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Es gibt Pubs, in denen man sein Bier selbst zapfen darf, Restaurants, in denen die Gäste selber grillen und auch beim Thema Wein kommt das interaktive Element zum Einsatz: Zum Beispiel im Le Kork in Bochum. Wir waren zu Besuch.
Am Rande des Bochumer Bermuda3Ecks, der überregional bekannten Ausgehmeile der Stadt mit vielen Kneipen, Bars und Restaurants, befindet sich die „Rotunde“, ein Kulturzentrum auf dem Gelände des ehemaligen Hauptbahnhofs der Stadt. Sie wurde nach dessen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg als Provisorium errichtet und genutzt, bis der neue Bahnhof an seinem heutigen Standort öffnete (1957). Das Gebäude heißt auch „Alter Katholikentagsbahnhof“, weil es zum 73. Deutschen Katholikentag im Jahr 1949 zum ersten Mal als Ankunftsort genutzt wurde. Seit 1994 befindet sich das legendäre Riff in diesem Gebäude, Konzert- und Eventlocation, die alte Empfangshalle selbst wird unter dem Namen Rotunde ebenfalls für Veranstaltungen genutzt.
Links daneben, in der Restaurantfläche des Ensembles, gibt es seit 2020 ein neues gastronomisches Konzept, das wir kürzlich besucht haben, die Weinbar Le Kork, die sich selbstbewusst „erste Wein-Erlebnisgastronomie Deutschlands“ tituliert. Warum das? Weil es hier 84 offene Weine gibt, was allein erst einmal noch nichts Besonderes ist. Besonders hingegen schon die Art, wie der Gast Zugang zu diesen Weinen erhält: Nämlich im Selbstbedienungsverfahren. Die Weine stehen hübsch aufgereiht in Dispensern der Firma By The Glass. In den gekühlten und mit Stickstoff gefüllten Glasschränken bleiben die Weine locker 20 Tage frisch; ein Schlauch holt sich das kostbare Gut aus ihnen heraus. Und das immer dann, wenn ein Gast seine Karte in den Schlitz des jeweiligen Dispensers steckt und am entsprechenden Wein ein Knöpfchen drückt. Die Karten sowie die Möglichkeit, Guthaben aufzuladen, gibt es am Eingang. Je Position haben die Gäste drei Wahlmöglichkeiten: Einen Probierschluck à 25 ml, der ca. um einen Euro liegt, ein 0,1l-Glas oder eines mit 0,15l Füllmenge – der Preis richtet sich nach dem Flaschenpreis. Also: Glas nehmen und drunter stellen, Karte rein, Wein und Füllmenge auswählen und schon geht es los mit dem munteren Selbstzapfen.
Die Weine sind gruppiert nach Rebsorten und Arten, es gibt auch einen Dispenser mit „easy drinking“-Cuvées bis hin zu Rotweinen aus der Neuen Welt. Infokärtchen über den Weinen informieren die Gäste über Rebsorten, Herkunft Geschmacksbild und Co. Per QR-Code kann man sich auch gleich eine Flasche nach Hause bestellen, wenn es besonders gut geschmeckt hat. Im Webshop von „Le Kork“ gibt es neben den Präsenzpostionen aus der Weinbar noch eine ganze Menge weiterer Weine. „Online first“ startete man auch mitten im zweiten Lockdown, damals nahmen wir an einem Tasting mit der Winzerin Katharina Wechsler teil, deren Weine sich natürlich auch im Sortiment befinden.
Auf die Idee, ein Weinkonzept dieser Art zu machen, kam Betreiberin Stéfanie Goth auf Reisen: Beim Besuch des Easy Wine in Riga, wo es die Dispenser ebenfalls gibt, dachte sie sich: Das müsste es in Deutschland auch geben. Eigentlich wollte die studierte Biologin promovieren, entschloss dann aber kurzerhand, zusammen mit Ludmilla Fichtner den Sprung in die Selbstständigkeit als Gastronomin und Weinhändlerin zu wagen. Ausschlaggebend dafür war ein echter Zufall: Ludmilla war bei einem Besuch einer Weinbar mit Dispenser in Toulouse nämlich ebenfalls von der Sache überzeugt worden – und als die beiden danach über ihre Entdeckungen sprachen, entstand die Idee, das Konzept in den Ruhrpott zu holen. „Wir haben das Thema dann Mounzer vorgestellt, in einer Art Pitch“, erklärt Stéfanie. Mounzer El-Chakif ist der Dritte im Bunde, Co-Betreiber der Agentur KK03 und Experte für Event- und Festivalpromotions sowie Cocktailcaterings. Gemeinsam reiste man nach London, schaute sich mehrere Outlets von Vagabond Wines an und entschied: Go.
Eigentlich hatte man eine andere Location im Visier, doch als sich dann in der „Rotunde“ eine Option auftat – der bisherige Gastronom wollte die Fläche abgeben – griff man zu. Und ist jetzt sehr happy hier. Am Wochenende komme im „Le Kork“ richtiges Eventflair auf, berichtet Stéfanie Goth. Und unter der Woche, wenn es etwas ruhiger, „restaurantiger“ ist, sehe man viele Gäste, die regelrechte Tastings durchführen, verschiedene Weine durchprobieren und die Infokärtchen nebeneinander legen, um zu vergleichen. „Es ist sehr kommunikativ bei uns. Die Gäste kommen miteinander ins Gespräch und geben sich gegenseitig Weinempfehlungen“, erklärt Stéfanie.
Zu essen gibt es natürlich auch so einiges: Diverse Tapas, Antipasti, eine Käseplatte, Charcuterie und Pinse mit Teiglingen von der Trattoria Momo in der Nähe des VFL-Bochum-Stadions, die hier vor Ort belegt und gefinisht werden. Fazit: Ein richtig schönes Weinkonzept, das vor allem mit seiner Niederschwelligkeit und Zugänglichkeit punktet. Einfach probieren, geniessen, erleben.
