Kinfelts Hamburg: „Wir wollen, dass die Gäste sich eine zweite Flasche Wein bestellen“

von Jan-Peter Wulf
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Alle Fotos: Per Kasch für Kinfelts, Hamburg

Der Saarbrücker Gastronom Klaus Erfort hat in der Genusszeitschrift „Effilee“ mal einen schönen Satz gedroppt: Erfolg sei für ihn, wenn die Leute eine zweite Flasche Wein ordern.

Ganz ähnlich sehen es Kirill Kinfelt und sein Restaurantleiter und Sommelier Maximilian Wilm (zuvor „Seven Seas“, Hamburg): Mit einem Fixaufschlag statt Faktor X halten sie die Weinpreise im neuen Kinfelts Kitchen & Wine, das Kirill und Jana Kinfelt parallel zu ihrem Ein-Stern-Restaurant Trüffelschwein betreiben, moderat und forcieren die Drehung. Und für die Besucher der Elbphilharmonie direkt vor der Tür haben sie eine ganz besondere Menü-Idee. Wir waren vor Ort zu Besuch und haben mit Kirill Kinfelt und Maximilian Wilm gesprochen. 

Wir befinden uns hier am Kaiserkai direkt vor der Elbphilharmonie. Beste Lage. Wie habt ihr diese Fläche überhaupt ergattert?

Kirill Kinfelt: Über Bekanntschaften. Die Fläche wurde gar nicht ausgeschrieben, da würden wohl Hunderte Bewerbungen reinkommen. Da hatten wir wirklich Glück und mussten uns nur gegen wenige ausgewählte Bewerber durchsetzen.

… und wie konntet ihr überzeugen?

Maximilian Wilm: Mit einem guten Businessplan.

Kinfelt: Wir setzen auf einen guten, aber preiswerten Lunch am Mittag und abends auf eine hohe Frequenz zahlungskräftiger Gäste, die in die Elbphilharmonie gehen und Champagner oder Wein trinken wollen. Küchenannahmeschluss ist erst um 23 Uhr, bis dahin kann man voll bestellen.

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Kirill Kinfelt

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Maximilian Wilm

Was gibt es zu essen?

Kinfelt: Abends geschmorte Rinderschulter im Hauptgang, Seeteufel mit Blutwurst auf Linsen-Cassoulet. Die Karte ist extra klein gestaltet, damit wir frisch arbeiten können. Alles ist selbstgemacht, wir kaufen keine Fertigprodukte dazu. Unser Gemüse beziehen wir, wenn möglich, aus dem Alten Land. Auch wenn wir uns nicht einschränken wollen: Grünen Spargel werden wir im Januar nicht auf der Karte haben.

Wie oft wechselt die Karte?

Kinfelt: Wir stellen jetzt gerade ein paar Sachen um, werden aber nie die ganze Karte auf einmal tauschen. Eine Erfahrung aus dem Trüffelschwein. Wir wollen nachfrageorientiert arbeiten und auf die Gäste hören.

Und der Lunch?

Wilm: Den gibt es Dienstag bis Freitag von 12 bis 14 Uhr. Am Wochenende bieten wir die Abendkarte durchgehend an.

Kinfelt: Heute gibt es zum Beispiel eine Bulette mit Kartoffel und Karotte. Schlicht und bekannt (und richtig gut, Anm. d. Red.). Wir machen Backfisch mit selbstgemachtem Teig und selbstgemachter Remoulade – frische Bioeier, französische Mini-Cornichons, ein paar Kräuter, eine tolle Geschichte mit Wiedererkennungswert.

Wilm: Abends gibt es zusätzlich ein, zwei Tagesempfehlungen, gestern hatten wir Austern. Oder auch mal die Scholle.

Kinfelt: Und die Trüffelpasta ist in kürzester Zeit ein Klassiker geworden.

Also findet ein bisschen Trüffelschwein auch hier statt.

Kinfelt: Etwas Wiedererkennungswert soll es schon geben, das gilt auch für die Schmorgerichte. Die Inspiration und die Handschrift aus dem Sternerestaurant haben wir rübergebracht. Das sollen die Gäste sehen. Wir setzen den Anspruch von drüben hier in entspannter Atmosphäre um.

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Aus Frankreich kennt man die Bistronomie, oftmals ein zweites, lässigeres, aber qualitätsbedachtes Konzept von Sterneköchen. Habt ihr da ein ähnliches Verständnis?

Kinfelt: Könnte man so sagen. Das „Trüffelschwein“ ist aufwendig, personal- und zeitintensiv. Das „Kinfelts“ ist es sicher auch, aber in einer etwas abgespeckten Variante. Wir wollen hier ein höheres Drehmoment. Wie jeder weiß: In der Sternegastronomie Geld zu verdienen, ist extrem schwierig. Auch wenn der Laden gut gefüllt ist.

Das hört und liest man sehr oft. Wie würde sich das ändern?

Kinfelt: Wenn die Deutschen anfingen, Qualität zu schätzen, handwerkliche Arbeit anzuerkennen. Wir sind im Sternesegment das billigste Land zum Essengehen. In Frankreich legst du für das gleiche Menü wie im „Trüffelschwein“ das Doppelte hin. Also verdienen wir am Essen kein Geld. Da muss man den Wein so hoch kalkulieren, dass es funktioniert.

Hier wendet ihr aber ein anderes Prinzip an.

Kinfelt: Wir wollen, dass die Leute im „Kinfelts“ eine zweite Flasche bestellen. Wenn mich eine Flasche hier nur 30 Euro kostet, die anderswo bei 45 Euro liegt, dann mache ich das doch gerne.

