In unserer neuen Ausgabe von „Konzept kompakt“ holen wir entgegen dem Rubriknamen etwas weiter aus: Das „Navi“ spannt einen Bogen über den indischen Subkontinent, ohne ihn zu überspannen – mit ausgewählten Gerichten und spannenden Cocktails.
„Am besten bucht man sich einen Flug nach London“, erhielt ich noch vor einigen Jahren von einem Kollegen als Antwort die Frage, wo man in Berlin gut indisch essen gehen könne. Zweifellos gibt es an der Themse hervorragende indische Restaurants. Aber: Die gibt es längst auch an der Spree. Mir fällt da der India Club ein, das Chutnify, Mr. Chai Wala, Bahadur, das kleine Tschüsch und noch so einige mehr. Und auch das 2021 eröffnete Saravanaa Bhavan am Potsdamer Platz kann was – es ist der Berliner Ableger der größten vegetarischen Indian-Food-Kette der Welt. Die dortigen Franchisepartner Ritesh Taurani und seine Frau Heena Manglani haben nun im Ex-„Datscha“ im Kreuzberger Graefekiez ein neues indisches Restaurant eröffnet, das Navi. Dritter im Bunde ist hier Gurbir Gill als Geschäftsführer und Gastgeber.
Ein schönes Restaurant
Fangen wir mit dem Interieur an. Viele indische Restaurants sind volldekoriert bis zum Kitsch, was einem Besuch mit jüngeren Kindern übrigens sehr zuträglich ist, weil es so viel zu entdecken gibt. Viel zu entdecken, aber das sehr stilvoll und aufeinander abgestimmt, gibt es hier auch, schöne Sichtachsen und Kontraste aus Dunkelrot, Grüntönen und Goldfarben, ein schönes Mobiliar u.a. mit Wiener Geflecht und an den Wänden Streetart-Kunst, die – mitunter skurrile – Brücken zwischen indischen Metropolen und der deutschen Hauptstadt bauen. Auch die Tableware beeindruckt: Das handgefertigte Porzellan wurde eigens aus einer indischen Manufaktur importiert.
So wird den Hauptdarstellern eine Bühne gebaut: den Speisen. Das Navi hat es sich zur Aufgabe gemacht, die enorme Vielfalt des Subkontinents abzubilden, der quasi-alpine Regionen wie Kashmir ebenso kennt wie tropische. „Wir wollen zeigen, dass indisches Essen mehr als Butter Chicken oder Basmati ist. Das, was die meisten Menschen hier als indisches Essen kennen, kommt aus nur einem Staat, nämlich Punjab. Das Essen ändert sich aber alle paar hundert Kilometer, wie die Sprache und das Wetter. Wir wollen von jedem Ort etwas zeigen, ohne die Karte zu groß zu gestalten“, so Heena Manglani, die parallel zu ihrer Tätigkeit als Gastronomin auch als Software-Ingenieurin arbeitet und in Südafrika aufgewachsen ist.
Gut gegliederte Karte
Diesem Anspruch folgend übersichtlich – wenn man gängige indische Restaurants als Maßstab nimmt – ist die Karte, wenngleich nicht minimalistisch. Dafür gut gegliedert: Die „Teaser plates“, quasi Barsnacks, die man entweder vorab oder zum Drink (dazu gleich mehr) isst, etwa Tandoori-Chili, Chips aus Tapiokawurzeln und Masala-Erdnüsse. Dann „small plates“, die man bewusst nicht Starters genannt hat, weil auch sie zum Teilen gedacht sind. Sharing ist Teil der indischen Kultur und es hilft, so Manglani, inländische Sprachbarrieren zu überwinden. Unbedingt ordern sollte man hier die „Bhorta Tortas“ mit drei Dips aus Aubergine, Tomate und roten Linsen, serviert mit hausgemachten Gemüse-Crackern, die aus Verbleibendem und Abschnitten der Küche gemacht werden – ein nachhaltiges Extra. Ansonsten lässt man sich am besten gut beraten oder von der Intuition verführen. Spaß an Würze und Schärfe sollte man dabei mitbringen, für Kinder empfehlen sich vor allem die weniger pikanten kleinen Gerichte. Überdies wechselt die Karte im Winter und Sommer, es ist also für Abwechslung gesorgt.
Vermittlung des Küchenchefs durch Chefsgate
Für die Küchenkreationen verantwortlich ist Shannon Lawrence aus Bombay, der u.a. in Australien und in den USA gekocht hat, bevor er in seiner Heimatstadt im Senior Sous Chef in der renommierten „The Bombay Canteen“ und schließlich Küchenchef im neuen „Cirqa“ wurde. Nach Deutschland kam er durch die Vermittlung von Chefsgate, einem jungen Unternehmen, das gut ausgebildete Köche aus Indien ins deutsche und österreichische Gastgewerbe bringt. Mitgegründet übrigens von der früheren nomyblog-Autorin Sophie Radtke.
In vielen indischen Restaurants gibt es Cocktails, in den allermeisten sind sie so bunt und süß wie das Interieur. Hier hingegen haben sie ein cooles Konzept. Es gibt acht Drinks, die jeweils eine flüssige Hommage an eine von acht indischen Metropolen/Regionen und der Spirituose sind, die dort gerne getrunken wird. In Delhi sind es gleich zwei – Whisky und Rum, die werden mit hausgemachtem Ingwerlikör, einem Sirup aus Chai und Muskatnuss serviert. Besonders funky ist der Gulmarg, der das Skigebiet in Kaschmir repräsentiert, mit Cognac, Calvados und gewürztem Apfel-Cordial. Kochi im tropischen Kerala wiederum wird mit dunklem Rum, Tequila und Ananas-Shrub inszeniert. Nichtalkoholische Drinks gibt es natürlich auch, und es gibt im „Navi“ zwar keinen Mangolassi, dafür aber einen mit Pistazien. Und der ist ebenso lecker und sättigend ist das ungewöhnlichste der drei Desserts: Linsen-Kokosnuss-Pudding mit karamellisierten Bananen und Papadam.
Fazit: Zweifellos ist das Navi ein Restaurant, das den Berlinern viele neue Facetten und Spielarten der indischen Küche präsentiert. Es ist aber auch ein zugängliches Stadtteilrestaurant, das sich im Graefekiez, der von touristischer Frequenz ebenso wie von Nachbarschaftspublikum geprägt ist, hoffentlich etablieren wird.