups und anderer Zutaten, mit denen das geschabte Eis genossen wird, bezieht Keiko Okada in ihren Herstellungsprozess ein. Der ist dank des modernen Geräts auch für ungeschulte Hände relativ problemlos zu bewältigen – im Tenzan setzt man sonst ja, was noch schöner ist, ein traditionell handbetriebenes ein. Beim Aufbringen des Sirups dürfen sich die Teilnehmer nach Lust und Laune ausprobieren. So kredenzt ein anwesender Koch ein besonders hübsches Kakigori-Exemplar mit Matcha und garniert mit Holunderblüten.

Als wir den Profis aus Japan erklären, dass wir finden, dass die Kakigori-Version mit Erdbeersirup und Mascarpone eine angenehm leichte und feine Alternative zum Spaghettieis ist, müssen wir erstmal mit Handybildern zeigen, was wir meinen und ernten erstaunte Blicke. Aber wirklich: Kakigori überzeugt nicht nur durch seinen Geschmack (die Kunst ist, das Eis mit dem Sirup gut zu durchtränken), sondern auch durch seine Bekömmlichkeit. Wer im Sommer schon mal zwei, drei dicke Kugeln Milcheis im Bauch mit sich herumgetragen hat, weiß wovon die Rede ist.

kakigori2 - gastronomie, food-nomyblog Kakigori: Japanische Eiskunst mit viel Potential für die Gastronomiekakigori3 - gastronomie, food-nomyblog Kakigori: Japanische Eiskunst mit viel Potential für die Gastronomie„Kakigori hat Charme und ist niedlich, bietet Flexibilität und Variationsmöglichkeiten“, erklärt Sousuke Hirai. Was es auch für Köche interessant mache. In Japan längst, aber auch außerhalb des Landes entdecken immer mehr Restaurants das Potential, zum Beispiel zum Abschluss eines Menüs. Mit dem Eis, das trotz der dünnen Raspel erstaunlich lange seine Konsistenz bewahrt und nicht zusehends wegschmilzt, lässt sich auch an der Bar so mancher spannender Drink mit besonderer Textur und Optik herstellen – mit Kakigori-Cocktails experimentierte z.B. schon der renommierte Bartender Masa Urushido im Katana Kitten in New York.

Und mit einem Verweis auf die lange Tradition, die hinter dem Ganzen steht, lässt sich den Gästen eine schöne Geschichte erzählen, die auch mögliches Stirnrunzeln, was denn jetzt an geraspeltem Eis so besonders sein soll, sicher schnell vertreiben wird.

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