Macionga Berlin: Gourmet- trifft auf Kneipenküche, Schampus auf Schultheiss

Mit Zutaten aus Brandenburg, aus Permakultur und vom eigenen Moosboden im Keller

von Jan-Peter Wulf
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Alle Fotos: Redaktion

„Aus einer Renovierung wurde am Ende eine Sanierung“, sagt André Macionga und lacht. Ein halbes Jahr lang hat er das ehemalige italienische Restaurant in der Xantener Straße umgebaut, Ende 2022 dann hat das „Macionga“ eröffnet.

„Ein eigenes Zuhause war dringend wieder notwendig“, erklärt er. Vorher war es das „Restaurant Tim Raue“. Als Sommelier war er eine für die Gastronomie geradezu ewige Zeit, fast 16 Jahre, für Tim Raue und Marie-Anne Wild tätig, ab seinen frühen Zwanzigern. Vor sechs Jahren gründete er sein eigenes kleines Weinbusiness, André Macionga Cuvée, für das er mit Winzer*innen besondere Weine kreiert – und die natürlich auch hier, in seinem ersten eigenen Restaurant, eingeschenkt werden.

Beim ersten Rundblick durchs Restaurant denkt man: klassisch, gehoben, in einem Stil, wie man es hier im Berliner Westen erwartet, wie es hierhin einfach gut passt. Dezentes Licht, weiße Tischdecken, viele Weinflaschen, an der Wand hängt zurzeit Kunst von Ernst Handl aus Kreuzberg – man will alle paar Monate neue Künstler*innen präsentieren. „Wir sind ein Galerie-Restaurant“, so Macionga.

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Gastgeber André Macionga

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Küchenchef Sebastian Leyer

Aber auch: eine Kneipe, wenngleich man es nicht sofort sieht. Am Tresen, an den Plätzen am Fenster und bald auch vor dem Restaurant serviert man nämlich unkomplizierte Kneipen-Klassiker: Wurstplatte, Bockwurst mit Stulle und Senf, Eierstich. Gut, es gibt auch Kaviar, Austern und Muscheln – Edelkneipe – aber eben auch das gute alte (und ziemlich verkannte) Schultheiss vom Fass in der klassischen Tulpe. „Die Leute sollen einfach reinkommen, ohne Reservierung, sollen was Leckeres essen, dazu Bier, Wein oder einen Drink – wie sie mögen. So was gibt es mir persönlich viel zu wenig in der Stadt“, erklärt Macionga.

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Gruß aus der Küche

Bevor wir uns im hinteren, erhöhten Bereich niederlassen, noch ein Blick auf die Bar: Wer auf Cognac, Armagnac oder Sherry steht, ist hier bestens platziert. Macionga hat eine große Leidenschaft für die Traubenbrände und wird und später auch einen Sherry zum zweiten Gang servieren, was perfekt passt zum crispen Sauerteig-Brot mit Doppelrahmbutter und Douglasienöl passt.

Davor, zum Start, gibt es eine Spätburgunder-Weißherbst-Auslese. Eigentlich eher Begleitung zu einem Dessert, würde man denken, aber sie korrespondiert schön mit dem ersten Gang, Giorgia-Beete mit Kapern aus grünen Holunderbeeren und Molke.

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Chioggia-Beete mit Kapern aus grünen Holunderbeeren, Molke und Forellenkaviar

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Pilze vom eigenen Moosboden

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„Es ist, wie es ist“, vermählt aus Grundweinen von Horst Sauer

PXL 20230130 181733736 3 - wein, konzepte, gastronomie Macionga Berlin: Gourmet- trifft auf Kneipenküche, Schampus auf SchultheissFür die Kulinarik ist Sebastian Leyer zuständig: Früher im „Pauly Saal“ und im „Le Faubourg“ tätig, verließ er im ersten Coronawinter die Stadt, um im Norden Brandenburgs auf einem Dreiseithof eine Permakultur aufzubauen und (nicht nur) Berlin mit bestem Gemüse, Obst und Kräutern zu beliefern. Dem Thema wolle und werde er sich auch weiter widmen, erklärt er uns, er ist aber trotzdem wieder an den Herd zurückgekehrt und mit ihm gekommen sind alte Wegbegleiter aus den Häusern, in denen er zuvor tätig war. Man hört den ganzen Abend hindurch die gute Laune aus der Küche, da scheint sich ein gutes Team gefunden zu haben.

