1997 eröffnete Kasper Stuart das erste „De Wok und ‚t Tafeldier“ in Antwerpen und übertrug damit als einer der Ersten in Europa asiatisches Streetfood in die Fast-Casual-Gastronomie. Neben dem Betrieb eigener Gastronomien und Catering-Geschäft unterstützt er heute auch andere Gastronomen bei ihren Projekten. Eine Karriere mit Höhen, Tiefen – und immer noch der Lust aufs Neue.
Der Begriff Authentizität fällt oft, wenn es um das Thema Erfolg in der Gastronomie geht. Echt müsse ein Konzept sein, heißt es. Doch was bedeutet das eigentlich? Einer, der seit nunmehr fast 25 Jahren die mitteleuropäische Gastronomie mit seinen Konzepten und seinem Stil prägt, muss es doch wissen. Also, Herr Stuart, was ist authentisch?
„Du kannst die Leute heute nicht mehr an der Nase herum führen. Alles kann binnen Sekunden auf dem Smartphone auf seine Echtheit überprüft und enttarnt werden. Was tust du, wenn du irgendwas angeblich Thailändisches machst und dann kommt jemand und sagt: Ich war letzte Woche in Bangkok, what the fuck is this? Die Geschichte, die du erzählst, muss von vorne bis hinten stimmen.“ Nur dann, so Stuart, lassen sich die Gäste auf eine Reise mitnehmen. „Das war uns bei allen unseren Projekten von Anfang an sehr wichtig.“
„Wie die Leute geguckt haben!“
Stichwort Reisen: Damit fängt alles an. In den Neunzigerjahren ist Stuart viel in Asien unterwegs, Surfen ist seine große Leidenschaft. Dabei lernte er die aromatischen Küchen des Kontinents kennen. „Ich hatte aber keine Absichten, mich als Gastronom selbstständig zu machen“, erinnert er sich. Stattdessen treibt er seine Karriere in der Hotellerie voran. Er ist klassisch ausgebildet und hat einen Bachelor-Abschluss im Bereich Hotelmanagement der „Plantijn Hogeschool“ in Antwerpen in der Tasche, arbeitet für „InterContinental“ und „Hilton“.
Unter anderem im London, wo ihm Gastro-Konzepte begegnen, die Asien neu denken: frisch, intensiv, modern – und eben authentisch. „Es war großartig, die Stadt wandelte sich damals vom Mittelmaß zur Spitze“, erinnert Stuart sich. Gemeinsam mit seiner damaligen Freundin, heutigen Frau und Business-Partnerin Danyelle von Thoor setzt er dann doch zum Sprung ins Unternehmertum an. Das Wok-Restaurant De Wok und ‚t Tafeldier bringt 1997 frische Wok-Küche und Frontcooking nach asiatischer Streetfood-Manier nach Antwerpen. Was heute überall ist, war damals nirgends: „Wie die Leute geguckt haben! Einen direkten Kontakt mit den Köchen – den gab es bis dahin in Kontinentaleuropa nicht“, so Stuart.
Konzepte wie das Mongo’s (Start 1998 in Essen, heute neun Outlets) sollten das Prinzip schon bald auf ihre eigene Weise interpretieren, und viele, viele weitere Fast-Casual-Modelle mit Asia-Ausrichtung folgten. Stuart selbst brachte sein Wok-Konzept alsbald mit Wok A Way in die Multiplikation. Vom Reißbrett war dabei jedoch nichts, zumal es mit diesem Internet noch nicht so weit her war: „Wir konnten damals keine Menüs online recherchieren. Wir sind gereist, sind rumgelaufen, haben Speisekarten gemopst und haben uns wie Touristen vor den Küchen fotografiert. Mit uns selbst nur am Rande des Bildes, es ging ja mehr um die Küche dahinter“, berichtet er lachend.
Heute hingegen regiere die „Pinterest-Generation“: Das bildlastige soziale Netzwerk, so praktisch es auch sei, trage dazu bei, dass sich das Design überall immer mehr ähnelt. „Alle haben die gleichen Stühle. Schöne Stühle, aber immer die gleichen“, so Stuart. „Wir kaufen auch schon mal Standard-Stühle. Aber dann streichen wir sie eben um, wir polstern sie anders auf.“
„Es war ein kompletter Fuckup“
Von Anfang an begleitete ihn Kurt Hereygers mit seinem Designbüro Not Before Ten bei seinen Projekten, es ist bis heute ein fester Partner der Taste-Gruppe, ebenso die Kommunikationsagentur Monkeys at Midnight. „Ich habe das große Glück, sehr viele Talente um mich herum zu haben“, so Stuart. Gemeinsam stemmte man auch schwierigere Zeiten.
