Der Nassauer Hof in Wiesbaden. Fotos: Hotel
Grand Hotels stehen für Luxus, Tradition und Exklusivität. Sowohl durch ihre Architektur als auch durch ihr kulinarisches Angebot stechen sie in der Hotellandschaft hervor. Zu ihnen zählen in Deutschland unter anderem der Bayrische Hof in München, das Brenner’s Park Hotel in Baden-Baden und das Adlon in Berlin. Und mit an der Spitze steht der Nassauer Hof in Wiesbaden, gegründet 1813.
Was aber bedeutet Luxus im Jahr 2018? Welche Ansprüche stellen Gäste an Häuser dieser Kategorie heute? Laura Klingenberg hat ein Wochenende in dem Fünf-Sterne-Superior-Hotel verbracht und sich schlau gemacht.
Vor der eindrucksvollen Front des Nassauer Hofs begrüßt mich ein adrett uniformierter Portier, legt mein Gepäck mit weißen Handschuhen auf einen vergoldeten Kofferwagen und begleitet mich unter seinem Regenschirm in die Lobby. Dort erzählen Fotos prominenter Gästen aus vielen Jahrzehnten von einer bewegten Hotelgeschichte. Marmorböden, Spiegel und ein elegantes, klassisches Interieur in goldener, weinroter und beigefarbener Gestaltung prägen das Ambiente.
Führen die Geschäfte seit einem Jahr: Julia und Constantin von Deines
Nach dem Check-In werde ich in der Präsidentensuite von den jungen Gastgebern begrüßt: Julia und Constantin von Deines übernahmen im Januar 2017 die Leitung des Nassauer Hofs aus der Hand von Karl Nüser, der sich nach fast 40 Jahren aus dem Hotelbetrieb zurückgezogen hat. Man wolle die Werte und Tradition des Grandhotels beibehalten, aber in einigen Bereichen des Hotels neue Impulse setzen, erklärt das Hotelierpaar.
Solche neuen Impulse sieht man im Nassauer Hof an vielen Stellen: Die Treatments auf den Zimmern stammen aus der Region, die analogen Zimmermappen hat man durch Suitepads ersetzt, auch gibt es jetzt eine eigene Kaffeemaschine in jedem Zimmer. Logo und die gesamte Corporate Identity wurden und werden modernisiert. Auch das Thema Social Media Marketing betreibe man nun verstärkt, erfahre ich – mag das „alte Geld“ vielleicht weniger auf Facebook, Instagram und Co. unterwegs sein, so sind die jungen, neuen Gutbetuchten es zweifellos. Auch Hunde sind ab sofort in bestimmten Bereichen des Hauses erlaubt und erhalten zudem eine eigene Aufmerksamkeit: einen Hundekuchen aus dem hauseigenen Gourmet-Restaurant Ente. Customer relations für Hund und Herr- bzw. Frauchen.
„Inspired by the world’s flavour – apart from Antarctica“
Die Ente ist das kulinarische Aushängeschild des Hotels. Es steht seit 1980 ununterbrochen unter einem Michelin-Stern, der Gault-Millau listet es mit 17 Punkten. Die Küche leitet Michael Kammermeier, für die Weinauswahl ist die Sommelière und Restaurantleiterin Marcella Schäfer zuständig. Wir genießen die Hauskompetenz: geschmorte Barbarie-Ente mit geschmortem Topinambur, gefolgt von Portweinsorbet und einer Käseauswahl von Katharina Sroka aus Eltville, absolut sterngerecht. Ein klassisches Gourmetrestaurant, in dem sich moderne Gästeansprüche mit tradierten Techniken verbinden, wie Julia von Deines erklärt: „Moderner Luxus bedeutet für uns, dass wir stets auf die Nachhaltigkeit der einzelnen Lebensmittel in Bezug auf die Herstellung und Aufzucht achten. Zusätzlich müssen unsere Mitarbeiter die traditionelle Handwerkskunst des Tranchierens und Filetierens am Tisch des Gastes beherrschen.“ Im Gourmetrestaurant, wie im Hotel im Ganzen, müsse man die Erwartungen eines Gastes erkennen, ihn persönlich und maßgeschneidert betreuen.
Die Ente, das hauseigene Gourmetrestaurant
Küchenchef Michael Kammermeier, Sommelière und Restaurantleiterin Marcella Schäfer
Und um diese Erwartungen zu (er)kennen, führte die neue Geschäftsleitung des Nassauer Hofs eine Umfrage durch, die unter anderem ergab, dass sich das Verständnis von Komfort und Luxus im nationalen und internationalen Markt auf unterschiedliche Art und Weise entwickelt. Laut dieser Umfrage zählen für internationale Gäste (zum Beispiel aus den USA, Russland und arabischen Ländern) namhafte Marken, Status und Prestige vorrangig zu den Luxusmerkmalen. Luxus-Shopping-Tourismus, speziell von reichen Gästen aus Asien, nimmt in Europa zurzeit immer mehr zu. Für europäische Gäste wiederum stellen vor allem der Faktor Zeit und eine ethische Vertretbarkeit in den verwendeten Produkten Luxusgüter dar – fast kann man somit von zwei völlig unterschiedlichen Luxus-Zielgruppen sprechen.
Zeit als Luxusgut
„Zeit für mich“, „deine Zeit“, „Auszeit“ – Slogans, die man oft im Zusammenhang mit (hochpreisigen) Wellness- und Entspannungsangeboten sieht. Im Nassauer Hof wird das rare Gut Zeit, sprich Ruhezeit, beispielsweise mit dem großzügigen Wellnessbereich bedient: Hier baden die Gäste über den Dächern Wiesbadens in Wasser aus warmen Thermalquellen. Es gelangt, mit Mineralien angereichert, bei einer Temperatur von 66 Grad aus rund 800 Metern Tiefe an die Oberfläche. Enteisent und auf angenehme 32 Grad abgekühlt, genießen Gäste hier täglich fünf Kubikliter frisches Quellwasser im Hotelpool.
Entspannung auf 1.500 Quadratmetern bietet der Spa- und Wellness-Bereich
Zeit wird aber auch geschaffen, indem die Aufenthaltszeit hinsichtlich Aufenthaltsqualität optimiert wird: Valet- und Gepäckservice, Sitter für Babys, Kleinkinder und mitgebrachte Tiere, ein knackiger Check-In durch Sammlung aller notwendigen Informationen im Vorfeld, um den Prozess vor Ort zu verkürzen. Zudem bietet der Nassauer Hof seinen Gästen Packages an, mit denen die knappe Ressource Zeit optimal genutzt „ausgebeutet“ werden kann, auch arrangiert man Hotel Erkundungs-Touren zu lokalen Käse- oder Weinzulieferern für seine Gäste – so erkundeten wir während unseres Besuches das Weingut Breuer in Rüdesheim.
Ein Grand Hotel im Wandel
Das sympathische Direktionspaar von Deines und seine freundlichen Mitarbeiter – man bildet übrigens die meisten Azubis in der örtlichen Hotellerie aus – zeigten mir während meines Aufenthalts in Wiesbaden, wie ein traditionsreiches Luxus-Hotel modern geführt werden und das sich wandelnde bzw. das sich im internationalen Kontext unterschiedlich ausprägende Verständnis von Luxus dabei berücksichtigen lässt.
Mehr Informationen:
www.nassauer-hof.de