Im 180-Quadratmeter-Keller liegen nicht nur viele, viele Flaschen Wein, sondern befindet sich auch das Kreativlabor der Küche. Kreativ auch dieses Angebot: Wer den halbprivaten Diningbereich für bis zu sechs Personen bucht, sucht sich erst Weine nach Wunsch aus und dazu wird dann spontan etwas gekocht. „Wir haben für jede Wein-Grundstilistik etwas zu bieten“, so Macionga.

„Du bekommst Geschmäcker, die du als Großstadtkoch sonst oft gar nicht kennst“

Und die Kreativität zeigt sich auch im Menü, das wir wählen. Da kommt eine Suppe mit fein gehobelten Champignons und Miesmuscheln an den Tisch – die Pilze züchtet man im erwähnten Keller-Kreativlabor auf einem Moosboden. Zum Hühnerfleisch von Odefey & Töchter, unterm Salamander knackig gekrustet, gibt es eine Winterkarotte mit toller Süße, auch Sellerie, Ei und Jus, ein scheinbar simpler Gang, überzeugt durch die Kraft der Produkte.

Sebastian Leyer schwört auf Selbstgezüchtetes: „Du bekommst Geschmäcker, die du als Großstadtkoch sonst oft gar nicht kennst. Wenn das Gemüse wie die Eiskarotte direkt aus der Erde kommt, hast du ein ganz anderes Aroma als wenn es tagelang gelegen und unterwegs gewesen ist. Tomaten, ich habe fast 50 Sorten gezüchtet, wenn du die vom Strauch nimmst – das ist das Highlight.“ Neben der eigenen Ernte der letzten Saison, die jetzt großenteils im Glas ist, bezieht man u.a. über den Lieferdienst der Markthalle Neun und vom Good Food Syndicate. „Wir werden aber auch selbst rausfahren in den Wald, sammeln, probieren, mitbringen“, so Leyer.

Für ihn ist das, was Berliner Restaurants wie das „Michelberger“, das „Otto“, das Tisk und nun auch das Macionga machen, der Weg: „Die Gastronomie muss sich mehr für das Thema Permakultur öffnen. Du kannst naturnah alles anbauen. Es dauert länger, bei uns braucht der Kohlrabi acht bis zwölf Wochen statt vier, aber dafür hast du eine herausragende Qualität. Und du kannst einzigartige, auf dein Restaurant zugeschnittene Sachen anbauen.“ Und weil sich das Klima verändert, natürlich eine schlechte Entwicklung, aber eben Realität, wachsen jetzt auch in Brandenburg Chilis bis in den Spätherbst oder Himbeeren. „Und schmecken besser als importierte“, so Leyer. Echte local exotics. PXL 20230130 185529149 2 - wein, konzepte, gastronomie Macionga Berlin: Gourmet- trifft auf Kneipenküche, Schampus auf Schultheiss

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PXL 20230130 202945348 2 - wein, konzepte, gastronomie Macionga Berlin: Gourmet- trifft auf Kneipenküche, Schampus auf SchultheissEine Permakultur baut man übrigens auch fernab von Berlin und Brandenburg zurzeit auf – Weinreben rund um die „Bodega Macionga“ auf der Kanareninsel La Palma. Ein Restaurant und Ferienunterkünfte wird es dort bald auch geben. Und vielleicht ja sogar ein schlankes Schultheiss aus der Tulpe.

Restaurant Macionga

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