Sperrstunde ab 23 Uhr in Berlin: Was bedeutet das für eine Cocktailbar? Wir sprachen mit Nina Zilvar von der Küche Bar.
Unser Treffen in der schönen Küche Bar findet nachmittags statt, wenige Stunden bevor der regierende Bürgermeister Berlins Michael Müller verkünden wird, dass eine Sperrstunde eingeführt wird und alle gastronomischen Betriebe um 23 schließen müssen. Es ist die erste Sperrstunde seit 71 Jahren. Betreiberin Nina Zilvar ahnt zu diesem Zeitpunkt schon, was die Pressekonferenz am Abend bringen wird. Ihr junger, wuseliger Hund Baloo tut sein Bestes, um für allgemeine Aufmunterung zu sorgen.
Tja. Wie geht’s? „Den Umständen entsprechend“, erklärt die Bartenderin, die sich Ende 2017 mit der Bar, die aussieht wie eine Landhaus-Küche, selbständig gemacht hat. Die Situation habe sich gerade etwas beruhigt. „Ich hatte nie Probleme mit Gästen“, berichtet Nina. Maske tragen, Abstand halten, Zettel ausfüllen, desinfizieren, am Platz sitzen bleiben – all das lief ziemlich gut. „Die Solidarität der Gäste ist da. Sie geben mehr Trinkgeld, bringen neue Leute mit, das ist wirklich schön.“ Größere Reservierungen, Touristen, sogar Anfragen für Feiern in der Vorweihnachtszeit seien reingekommen – Letztere musste man logischerweise aber bis auf Weiteres vertrösten und erst schauen, wie die Lage sich entwickelt.
Nun sieht es so aus, als würde sich alles wieder etwas eintrüben. Wenn die „Küche Bar“ nun um 23 Uhr schließen muss, dann bekommt sie eine wichtige Kundengruppe nicht – nämlich diejenigen, die nach dem Restaurantbesuch in ihre Bar wechseln, um ein zwei Absacker zu trinken. Dafür bleibt so einfach zu wenig Zeit, dann nehmen die Gäste diesen Drink entweder im Restaurant oder gehen schlicht heim. Bestenfalls, um das Licht auszuknipsen, schlimmstenfalls, um zu Hause ohne Abstand zu feiern. „Die Ansteckung in der Gastronomie ist nachweislich nicht so hoch wie im privaten Bereich“, erklärt sie. „Die Gastronomie wird verteufelt und die Leute werden ins private Feiern verschoben. Dort gibt es aber kein Hygienekonzept. Wir achten hier auf alles, privat sitzen die Leute zu zehnt in der kleinen Küche – und bums.“
Wenn die Öffnungszeit schmaler wird, lässt sich das Geschäft runterskalieren, geht das? „Das ging im Shutdown: Da habe ich den Strom runtergefahren, das Kassensystem abgemeldet, hatte keine Lieferungen und das Team war in Kurzarbeit. Aber das muss ich jetzt alles hochhalten“, erklärt Nina. Was sie sich überlegt hat beziehungsweise schon in die Tat umgesetzt, sind Events mit beschränkter Personenanzahl, geschlossene Gesellschaften. „Skoden“ nennt sich das Pop-up-Restaurant-Format, das nun alle vierzehn Tage sonntags in der „Küche Bar“ stattfindet.
Co-Gastgeber ist der US-Amerikaner Zachary Johnston. Er serviert den Gästen nordamerikanische Küche jenseits des Bekannten wie kanadischen Wildlachs, Hirsch oder Bison mit Wildreis, Bohnen, Mais, Kürbis und Co., als Dreigang-Menü. „So etwas lässt sich gut durchplanen: 20 Personen, deren Adressen wir haben, ein Event, das früh beginnt und um 23 Uhr sind die Leute raus.“
Vielleicht werde sie solche geschlossenen Events nun häufiger machen, eventuell gar mehrmals pro Woche, so Zilvar. Dadurch, dass die Location aus mehreren Räumen besteht, wäre auch eine Kombination aus Gruppen-Reservierungen und Walkins möglich. Sogar über Coworking tagsüber habe sie schon mal nachgedacht – warum nicht Freelancern ermöglichen, ihren Laptop hier an den Vintage-Tischen aufzuklappen und statt eines kräftigen Drinks einen starken Kaffee zu trinken wie wir gerade zum Gespräch? „Ich möchte schon in meinem Kompetenzbereich bleiben. Ich möchte ja eine Bar machen. Das war ja die Idee“, sagt Nina und lacht.
Reinhängen will sie sich auf jeden Fall: Über die Weihnachtstage erlaubt sie sich sonst immer etwas Familienurlaub, dieses Mal werde sie so viele Öffnungstage mitnehmen wie möglich. „Zur Not stelle ich mich wieder alleine hinter den Tresen und schaue einfach, was kommt.“
Nachtrag: Wir haben nach dem ersten Sperrstunden-Wochenende noch einmal mit Nina gesprochen. Probleme beim Hinausbitten der Gäste um 24 Uhr (Freitag) bzw. 23 Uhr (Samstag) gab es nicht. „Die Gäste haben eigentlich alle Verständnis für unsere Situation … keiner meckert“, berichtet die Barchefin. Aber: Es bestellt eben auch keiner mehr, wenn Schicht im Schacht ist. Besonders den Bars fehlen die Umsätze in der Zeit vor und nach Mitternacht – der Spitzenzeit. Ohne Betriebstypen gegeneinander ausspielen zu wollen: Restaurants können mit einem Betriebsschluss um 23 Uhr vielleicht noch einigermaßen arbeiten. Für Bars ist es ein großes Problem. Wenn nun wie in Berlin ein Mietzuschuss im Gespräch ist, dann wäre es wünschenswert, wenn zuerst die entsprechenden Betriebe damit bedacht würden.