Es wird kalt und ungemütlich in der Hauptstadt. Da lässt es sich des Mittags gut mit einer Suppe aufwärmen. Wir steuern eine neue kleine Suppenbar „Bonafide Broth“ in der Weserstraße in Neukölln an. Doch hey: #dontcallitsoup!
Diesen zurechtweisenden Hashtag kann man auf Instagram lesen, wenn man sich dort zum Follower von „Bonafide Broth“ macht. Es gibt hier nämlich keine Suppe, sondern Brühe. Feiner Unterschied! Besser noch nutzt man mit „Broth“ das englischsprachige Wort. Und spricht das „o“ so kurz aus wie nur geht. Jene Brühe nämlich, welche die Oma immer aus Knochen selbst ausgekocht hat, der kleine nomyblogger stand neben dem beim Auskochen nicht immer fein riechenden Kochtopf auf den Zehenspitzen, sind jetzt der letzte Schrei in New York und London. Die aparten Foodbloggerinnen Melissa und Jasmine Hemsley aus Großbritannien verdienen sich gerade ein goldenes Näschen mit ihren Brühen-Rezepten, die sie in schmucken Kochbüchern und auf Events vorstellen. Im „The Store Kitchen“, wo ich mein erstes nomy-Mittagessen eingenommen habe, haben sie ihre „bone broth“ auch schon angerührt.
Zwischennutzung durch „Bonafide Broth“: Brühe statt Auslegware
Jetzt gibt es den ersten „bone broth“-Laden in Berlin, in der Weserstraße 6. Die Adresse kennen Neuköllner als „Eismanufaktur“, vor der sich in den wärmeren Tagen so lange Schlangen bilden, dass man als Radpassant aufpassen muss, nicht mit dem Gefrorenen und deren Schleckern zu kollidieren. Jetzt hat sich hier das „Bonafide Broth“ eingerichtet. Das ist als Zwischennutzungskonzept ja schon mal viel besser als die ewigen Teppich-, Billigschmuck- und Feuerwerksverkaufsläden, die sich sonst des Winters in Eisdielen zum günstigen Mietpreis breitmachen. Wenn die Eisdiele zurückkehrt, will man sich bei „Bonafide Broth“ vielleicht einen neuen Standort suchen, vor allem aber ins Liefergeschäft einsteigen – dass die Brühe stundenlang vorgeköchelt und dann gefroren wird, macht die Produktion und Lagerung sehr flexibel.
Aber langsam, man hat gerade mal zwei Tage geöffnet zum Besuchszeitpunkt. Die Einrichtung ist spartanisch, aufs Wesentliche fokussiert: Wo sonst das Eis platziert wird, stehen nun Schalen mit gewürzter Butter. Die Namen sind mindestens so fancy wie bei Ben & Jerry: „Peking Style Coconut Butter“, „Truffled Whipped Butter“ oder „Roasted Garlic Whipped Butter“ ist zu lesen, zudem „Bone Marrow w/ Parsley“. Das klingt zielgruppenaffiner als Knochenmark mit Petersilie. Nichtsdestoweniger eine witzige Sache: Da ist „go vegan“ gerade so schwer im Trend, da kommt das Knochenmark um die Ecke und sagt: „Paleo, Paleo: Gegentrend!“.
Mit Butter gemixt: satt, fit, wach
Angeblich soll den Hype ein New Yorker Imbiss-Café namens „Brodo“ losgetreten haben. Dessen Besitzer servierte schnell bis zu 400 Personen am Tag in Kaffeebechern, und als Statt-Kaffee-Energielieferant – aus dem Mark, in die Blutbahn sozusagen – verstehen sich diese Brühen auch. Zumal dann, wenn sie – wie auch im „Bonafide Broth“ mit jener Butter gepimpt werden, die in der Eis-Auslage liegen: Rinder-, Hühner- oder Pilzbrühe plus ein Butter-Topping, ab in den Mixer, ab in den Becher. Wer jetzt denkt: Warte mal, mit Butter gemixt, da war doch was – genau. Bullet Proof Coffee. Gleiches Prinzip: satt- und wachmachender Energielieferant. Den gibt es hier übrigens auch im „Bonafide Broth“, das von der Mitbesitzerin des „Geist im Glas“, Aishah Bennett, eröffnet worden ist.
Erinnerung an die Schulzeitbrühe? Not really.
Das Mittagessen nehme ich heute also aus dem Pappbecher ein, zusammen mit Sebastian, einem guten alten Studienfreund. Der sitzt schon draußen auf der Bank, als ich mit meiner Kreation – Chicken Broth und o.g. Knoblauchbutter – rauskomme. Er lächelt mich an, als ich zu sprechen anfangen will, und sagt: „Ich habe den gleichen Gedanken wie du.“ Brühe, die haben wir beide uns zu Schul- und (gemeinsamen) Studienzeiten gerne mal aus dem Automaten gezogen, wenn es mal wieder 1) saukalt war, 2) keine Zeit und 3) kein Geld für Besseres vorhanden war. Das mit 2) ist jetzt anders, 3) lassen wir mal so stehen, aber 1), das ist es schon wieder, ohne Frage.
Wir probieren und verfallen nicht in somatische Erinnerung. Diesen Geschmack von Automatenbrühe, jener zu warmem Meerwasser gewordenen Würfel, vergisst man nicht. Das hier ist um Längen besser: Cremig, weich, würzig. We lift our cups to bone broth.
Bonafide Broth
Weserstraße 6
12047 Berlin
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