Die beruhigende Wirkung von Wasser: nur einer der Gründe, warum Mathias Böhme unbedingt ein Restaurantschiff eröffnen wollte. Das war 2007, und 15 Jahre nach dem Start des ungewöhnlichen Gastroprojekts ist das „Patio“ noch immer da, jetzt unter neuer kulinarischer Leitung.
Auf dem Moabiter Teil der Spree, gleich beim Schloss Bellevue, fand Böhme den perfekten Ankerpunkt für sein Projekt. Es bestand zunächst aus dem Umbau eines 30 Jahre alten, schwimmenden Containers, welcher zuvor als Werkstatt und Arbeiterunterkunft genutzt wurde. Im Nachhinein beschreibt Böhme es vielmehr als einen Neubau, so umfangreich seien die Arbeiten gewesen. Fünf Jahre habe es gedauert, aus dem rostigen Kahn das Restaurantschiff Patio zu machen. Es musste schließlich an alles gedacht werden: von der Stabilisierung des Bodens über die Verglasung der Decke bis hin zum Wintergarten. Böhme konzipierte das Schiff komplett nach seinen Vorstellungen und konnte sein Restaurant im Frühling 2007 endlich eröffnen. Beendet ist sein Projekt dadurch aber keineswegs. So feilt Böhme permanent am „Patio“, erweitert und erneuert.
Heute verfügt das Schiff über drei Stockwerke. Der unterste soll bald als Weinkeller und Partyraum dienen, mit DJ-Pult und Samtpolstern; hier ist man sozusagen unter Wasser, im Innenraum sitzt man direkt auf der Spree und das oberste Stockwerk, die Terrasse, liegt etwa drei Meter über dem Wasserspiegel.
Auf dem Deck glänzen die Gläser in der Sonne mit der Spree um die Wette und das Mittagessen verspricht Wasserblick und Wein. Außerdem verspricht es ganz viel in Sachen Kulinarik, denn Christopher Kümper ist seit April dieses Jahres neuer Küchenchef im Patio. Kümpers Küche wird geschätzt für ihre feinen, farbenfrohen Kompositionen, für wohlig-vertraute Aromen mit ein paar Akzenten aus Südostasien. Bis Ende des letzten Jahres servierte er sie in seinem eigenen Restaurant Christopher’s in Charlottenburg. An Bord des „Patio“ versucht Kümper, so viel es geht, mit regionalen Zutaten zu kochen, was gleich zu Anfang deutlich wird: knusprig-köstliche Chips aus Wirsing, Fenchel und Weißkohl als ersten Eindruck und anschließend die Variation vom Strauß aus Knochenmarkgelee mit Grüner Soße und einem Tatar.
Kümpers Handschrift zeigt sich vor allem in den nächsten beiden Gängen — gegrilltem Schwertfisch mit grüner Erbse und Meerrettichschaum sowie Oldenburger Kalb mit wildem Brokkoli und gepickelten Gemüsestreifen. Beide Gänge schmecken vollmundig und vertraut, ohne langweilig zu sein. Der Schwertfisch bekommt einen Akzent durch die Minze, das butterweiche Kalb etwas Raues durch den rauchig-gegrillten Brokkoli. Das Auge des Küchenchefs für ästhetische Teller spiegelt sich auch im Dessert wider: das haugemachte Joghurteis, das gerollte Fruchtleder, der Pistaziencrumble und das Erbeergelee sind kreisförmig drapiert und mit der säuerlich-milden Molke, die bei der Eisherstellung übrig bleibt, verbunden. Mit der kontrastierenden blauen Spree im Hintergrund könnte es kaum einen schöneren Abschluss für ein Essen geben.
Beruhigend sind die Geräusche des Wassers, das leichte Schaukeln des Schiffs hingegen mag anfangs gewöhnungsbedürftig sein. Doch schon nach kurzer Zeit merkt man es kaum noch. Christopher Kümper berichtet, er habe etwa einen Monat gebraucht, bis er es gar nicht mehr spürte, und Mathias Böhme würde ohne das Schaukeln wahrscheinlich etwas fehlen. Mit dem „Patio“ hat er sich den Traum eines Restaurants auf dem Wasser erfüllt. Und mit einem Küchenchef wie Christopher Kümper liefert Böhme zudem einen Grund, sein Restaurant nicht nur aufgrund der tollen Location, des Wassers und des Schiffes zu besuchen, sondern vor allem auch wegen der Speisen.