Nachhaltig ins Netz: Fisch- und Seafood-Alternativen für Gastronomie, Catering und Co.

Frisch Gefischt, Austerregion, Holycrab und Seawater Cubes

von Jan-Peter Wulf
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Foto: Frisch Gefischt

Fisch und Seafood sind Gastro- und Catering-Klassiker. Doch vor dem Hintergrund überfischter Meere und steigendem Bewusstsein für verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen drängt sich die Frage auf: Was kann man aus diesem Bereich noch guten Gewissens essen bzw. Gästen anbieten? Unsere vier Beispiele für Food-Unternehmen, die neue Wege gehen und mit viel Geschmack und spannenden Storys überzeugen.    

Die Anfrage, wie es bei Frisch Gefischt in Hamburg um das Catering-Geschäft steht, kommt zum richtigen Zeitpunkt: „Das ist ein sehr spannendes Feld, das wir jetzt ausbauen“, berichtet Lars Bäumer, der sein Lebensmittelunternehmen 2019 zusammen mit Andreas Reinhardt gegründet hat. Kürzlich ist es in die Lagerstraße, „Halle D“ neben der Messe gezogen. Hier kann das Fischfang-Startup mit deutlicher mehr Platz gebündelte Bestellungen packen und größere Mengen managen.

Der Ansatz, mit dem das Duo vor drei Jahren gestartet ist, ist geblieben: „Frisch Gefischt“ bietet nur Fische aus nicht bedrohten Beständen an, nachhaltig gefangen (kein Schleppnetz) und unter Einhaltung der Schonzeiten. Als Grundlage über den Zustand der Fischbestände dienen dabei u.a. Informationen des Thünen-Instituts für Fischerei-Ökologie. Was hier als bedroht gilt, wird nicht gefangen. So findet sich beispielsweise kein Kabeljau im Sortiment – die Populationen sind sowohl in der Nordsee als auch im Atlantik stark zurück gegangen und dem Dorsch, wie der Fisch in der Ostsee heißt, geht es kaum besser. Die Alternative ist Seehecht, ein aus Bäumers Sicht völlig unterschätzter (Frisch-)Fisch. „Viele kennen ihn nur als TK-Produkt mit sehr weichem Fleisch. Frisch bietet er ein völlig neues Geschmackserlebnis.“ 

Direkt vom Kutter

Auch Scholle, Seehecht, Flunder, Steinbutt, Lengfisch oder Steinköhler hat man je nach Saison im Angebot, ebenso Hummer von einem der letzten noch aktiven Helgoländer Hummerfischer. Außerdem gibt es Süßwasserfische wie Barsch, Zander sowie Lachs- und Regenbogenforelle aus Teichen in der Lüneburger Heide.

Einen wesentlichen Unterschied zu herkömmlichem Fischhandel macht das Prinzip „direkt vom Kutter“ aus: Nach dem Anlanden wird die Ware direkt bei den Fischern abgeholt, mit denen man kooperiert. Mittlerweile hat man dank Digitalisierung schon auf der Fahrt zur Abholung Infos über die gefangenen Mengen und kann die Ware bereits verkaufen, bevor sie eingepackt wurde. „Unser Vorsprung gegenüber dem Handel“, erklärt Bäumer, „der Fisch kommt nachts an und ist morgens schon wieder raus.“

Neben dem Frische-Aspekt punktet man auch mit dem Faktor Nachhaltigkeit: „Wir sehen uns ja nicht nur als Fischhändler, sondern verschaffen unseren Kunden auch einen neuen Zugang zu der Thematik.“ Denn viele wissen gar nicht, wie es um die Fischbestände steht, „Frisch Gefischt“ will Transparenz schaffen und Unsicherheiten abbauen. „Den Fischkonsum zu reduzieren, ist der völlig richtige Ansatz. Dennoch gibt es tolle Bestände, die man guten Gewissens essen kann“, so Bäumer, der nach dem Abi auf einem Thunfisch-Longliner im Südpazifik und studienbegleitend in einem familiengeführten Fischhandel gearbeitet hat.

Auf Wunsch bietet man sogar eine Menüberatung an. Was man als Kunde indes mitbringen müsse, ist Flexibilität – das Angebot verändert sich nicht nur mit der Saison, sondern auch kurzfristig aufgrund von Wetterveränderungen. Das nehmen diverse Gastronomie-Kunden im Kerngebiet Hamburg, aber auch in Berlin im wahrsten Sinne des Wortes gerne in Kauf – und nicht nur dort: „Unser entferntestes Restaurant liegt in Oberstdorf“, erklärt Bäumer.

Wilde Austern aus der Nordsee

Auch die Kollegen von Austerregion aus Bremen sind sowohl im Gastro- als auch im Catering-Markt tätig: Zwar stehen Marco Schnackenberg und Joost Becken nach wie vor, seit ihrem Start 2016, zweimal pro Woche mit ihren Seafood-Spezialitäten auf Hamburger Wochenmärkten und verkaufen an Endkunden. Sie servieren diese aber mittlerweile auch an ihrer eigens gebauten Austernbar auf Veranstaltungen wie Hochzeiten oder bei Golfturnieren. Und können Eventcaterer deutschlandweit beliefern: „Veranstaltungen bis zu 3.000 Personen sind überhaupt kein Problem. Die Nordsee ist voll“, so Schnackenburg.

