Heute esse ich in Kreuzberg zu Mittag. Ich bin zu Gast in der „Vabrique“, die befindet sich im Hof einer ehemaligen Armaturenfabrik und ist ein ausgewiesenes Mittags- oder Tagesrestaurant. Ok, Frühstück gibt es auch, aber eben kein Abendgeschäft. Ab Mai allerdings extern koordiniertes Eventgeschäft.
Mittagessen, das hat für mich oft etwas von abgespeist werden, eine charmlose Angelegenheit. 30 Minuten Zeit, wo bleiben die Tagliatelle, zackzack reingeschaufelt und zurück an die Arbeit. Um dann zu merken, dass Pasta ganz schön schwer im Magen liegen können.
In der Vabrique geht es aber echt entspannt zu. Zwar sind 80% der Gäste sozusagen Businesspublikum, weil sie mittagshungrig aus den umliegenden Gewerbeeinheiten kommen, aber diese sind Startups, Shops und Manufakturen. Da trägt kaum einer Anzug. Einige Gäste nehmen draußen in der wärmenden Sonne Platz, die langen Holzbänke sind v-förmig arrangiert, die hölzerne Lichtleiste an der Decke des Gastraums auch. V für Vabrique.
Meine Mittagsbegleitung ist heute zugleich einer der beiden Gastgeber dieses schönen Orts, Benjamin „Fetzo“ Müller, sein Geschäftspartner hier ist Moritz Uhlenbruch. Als DJ hat Fetzo früher u.a. die Sexy-Döner-Partys im Imbiss „Bagdad“ am Schlesischen Tor gemacht (ich war da, super wars, die Sauce ist beim Tanzen aus meinem Döner getropft) und andere Partys, heute betreibt er zum einen die Bar „Locke Müller“ am Spreewaldplatz und seit zwei Jahren dieses Restaurant.
„Wir haben das ganz langsam aufgebaut und erstmal unser Personal eingespielt. Am Anfang hatten wir Self Service, da standen die Leute in der Schlange“, sagt Fetzo. Das hat man dann abgestellt. Jetzt werden Gäste – sehr freundlich by the way – bedient, was ich ausdrücklich begrüße. Gerade mittags: Wenn man 30 Minuten hat, davon aber acht anstehen muss, dann seinen Teller zum Tisch bugsiert, dann ist das doch doof. Aufenthaltsqualität Fehlanzeige.
Und ein guter Gastgeber zu sein, ist Fetzo Müller wichtig. Diesen Satz habe ich schon oft geschrieben und dann wieder weggemacht, weil das will ja eigentlich jeder sein außer die Betreiber der Pizzeria Casolare vielleicht. Also wie bitte ist man gut?
„Durch krasse Casting-Selektion“, erklärt mir Fetzo. Neue machen eine Woche Probearbeit, bezahlt natürlich. Spielen sie im Team mit, kommen sie mit der Küche klar? Das Team hier macht einen richtig aufgeweckten Eindruck. Acht Mitarbeiter hat Fetzo hier, im Locke Müller sechs. Keine Springer von A nach B, Tages- und Nachtgastronomie laufen separat voneinander. „Wir sind gut ausgelastet, ich glaube wir kochen im gleichen Pensum wie ein Abendrestaurant, 60 bis 80 Gerichte.“
Und das auch in einer Qualität, die man von Abendbetrieben – idealer Weise – kennt. Ich esse gefüllte Champignons mit Erbsen-Kartoffelpüree, das Zucchini und Kräuterjoghurt, getoppt von süßen Tomaten. Frisch, leicht, lecker. Ich würde dieses optisch wie gustatorisch ansprechende Gericht glatt zum Probieren empfehlen, kann ich aber nicht, denn es wird in dieser Form wahrscheinlich gar nicht wieder auftauchen. Warum? „Die Leute kommen, weil wir so viel Abwechslung bieten“, erklärt mit der Gastgeber. Verstehe. Immer aber gibt es das Club Sandwich, das wird gerade an uns vorbeigetragen, eine vegane Speise, Suppen und zwei Salate (Ceasar und Mediterran). Gute Chancen bestehen auch, das Schnitzel oder den Burger wiederzusehen.
Fetzo Müller ist Gastronom, aber auch Getränke-Macher. Am Wochenende zuvor haben wir uns auf der Destille Berlin gesehen. Er vertreibt den Wermut „Belsazar“ und hat ihn dort vorgestellt. Demnächst macht er auch einen Vertriebsverbund handwerklicher Spirituosen für Restaurants, Bars und Feinkoster. „Niche Specialties“ wird neben dem Wermut z.B. auch den großartigen „Mondino“ im Sortiment führen, Wodka oder Gin wird es nicht geben. Zu hoher Absatzdruck, darauf hat Fetzo keine Lust. Schon mehr auf eine Berliner Saftrange, die hat er ebenfalls in der Pipeline, mit sortenreinen Säften in Glasflaschen für Hotellerie und Gastronomie. Regional: roter Apfelsaft ja, O-Saft nein.
Noch was? Klar: Zusammen mit Arnd Heissen vom The Curtain Club feilt er gerade an einem nichtalkoholischen Produkt. Ich wette, es wird ein Filler. Auch wird irgendwas mit Mezcal passieren, wenn die Lieferung aus Mexiko ankommt. Und last but not least wird Fetzo bald ein Craft-Bier-Objekt eröffnen, ein Mix aus Shop und Bar. Wo? Er schmunzelt. Ob man da wohl auch wird zu Mittag essen können? Eher nicht. Dann komme ich gern abends auf ein Bier vorbei.
Vabrique
Ritterstraße 12-14
10969 Berlin
Webseite
Dieser Text ist Teil der Reihe „Mittagessen“: Jan-Peter Wulf unterhält sich mittags in Restaurants mit deren Betreibern, mit anderen interessanten Menschen oder isst einfach alleine und in Ruhe sein Mittagessen. Letztes Mal im The Store Kitchen.