So im Jahr 2010: Das Wok-Konzept war, nach vielen guten Jahren, durch. Stuart: „Anfangs musstest du im De Wok und ‚t Tafeldier am Wochenende fünf Monate im Voraus für ein 15-Euro-Essen reservieren, jetzt waren alle Zahlen rot. Wir hatten keinen Cashflow mehr.“ Das Ursprungskonzept als Wok & Tandoor mehr in Richtung Indien und Fine Dining zu schieben, war teuer und scheiterte grandios. „Es war ein kompletter Fuckup“, bringt Stuart es auf den Punkt. Niemand habe verstanden, was das Restaurant aussagen solle.
So stand man vor der Entscheidung: Nochmal investieren und was Neues aufbauen – oder den Stecker ziehen. Mit rund 130.000 Euro, dem nominell gleichen, reell also deutlich geringeren Budget wie 1997, sämtlichem Geld vom eigenen Konto, baute Stuart ein komplett neues Restaurant in die 400-Quadratmeter-Fläche. „Alle haben angepackt, mein Bruder, mein Vater, meine Freunde. Teure Möbel waren nicht drin, also haben wir Second-Hand-Sachen genommen“, erinnert sich Stuart. Gebrauchte Möbel im Twenties-Stil: Auch die sind heute überall, doch 2010 war der Vintage-Trend noch Zukunft, entsprechend begeistert waren die Antwerpener vom Look des Josephine’s. „Wir haben den Leuten gesagt, das ist jetzt der neue Stil, das muss jetzt so sein“, lacht Stuart. Wie viel dabei auf dem Spiel stand, das haben wohl nur Wenige mitbekommen.
„Ich glaube an Unternehmer, die wissen, was sie wollen“
Dass sich gastronomische Konzepte irgendwann überleben können, wissen er und seine Mitstreiter nun umso besser. Konsequenter Weise schloss man das „Josephine’s“ denn auch auf seinem Höhepunkt, nachdem es mit zwei Outdoor-Pop-ups auf 6.000 Quadratmetern Fläche sogar in die temporäre Multiplikation gegangen war, nach fünf erfolgreichen Jahren. Um kurz darauf an Ort und Stelle mit dem Barkonzept The Dirty Rabbit erneut für Impulse zu sorgen. „Im September feiern wir wieder den fünften Geburtstag, und 2021 wird hier sicher wieder etwas passieren“, lässt Stuart durchblicken.
Mit dem BBQ-Konzept Black Smoke hat er 2016 in Antwerpen und 2019 in Rotterdam zwei weitere Betriebe eröffnet, und mit zwei Outlets seiner asiatischen Brasserie Chilli Club, die er 2001 in Antwerpen lancierte und 2005 sowie 2010 zusammen mit der „Gastro Consulting SKM“ um Christoph Strenger und Roland Koch vervielfältigte, sind Stuart und „Taste“ auch in Deutschland erfolgreich vertreten.
Zudem hat sich die externe Beratung für andere Gastronomiekonzepte, unter anderem für ÜberQuell von Patrick Rüther und Axel Ohm in Hamburg und Glorious Bastards in Österreich (Heiner Raschhofer, Josef Stranzinger), zu einem eigenen Standbein für die „Taste! Restaurantgroup“ entwickelt. Dabei sei man weniger Komplett-Konzepter als vielmehr Unterstützer in allen Fragen vom Design bis zum Management. Stuart: „Ich glaube an Unternehmer, die wissen, was sie wollen. Wir sagen denen nicht, was sie tun müssen. Wir helfen ihnen dabei, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Dafür muss eine persönliche Verbundenheit vorhanden sein.“
„Mehr Farben, mehr Extreme, mehr Mut!“
Was, so fügt er hinzu, nicht unbedingt eine Frage des Budgets sei, sondern der Persönlichkeit: „Wir mögen auch die kleinen Dinge“, so Stuart. Ein hohes Level brauche nicht unbedingt viel Geld. Habe eine Weinbar mit 30.000 Gesamtkapital ein gutes Team hat und sehe man die Kreativität, dann sei man dabei: „Wir passen uns dem Budget an, nicht umgekehrt.“
Zum Abschluss haben wir noch eine große Frage an Kasper Stuart: Welche Design-Trends sieht er auf uns zukommen? „Wie gesagt: Wir befinden uns zurzeit in einer Ära, in der sich vieles ähnelt, für Instagram gemacht. Doch die junge Gastro-Generation … ich klinge alt, aber egal … wird uns einen Stil bringen, der ihre Persönlichkeit wiederspiegelt: mehr Farben, mehr Extreme, mehr Mut. In your face! Nicht kitschig, sondern ausdrucksstark. Und weniger fürs große Publikum, mehr für ihre spezifische Zielgruppe.“
Dieser Beitrag erschien zuerst in fizzz 3/2020, ergo vor Corona. Die belgische Gastronomie öffnet nun, nach einem frühen und langen Lockdown, schrittweise seit Anfang Juni langsam wieder.