Portrait: Die Kantinenrevolution der Kitchen Guerilla, Hamburg

von Jan-Peter Wulf
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Revolutioniert die Kantine: Koral Elci. Foto: Redaktion

Seit mittlerweile fünf Jahren kocht das Team der „Kitchen Guerilla“, bekannt geworden durch Food-Events, für ausgewählte und namhafte Unternehmen der Stadt, vornehmlich mit regionalen und biologischen Zutaten. Wir haben Gründer Koral Elci einen Vormittag begleitet und uns erklären lassen, was hier den Unterschied ausmacht.

Eine Produktionsküche in Moorfleet am Rande der Hansestadt. Funky ist die Musik, die schon am frühen Mittwochmorgen, es ist kurz vor neun Uhr, aus der Boombox zwischen den Edelstahlschalen in der Küche tönt. Die Laune ist sichtbar gut, das Team hat längst mit den Vor- und Zubereitungen des heutigen Menüs losgelegt: Zwiebelsuppe, Nordseefisch mit Kürbis und einer Sauce aus sonnengetrockneten Tomaten, ein Eintopf aus Grünkohl, Kidney-Bohnen, Karotten und Sellerie, sowie als Beilagen sautierte und gefüllte Paprika, Grünkern und eine Pastete stehen auf dem Plan, dazu Walnusskuchen.

Der Aufbau ist täglich gleich: eine Suppe, zwei Hauptspeisen (einmal Fleisch, Fisch oder Geflügel, einmal vegan) und drei Beilagen, wobei mit Gemüse und Hülsenfrüchten stets alle Nährwerte berücksichtigt werden. Hinzu kommen Salate für die Bar. Zubereitet wird all das von gestandenen Köchen, die zuvor in der Individual- und sogar Sternegastronomie tätig waren.

Von Food-Events zum Kantinengeschäft 2.0

„Wir kochen für alle Kunden dasselbe, jeden Tag neu. Es gibt keine Convenienceprodukte, keine Dino-Nuggets, sondern einen täglich frischen Mix aus Hausmannskost und Länderküchen. Wir bauen es lebendig auf“, erklärt Koral Elci. Er hat 2009 die Kitchen Guerilla gegründet und betreibt diese seit vielen Jahren zusammen mit seinem Bruder Onur. Lebensmitteln Wertschätzung zurückgeben, gute Zutaten verarbeiten mit Fokus auf Regionalität, Essen feiern: Mit diesem Ansatz, seinerzeit alles andere als ubiquitär, erhielt man schnell landesweite Aufmerksamkeit.

Was mit Food-Events und Dinner-Partys unter eigener Flagge begann und bald auch für viele Unternehmen wie Pilsner Urquell, Yeni Raki oder Olympus ausgebaut wurde, hat sich zu einem kleinen Mittelständler mit zwei Dutzend festen und freien Mitarbeitern entwickelt. Neben rund 100 kulinarischen Veranstaltungen und Caterings produziert man mittlerweile auch eigenen Food-Content wie Videos und Storys für Unternehmen, hat einige eigene Lebensmittel für den Handel entwickelt hat und mischt seit über fünf Jahren auch im Kantinen-Business der Elbestadt mit.  

„Facebook ist ein guter Partner für uns“

Was mehr oder weniger per Zufall entstanden sei, wie Elci erklärt: „Mitarbeiter von Facebook waren auf einem unserer Events und waren von unserer Qualität begeistert. Sie haben uns danach gefragt, ob wir nicht auch für sie kochen können und zwar täglich.“ Gesagt, überlegt, getan. Damals vergrößerte das Social-Media-Dickschiff seine Hamburg-Dependance und war auf der Suche nach einem Caterer, der den hohen Ansprüchen des Unternehmens gerecht würde. Bei Facebook gibt es kulinarische Teams, Stabsstellen quasi, die sich einzig und allein um das leibliche Wohl der insgesamt fast 40.000 Mitarbeiter in den weltweiten Büros kümmern. In vielen Offices wird direkt vor Ort gekocht. 

