Ganz ehrlich: Ich kann das Wort „Nachhaltigkeit“ schon nicht mehr hören! Nachhaltigkeit ist ein herrlich ungeschützter Begriff. Jeder kann ihn verwenden, wie und in welchem Zusammenhang er auch mag – und alles klingt gleich positiver und ökologischer.
Ein Begriff, der deshalb gerne inflationär genutzt wird und leider genau dadurch seine Sinnhaftigkeit einbüßt. Aber Nachhaltigkeit ist kein Trend, keine Modeerscheinung. Sie ist notwendig, um langfristig erfolgreich wirtschaften zu können und somit ein Muss!
Aber was ist Nachhaltigkeit denn nun wirklich? Es geht – vereinfacht ausgedrückt – um die schonende Nutzung von Ressourcen. Die Ressourcen, die in der Gastronomie vorwiegend zum Einsatz kommen, sind Lebensmittel und Mitarbeiter; sie stellen bei den Kosten zusammen meist einen Anteil von rund 60% an den Gesamtkosten. Wir sollten z.B. pflanzliche Ressourcen nur soweit nutzen, wie sie sich auf natürlichem Wege regenerieren können und uns damit auch künftig in guter Qualität zur Verfügung stehen. Und Mitarbeiter sollten genügend Zeit haben, sich zu erholen und mit Freude wieder an die Arbeit zu gehen (Stichwort: Work-Life-Balance). Diese Definition zeigt schon, dass es um deutlich mehr geht, als „nur“ um ökologisch erzeugte Lebensmittel (= bio). Sie geht weit über den Food-Bereich hinaus.
Wirtschaftlichkeit und Image
So gesehen hat Nachhaltigkeit zwei Dimensionen: eine wirtschaftliche und eine imageträchtige. Nachhaltigkeit bedeutet also nicht automatisch, dass die verarbeiteten Zutaten teurer sind als konventionelle. Es geht auch darum, weniger Lebensmittel wegzuwerfen, sich für Gerichte auf der Speisekarte zu entscheiden, die aufeinander aufbauen (z.B. Hühnersuppe und Hühnerfrikassee), sich auf wenige Lebensmittel zu beschränken, die aber in vielen Gerichten immer wieder zum Einsatz kommen. Wer in diesem Sinne nachhaltig mit seinen Lebensmitteln umgeht, wird sogar Kosten einsparen können.
Aber auch der Imagegewinn sollte in die Überlegungen einbezogen werden. Wer heute am Markt Erfolg haben möchte, muss etwas zu erzählen haben. Nur mit interessantem Storytelling seid ihr im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. Die Medien und eure Gäste sind daran interessiert, warum ihr welche Lieferanten ausgewählt habt, wie diese ihre Tiere halten bzw. Pflanzen anbauen. Ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang ist auch die Regionalität. Vermeidet lange Transportwege. Dazu gehört auch die Verarbeitung saisonaler Produkte, damit z.B. vermieden wird, dass Erdbeeren im Januar aus Nordafrika herbeigeschafft werden müssen. Für den CO2-Fußabdruck eine Katastrophe…
Die Kommunikation dieser Nachhaltigkeits-Storys kann idealerweise in den Onlinemedien (Homepage, Facebook, Instagram etc.) erfolgen, aber natürlich auch auf Postkarten in Form von Lieferantenportraits oder auch in Gästezeitschriften. In erster Linie sollten es aber eure Mitarbeiter sein, die diese Hintergründe kennen, wertschätzen und kommunizieren müssen. Du solltest also deine Mitarbeiter informieren und schulen. Du musst das Feuer auch in ihnen entfachen. Das funktioniert nur, wenn sich Mitarbeiter selbst auch wertgeschätzt und gut behandelt fühlen. Wer seine Mitarbeiter ausnutzt und noch nicht einmal bereit ist, den Mindestlohn zu zahlen, dem wird es nicht gelingen, seine Mitarbeiter imagefördernd einzusetzen.
Mehr Nachhaltigkeit gleich höherer Verkaufspreis?
Die Wunschvorstellung, dass sich durch die nachhaltige Ausrichtung des Unternehmens höhere Preise am Markt erzielen lassen, muss ich allerdings aus eigener Erfahrung dämpfen. Klar, es gibt Gäste, die für Bio-Gerichte bereit sind, etwas mehr zu zahlen, aber das Gros eurer Gäste wird euer Engagement zum Nulltarif einfordern und ist nicht bereit Einschränkungen in Sachen Luxus und Bequemlichkeit bei sich selbst vorzunehmen. Die meisten Gäste werden z.B. lieber unter einem Heizpilz sitzen, als sich in eure wärmenden Decken (= nachhaltig) zu hüllen. Ebenso werden sich die wenigsten mit Recycling-Toilettenpapier und –Handtrockentüchern (= nachhaltig) anfreunden können. Allerdings habe ich in den letzten Jahren erleben dürfen, dass tendenziell immer mehr Gäste bereits sind, für Nachhaltigkeit mehr zu zahlen oder auch kleinere Einschränkungen in Kauf zu nehmen.
Euer Café oder euer Restaurant nachhaltig auszurichten, muss also ein Herzenswunsch sein. Halbherzigkeit spürt der Gast und wird es entsprechend negativ bewerten. Also tut Gutes und sprecht darüber!
Hier noch ein paar Tipps zu „Gutes“:
1. Bietet weniger fleischlastige Speisen an. Ein ausreichendes Angebot an vegetarischen / veganen Speisen wird mittlerweile erwartet.
2. Nehmt nur Take-away-Verpackungen, die sich zumindest recyclen, besser noch kompostieren oder gar essen lassen und auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wurden.
3. Achtet beim Kauf von Geräten und Leuchtkörpern auf deren Energiespareffizienz.
4. Verwendet bei der Einrichtung vorwiegend Naturmaterialien wie Holz und Stein. Kunststoffe sind tabu.
5. Keine Wegwerfartikel wie Strohhalme aus Kunststoff, sie sind ein No-go.
6. Wie wäre es mit einem eigenen Kräutergarten oder zumindest einer Kräuterecke in Fensternähe?
7. Wo sich Übersee-Zutaten (wie z.B. Kaffee und Tee) nicht durch heimische Alternativen ersetzen lassen, achtet ihr beim Einkauf auf Bio- und/oder Fairtrade-Produkte. So lässt sich in den Herkunftsländern die Ausbeutung von Mitarbeitern und der Umwelt eindämmen.
8. Wo immer Abfall doch nicht zu vermeiden ist, wird er sauber getrennt.
9. Und wer zu diesem Thema umfassend informiert bleiben möchte, der nutzt die Homepage und den Facebookauftritt von Greentable.
Nächstes Mal: O wie Ohnmacht –Denn was passiert, passiert
Das Gastro-Gründer-ABC auf nomyblog begleitet Sie vierzehntägig mit den wichtigsten Themen von A bis Z. Der Autor Ralf Klümper war bis 2017 selbst zehn Jahre Gastronom in Essen – „Die Insel“ war das erste biozertifizierte Restaurant der Stadt. Seine Praxiserfahrung vermittelt er seitdem als Gastro- und Gründerberater und schreibt für Gastro-Blogs und Fachpublikationen.