Wilm: Wir haben da sehr human kalkuliert und arbeiten mit einem Fixaufschlag, nicht mit Faktor X.

Kinfelt: Man könnte es auch Korkgeld nennen.

Gestaffelt?

Wilm: Ja.

Kinfelt: Weswegen unsere teuerste Position bei 550 Euro liegt und eben nicht bei 1.800 Euro. Die kämen raus, würden wir mit Faktor 4,5 kalkulieren. Wir wollen, dass die Gäste glücklich sind, dass sie mehr Spaß – auf dem Teller und im Glas – haben und wiederkommen. Bei hohen Preisen liegen die Flaschen auch mal ein Jahr. Wir wollen, dass sie rotieren.

Wilm: Und haben auch jede Flasche schon mindestens einmal verkauft, bei über 200 Positionen.

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Was ist die Idee der Weinkarte?

Wilm: Eine Mischung aus Klassikern und Weinen unbekannter Regionen: Nicht Rioja, sondern Ribera Sacra. Weine aus der Gegend um Madrid, aus der Bodega Matías i Torres von der Insel La Palma. Bei Frankreich eher der Süden und das Rhônetal, nicht Bordeaux oder die Loire. Ein paar Südafrikaner, eine Leidenschaft von mir. Wir haben Klassiker wie Château Musar aus dem Libanon, aber auch einen Chardonnay von Pearl Morisette / Twenty Mile Bench aus Kanada. Und aus Deutschland zum Beispiel die Scheurebe „Herz+Hand“ von Nico Espenschied und Weine von Spiess, mit denen wir auch unseren Hauswein machen.

Und dann gibt es noch das „Dicke Ding“.

Wilm: Genau. Wir machen jeden Tag eine andere große Flasche auf. Magnum, Doppelmagnum, in der Weihnachtszeit werden es auch Fünf- und Sechsliterflaschen sein. Reifere Jahrgänge, große Gewächse, spannende Weine, glasweise – 0,15 Liter – ausgeschenkt. Sachen, die sonst nicht unbedingt auf der Karte stehen. Wobei wir aber sonst auch Großflaschen haben. Ich bin ein Freund der dicken Dinger (lacht).

Und das Wasser in der entleerten, bemalten Weinflasche hier auf dem Tisch?

Wilm: Ist Tafelwasser aus der Aufbereitungsanlage, 3,50 Euro Flatrate pro Person.

Wie ist es, zwei Restaurants zu bekochen und zu managen?

Kinfelt: Momentan in der Tat ziemlich anstrengend. Ich teile mich auf: Am Wochenende koche ich primär im „Trüffelschwein“, drei bis vier Tage in der Woche koche ich hier. Auf Dauer wird das schon eine Belastung. Aber eine, die ich mir gewünscht und ausgesucht habe. Ich freue mich darüber. Natürlich habe ich gute Stellvertreter in beiden Küchen, sonst ginge das nicht.

Wilm: Was hier definitiv anders ist und worauf wir uns einstellen mussten, sind die vielen Walk-Ins. Wir kommen alle aus der Sternegastronomie und sind das nicht gewöhnt. Hier liegt die Quote aktuell bei über 50 Prozent.

Durch die vielen Konzertbesucher?

Kinfelt: Ja, viele wollen davor oder danach noch was essen.

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Die Gäste, die vorher kommen, haben quasi einen Termin und somit ist das Zeitfenster schmal. Wie geht ihr damit um hinsichtlich Vorbereitung oder auch Kommunikation?

Wilm: Die Küche ist schon so aufgebaut, dass sie recht schnell zu schicken ist. Wir kommunizieren auch ganz offen. Viele sagen: Wir wollen noch in die Elphi. Wenn sie dann um 18:30 Uhr kommen und um 19:30 los wollen, dann sagen wir: Ein Viergangmenü kriegen wir nicht hin. Wohl aber die Trüffelpasta. Die steht in zehn Minuten am Tisch. Die geht auch noch, wenn jemand um sieben kommt.

Wie wäre es, das Viergangmenü aufzuteilen – zwei Gänge vor, zwei nach dem Elphi-Besuch?

Beide: Das ist unser Plan (lachen).

Kinfelt: Wenn das Küchenteam voll steht, kommt ein „Elphi-Menü“. Damit hat man die Möglichkeit, vorher zwei oder drei Gänge und danach nochmal zwei oder drei zu essen. Das bietet sich an dieser Stelle einfach an. Und hat Potential gerade auch für Gäste von außerhalb: Sie haben nach dem Besuch wieder einen Anlaufpunkt. Sie haben vorher einen Teil gegessen, kommen dann zurück, können entspannt weitermachen – und müssen nicht angestrengt noch nach etwas suchen. Das wird definitiv Teil unseres Konzepts.

Und wie läuft die Bezahlung?

Kinfelt: Man bezahlt das volle Menüprogramm, bevor man zur Elphi geht, und die bis dahin verzehrten Getränke.

Wilm: Und natürlich ist die Idee, ihnen beim Wiederkommen noch etwas zu trinken zu verkaufen, um zusätzlichen Umsatz zu generieren. Und sollte noch eine halbe Flasche Wein übrig sein, dann stelle ich die in den Kühlschrank und schenke sie später weiter aus.

Vielen Dank für das Gespräch!

Kinfelts Kitchen & Wine
Am Kaiserkai 56
20457 Hamburg
www.kinfelts.de

Betreiber: Kirill und Jana Kinfelt (Trüffels Gastro Betriebe GmbH)
Größe: 250 Quadratmeter
Kapazität: 70 Gäste
Restaurantdesign / Corporate Design: Katrin Oeding
weitere Restaurants: „Trüffelschwein“, Hamburg (1 Michelin-Stern)

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