„Facebook ist ein guter Partner für uns. Die haben verstanden, welchen Wert Gemeinschaftsverpflegung für das Unternehmen hat und dass es sich lohnt, für glückliche Mitarbeiter auch hier Geld in die Hand zu nehmen“, erklärt Koral Elci. Mit einem gängigen Pro-Kopf-Preis für ein Mittagessen, das Unternehmen ihren Mitarbeitern voll- oder teilsubventionieren, hat das Menü, das man mittlerweile für mehrere Unternehmen vornehmlich aus der Digitalbranche (u.a. auch das Bewertungsportal Yelp und der Media-Spezialist Tradedesk) zubereitet, nicht viel zu tun.

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Ab 15 Euro im Schnitt pro Essen und Tag müsse man schon kalkulieren, so Elci – eine hohe Investition, die sich seiner Meinung nach aber rentiere, zumal die Unternehmen um Talente buhlen und sich auch über Speisequalität vom Wettbewerb differenzieren können. „Als Mitarbeiter musst du dir über geiles Essen keine Gedanken mehr machen.“

Selbst wenn das Beteiligungsmodell 50:50 vorsehe, bekomme man so für sieben, acht Euro immer noch etwas Leckeres und Gesundes. „Und für den Arbeitgeber ist es auch besser, wenn die Leute aufhören, sich schon ab elf damit zu beschäftigen, wo sie mittags etwas essen gehen. Die Mitarbeiter sind besser drauf, fallen in kein Mittagstief mehr, der vor allem auf Kohlenhydrate bedachte Sportler kann mit unserem Angebot genauso seiner Ernährungsweise nachkommen wie jemand, der nur Fleisch und Salat will oder nur vegan essen. Alles kein Problem.“

Regionale, biologische und nachhaltige Lieferanten

Woher die Zutaten für die Speisen kommen, legt man gerne offen. Elci: „Unsere Kunden haben immer die Möglichkeit, bei uns nachzufragen. Wir sind sehr nah an ihnen dran, betreuen sie direkt und sind absolut transparent.“ Die Hauptlieferanten stehen auf der Webseite. Frisches Obst und Gemüse bezieht an u.a. vom Hamburger Fachhändler Marker. Der Weg ist denkbar kurz, denn in dessen nicht mehr selbst bespielten Küche am Firmensitz Moorfleet findet aktuell der Großteil der Produktion statt. Auch die sogenannten „Misfits“, Stücke also, die nicht der Verkaufsnorm entsprechen, landen in den Töpfen statt in der Tonne. Stichwort Wegwerfen: Auch hier hat man eine klare policy: Wenn etwas mal aus ist, dann ist es aus. Was überbleibt, können sich die Mitarbeiter zudem in bereitgestellten „doggy bags“ mit nach Hause nehmen und sparen sich so nach einem langen Arbeitstag noch Zeit und Geld für den Einkauf. Oder machen es sich vor Ort warm, wenn eine Spätschicht anliegt.

Die Kantinenrevolution geht weiter

Und man denkt das Thema „Kantinenrevolution“ immer weiter: Perspektivisch will man nach dem Motto „Anbauplan gleich Speiseplan“ mit regionalen Landwirten jährliche Abnahmemengen für deren Erzeugnisse vereinbaren. Dieses Konstrukt befinde sich bereits im Aufbau, brauche aber viel Zeit und Planung, so Elci. Was dem Unternehmen und seinen Lieferanten Sicherheit gibt: Der Lebensmittelbedarf soll weiter steigen. Aktuell werden täglich rund 400 bis 500 Essen gekocht, das wolle man auf über das Doppelte wachsen lassen. Darüber hinaus berät man auch andere Kantinen und Betreiber*innen für deren eigenen Kantinen-Revolutionen. 

Der Text erschien zuerst in Cooking + Catering Inside.
Einen Fernsehbeitrag zum Thema gibt es hier.

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