Sellerie statt Kalbsbries: Sebastian Frank aus dem Horváth Berlin über sein Buch kuk [cook]

von Jan-Peter Wulf
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Sebastian Frank. Foto: Selina Schrader

„Man darf nicht vergessen, ich bin hier ja auch noch eine vollwertige Arbeitskraft“, sagt Sebastian Frank und lacht.

Und was für eine Arbeitskraft: Er ist Inhaber und Küchenchef, sprich Patron des Restaurants Horváth in Berlin, mit zwei Michelin-Sternen dekoriert, 2018 wurde er bei der „Madrid Fusión“ zum besten Koch Europas gekürt. In seinem Restaurant sitzen wir heute.

Der Anlass: Sebastian Frank hat, neben seinem Hauptberuf, ein Buch geschrieben, es ist sein erstes. „kuk [cook]“ heißt es. Dass es überhaupt Realität und fertig geworden ist und nun vor uns liegt, habe er seinem Team zu verdanken, welches dem Chef den Rücken frei hielt, wenn dieser am Laptop saß und im Zwei-Finger-Suchsystem die Texte erstellte.

Was er allerdings auch oft um die Vierzehn-Stunden-Küchenschichten in seinem Kreuzberger Restaurant drumherum getan habe, berichtet er, besonders in den letzten Produktionswochen. Da sei er morgens um drei ins Bett und schon früh um acht wieder raus, um weiter zu schreiben. „Ich habe festgestellt: Hinten raus, wo ich wie ein Zombie geschrieben habe, ist es wesentlich besser gelaufen.“ Deadline als Kreativdruck? Kennen wir Medienmenschen. Und seinen „extremen Drang, alles auf die letzte Minute zu machen“, den kennen wir auch. Nicht allerdings, das Ganze noch neben einer fordernden Küchen- und Gastronomentätigkeit zu tun. Hut ab. 

Ein Teller, keine Porzellanshow

Kommen wir zum Buch: Ein schweres Exemplar ist es, großformatig, innen aber angenehm luftig gestaltet. Beim Durchblättern fällt gleich eines auf: der Minimalismus. Helle Hintergründe, reinweiße Teller. Wer genauer hinschaut, der sieht: Es ist immer der gleiche Teller. Mehr noch: Es ist sogar immer der selbe Teller. Mit exakt einem Stück Porzellan, das entsprechend gut behandelt wurde, haben Frank und der Fotograf René Riis die gesamte Produktion bestritten. „Es war nur der eine Teller da“, erklärt Frank, „der war nett, den hat man benutzt.“ Er habe aber auch der „Porzellanshow“ anderer Bücher – und anderer Restaurants – etwas entgegen setzen wollen. Auch aufs „Künsteln am Teller“ hat das Duo verzichtet: Alle Fotos, die im Buch gelandet sind, seien beim ersten Anrichten geschossen worden, so Frank: „So, wie die Sauce gelaufen ist, ist sie gelaufen.“ 

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Klassiker: Sellerie, reif und jung. Fotos im Buch: René Riis

Das kann man sinnbildlich für seine Küche sehen, durchzieht sie bei aller Virtuosität doch eine schöne Klarheit, Bodenständigkeit und, ja, Heimat. In Niederösterreich ist Sebastian Frank aufgewachsen, nach Ungarn ist es von dort nicht weit und auch nicht bis nach Wien. So hat er die Wiener Klassik genauso verinnerlicht wie die pannonische Küche mit Paprika, Knoblauch und Kürbiskraut, berichtet er.

Geclustert“ sind seine Rezepte nach tierischem Fett, Magics (selbst hergestellte Zutaten oder Würzmittel), Zwiebeln und Knoblauch, Wurzelgemüse, Öle, Pilze, Korn & Co, Vergorenem/Fermentiertem/Asche sowie Fleisch und Blut. Und dann ist da noch, natürlich, Sellerie. Der Klassiker des Hauses, den man in einer Darreichungsform ein Jahr im Salzteig lagert – was imposant aussieht, siehe Buchcover – und dann über eine frische Sellerie-Rolle abhobelt wie einen Trüffel.

„Man meint alles darüber zu wissen und stellt dann fest, dass die große Küche bisher und anscheinend eine Menge von Dingen unterschlagen hat“, schreibt Kritiker-Ikone Jürgen Dollase im Vorwort des Buches, das voll des Lobes ist. Was sich aus der Knolle alles heraus holen lässt, wie sie gereift, verkohlt, in Fett gezogen, entsaftet und vergoren wird, schildert Frank gleich zu Beginn seines Buches. Und zwar so, dass sowohl der Fachmann als auch der Laie, bzw. sowohl der Hobby- als auch der Profikoch Lust bekommen, sich mit dem verkannten Gemüse zu beschäftigen. „Wenn ein ambitionierter Koch sich das Buch kauft und danach sagt: Okay, vielleicht kaufe ich nächste Woche kein Kalbsbries, sondern ein Kilo Sellerie mehr und überlege, was ich damit machen kann, dann ist das genau der Effekt, den ich mir erhoffe“, so Frank.

Die Getränkeküche Franks fehlt nicht

Als Gründungsmitglied von Die Gemeinschaft setzt er sich für eine Agrarwende und die Förderung der handwerklichen, bäuerlichen Landwirtschaft ein, die bessere Lebensmittel und somit mehr Genuss hervorbringt. Man kann sein Buch auch als einen Beitrag zur immer größer werdenden neuen Gemüseküche verstehen, ohne dass es groß drauf stünde. Fleischspeisenzentriert ist es jedenfalls nicht.

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Die alkoholfreie Speisenbegleitung aus dem Horváth

Und zum Glück fehlt auch die mittlerweile schon fast legendäre alkoholfreie Getränkebegleitung, die Sebastian Frank als einer der ersten deutschen Köche maßgeblich mitentwickelt hat, in seinem Buch nicht. Wie Seitlingswasser mit geschäumtem Hühnerfond, Leindottermolke mit Kohl-Anis-Gewürz oder das Gemüsebier entstehen, verrät der Koch uns auch. 

kuk [cook] von Sebastian Frank ist im Matthaes Verlag erschienen, hat 240 Seiten und kostet 79,90 Euro. Leseprobe hier.

Eine ausführliche Buchrezension von Koch zu Koch gibt es bei der Berliner Speisemeisterei

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