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Fotos: Austerregion

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Voll von wilden Austern: Pazifischen Austern, die in den 1980er-Jahren im Wattenmeer zur Zucht ausgebracht wurden und sich schnell und massiv außerhalb der Zuchtstationen verbreiteten – eine „eingeschleppte“ invasive Art, die unter anderem die heimische Miesmuschel verdrängt. Dagegen hilft Genießen: Die vollfleischigen, salzigen wilden Austern werden an den Austernriffen der niederländischen Nordseeküste bei Ebbe von Hand gesammelt. Oft müssen sie, weil verklumpt, mit Werkzeugen voneinander getrennt werden. Nach der Sammlung in Meerwasser-Bassins werden sie abgeschliffen, verpackt und ausgeliefert. Auch hier entsteht durch den zügigen Throughput ein Frische-Vorteil, den Restaurants in Hamburg und Berlin, von hip bis hoch zu drei Michelin-Sternen, gerne für sich nutzen. Neben der wilden Nordsee-Auster erweitert „Austerregion“ sein Angebot Stück für Stück – zum Beispiel um die als pflanzliches Seafood immer beliebter werdenden Algen (Wakame, grüner Codium) aus der Nordsee.

Eine weitere Spezialität sind handgetauchte Jakobsmuscheln aus Norwegen. Hinter denen ebenfalls harte Arbeit steckt: Statt dass der Meeresboden von Grundschleppnetzen oder Dreschen beschädigt wird, eine übliche Fangmethode für das begehrte Gourmetprodukt, steigen hier Profitaucher ins eisige Wasser ab und sammeln die Muscheln ein. Dass sich daraus, wie bei den wilden Austern, ein anderer Preis ergibt, liegt nahe. Doch neben einer anderen Qualität hat man auch eine andere, nämlich nachhaltige und echt spannende Story zu erzählen.

Berliner werden „Fressfeinde“

Storytelling der besten Art hat auch Holycrab aus Berlin zu bieten: Das 2018 gegründete Food-Unternehmen hat sich nämlich auf amerikanische Flusskrebse spezialisiert – aus regionalem Wildfang. Auch hier handelt es sich um invasive Arten, die heimischen den Platz streitig machen: Roter amerikanischer Sumpfkrebs und Kamberkrebs haben sich in den Stadtgewässern wie dem See im Berliner Tiergarten und im Britzer Garten breit gemacht. Bislang wurden sie von Kooperations-Fischern gefischt und von „Holycrab“ unter anderem im eigenen Foodtruck und per Catering auf Events und Kongressen verkauft.

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Fotos: Holycrab / Laura Lackas

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Seit Kurzem deckt das Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette von der Befischung bis zur Vermarktung ab, nachdem es den Zuschlag des Berliner Senats erhielt. Mit zwei neu eingestellten Fischern verhindert man nun in noch größerem Umfang, mit mehr Reusen und weiterem Fangmaterial, eine weitere Ausbreitung und kann zugleich die verfügbare Absatzmenge der „invasiven Delikatessen“ erhöhen. „Berliner*innen werden zu ‚Fressfeinden‘, die mit Genuss ihr eigenes Ökosystem retten,“ bringt es Lukas Bosch, einer der Gründer, auf den Punkt. Und nicht nur die: Über den Partner „Havelland Express“ können die besonderen Krebse auch nach außerhalb von Berlin geordert werden.

Meerwasserfisch made in Saarbrücken

Auch diese Story verfängt: Meerwasserfisch aus Saarbrücken. Die Gegend liegt zwar schon seit Millionen von Jahren nicht mehr an einem Meer, nichtsdestoweniger gibt es nun frischen Wolfsbarsch aus dem Saarland. Der schwimmt und gedeiht in umgebauten Übersee-Containern, die das Unternehmen Seawater Cubes (gegründet 2018) in einem Industriegebiet der Landeshauptstadt errichtet hat. Hinter dem Startup stehen die Gründer Carolin Ackermann, Christian Steinbach und Kai Wagner, die zuvor als wissenschaftliche Mitarbeiter im „Labor Aquakultur“ der Hochschule für Technik und Wissenschaft des Saarlandes tätig waren – Forschungsprofis also, die in die Zucht- und Vermarktungspraxis gegangen sind. Mit aktuell rund fünf Tonnen Fisch erzeugt das Pilotprojekt noch überschaubare Mengen per annum.

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Fotos: Seawater Cubes

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Doch die Idee hinter „Seawater Cubes“ ist, sich weniger als Händler und vielmehr als Franchise-Konzept in vielen anderen Städten zu vervielfältigen. Angebissen haben bereits die Gastronomen Daniel Marquardt, Sven Günther, Swen Schmidt und Jens Schmidt von der „Bliss Group“ aus Heidelberg: Sie sind als Investoren eingestiegen und wollen schon bald ihre eigenen Cubes errichten. Neben Wolfsbarsch könnten dann auch Fische wie die Dorade oder der so begehrte wie gefährdete Red Snapper gezüchtet werden – und quasi fangfrisch auf die Teller des Restaurant- und Cateringunternehmens sowie externer Kunden kommen. Unser ausführliches Portrait von Seawater Cubes gibt es hier.

Der Beitrag erschien zuerst bei Cooking+Cateringinside.

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