Viele feste gastronomische Konzepte wachsen aus dem Streetfood heraus. Menschen, denen es Spaß macht, Essen zu kochen und andere Menschen damit zu „füttern“, wollen dieses irgendwann vom Marktstand oder Foodtruck in einem „brick and mortar“-Objekt auf eine größere Ebene stellen.
Das ideale Testvehikel dafür bot der Kölner „Laden Ein“: Hier mieteten sich solche Gründer*innen jeweils für zwei Wochen ein und testeten: Wie gut funktioniert mein Konzept, funktioniere ich als Gastronom*in? Jetzt heißt es aber, leider: Laden aus, denn das Metakonzept schließt seine Türen. Nach exakt 100 Gastgeber*innen binnen vier Jahren ist die Geschichte von „Laden Ein“ erzählt – und langfristig brauche ein Konzept wie dieses, das bestes Praxiswissen bietet, aber wenig Profit abwirft, eine öffentliche Förderung.
Erklärt uns Geschäftsführer Till Riekenbrauk, der neben diesem innovativen Vermietungskonzept auch schon seit vielen Jahren Streetfood-Events macht und mit dem Brauhaus Johann Schäfer auch eine eigene „richtige“ Gastronomie betreibt. Wir blicken gemeinsam mit ihm auf „Laden Ein“ zurück.
Till, wie ist die Idee des „Laden Ein“ entstanden? Ich nehme an, im Rahmen der Streetfood-Events, die du veranstaltet hast?
Genau. Als wir 2014 unser erstes Street Food Festival veranstaltet haben, haben wir unabsichtlich überhaupt die erste Möglichkeit für viele Leute geschaffen, sich mit ihren Ideen auszuprobieren. Den vielen Gründern, die wir auf unseren Festivals begleitet haben, wollten wir eine weitere Plattform bieten. Außerdem sollten sie die Möglichkeit bekommen, unter echten Bedingungen Gastronomie kennen zu lernen.
100 Konzepte haben bei euch den Realitätscheck gemacht. Was waren im Rückblick deine persönlichen Highlights und warum?
Am intensivsten war natürlich das komplette erste Jahr. Das lag einfach daran, dass wir ja das Konzept des ständigen Wechsels auch erst einmal entwickeln mussten. Aber aus diesem Grund sind vermutlich die Gastgeber dieser Zeit bei mir am prägnantesten hängen geblieben. Die Konzepte und Menschen um Los Carnales, Strassenküche, Big Hug Barbecue, Mashery Hummus Kitchen und viele andere haben bei mir einen super guten und vor allem leckeren Eindruck hinterlassen.
Du hast ja sicher verfolgt, wie es für die Food-Entrepreneure dann weiterging. Hast du dir später auch mal Restaurants angeschaut, die aus dem Testlauf erwachsen sind?
Aber selbstverständlich. Ich vermute, ich war in fast allen Restaurants, die sich nach der Zeit im „Laden Ein“ gegründet haben. Und ich wage auch zu behaupten, dass die Leute nach ihrer Zeit hier mindestens ein Stück besser auf ihre eigene Gründung und Eröffnung vorbereitet gewesen sind.
Das Prinzip „vom Foodstand bzw. Popup zum festen Restaurant“ entwickelt sich ja immer weiter. Trotz aller Unterschiede: Gibt es aus deiner Sicht Erfolgskriterien oder Standards, die dazu beitragen, dass ein Konzept sich fest etablieren kann?
Tatsächlich haben wir schon sehr gut am Ende vorhersagen können, was gut funktioniert und was nicht so gut ankommt. Das sind ganz unterschiedliche Dinge. Aber am Ende spielt meiner Meinung nach der Faktor X oder der Zufall auch immer eine Rolle. Man kann diesen Faktor durch sein Handeln zwar kleiner halten. Aber weg bekommt man ihn leider nie.
Wenn so viele Gründer*innen sich einmieten, passieren ja sicher auch mal unvorhergesehene Dinge. Was war das Kurioseste, an das du dich erinnern kannst?
Da gab es einiges. Das ging über Kleinigkeiten wie vergessene Küchenmesser oder ganze Küchengeräte, die fehlten. Bis hin zu nächtlichen Stippvisiten im Restaurant, weil der Gastgeber zu betrunken war, um den Laden vernünftig zu zu machen.
Du hast mir mal von einem Mieter berichtet, für den nach schon wenigen Tagen feststand: Nein, Gastronomie ist doch nichts für mich. Hat „Laden Ein“ also auch geholfen, dass sich Gründer*innen unglücklich machen oder gar ins Scheitern schlittern?
Ja! Das ist tatsächlich eine meiner Lieblingsgeschichten. Der Gastgeber kam beim Einzug mit dem absoluten Willen, sein eigenes Restaurant zu eröffnen, in den „Laden Ein“. Und nach dem Auszug 14 Tage später sagte er mir: Das ist doch irgendwie nichts für mich. Das fand ich mindestens genau so gut wie die Gründungen. Da hat das Konzept gezeigt, dass es auch jemanden davor schützt, eine falsche Entscheidung zu treffen.
Auch das Metakonzept „Laden Ein“ hat Nachahmer gefunden, zum Beispiel in Hamburg und in Frankfurt. Hast du dir diese Konzepte mal angeschaut?
Ich habe Lutz (Bornhöft, Anm. d. Red.) in Hamburg sogar bei der Ausarbeitung seiner Herangehensweise mit unserem Know-how unterstützt. Aber zu seiner Zeit habe ich es leider nie zu ihm in den Cook Up geschafft. Aber das war wirklich gut. Frankfurt war zu schnell wieder verschwunden.
Und was ist dein Eindruck generell, ist noch Potential für dieses Konzept auf dem Markt vorhanden?
Ich halte das Konzept nach wie vor als total wichtig für Gründer und bin der Meinung, dass das Konzept gefördert, zum Beispiel durch die IHK, in Deutschland weiter existieren sollte. Es bereitet auf eine viel intensivere Art und Weise auf die Gastronomie vor, als jedes Seminar oder ähnliches es jemals kann. Aber es müsste eben gefördert werden. Weil man teilt sich ja mit dem Gastgeber als „Laden Ein“-Besitzer das Bisschen, was in der Gastro eben so hängen bleibt. Damit wird man weder selbst noch der Gastgeber ausreichend für seine intensive Arbeit entlohnt.
Wie geht es für dich unternehmerisch weiter? Sind neben dem Brauhaus Johann Schäfer weitere Projekte in der Planung bzw. Vorbereitung?
Aktuell habe ich mit meinen jeweiligen Geschäftspartnern ja einmal genug mit dem Brauhaus und auch mit den Festivals zu tun. Aber ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, satt zu sein. Wenn mich eine Chance oder eine Idee packt, bin ich mit Sicherheit wieder voll motiviert dabei. Und wer weiß, vielleicht ergibt sich ja auch noch mal etwas Ähnliches auf Basis des „Laden Ein“?