In diesem Beitrag geht es um solche gastronomischen Orte, die (voraussichtlich) keinen dauerhaften Bestand haben. Um temporäre Orte also, bei denen seitens des Betreibers von Anfang an vorgesehen ist, sie zu einem bestimmten oder unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft wieder zu schließen. Oder bei denen unklar ist, wie lange das Zeitfenster geöffnet sein wird, das ihre Existenz möglich macht.
Dieser leicht adaptierte Text wurde im Original für das 2017 erschienene Buch „Temporäre Konzepte: Coworking und Coliving als Perspektive für die Regionalentwicklung“ verfasst, das im Kohlhammer Verlag erschienen ist.
Die Gründe für diese Befristung sind so vielseitig wie die Gastronomie selbst. Sie reichen von der Möglichkeit, einen Raum, ein Gebäude oder ein Gelände für eine gewisse Zeit zwischennutzen zu können (zum Beispiel, weil das Gebäude später abgerissen oder eine freie Fläche nachverdichtet wird) über das zeitweilige Einmieten in eine Event- oder Offlocation bis zur Vertretung des sonst an dieser Stelle stattfindenden Gastrobetriebs mit eigenem Konzept und Angebot. Auch temporäre gastronomische Aktionen großer Marken, die als live erlebbare Markenkommunikation fungieren, gibt es mittlerweile immer öfter.
Künstliche Verknappung als Pull-Faktor
Der Begriff, unter dem sich diese zeitlich eingegrenzten Gastronomien sammeln lassen, lautet „Pop-up“. Er ist dem Einzelhandel entlehnt: Ende der 1990er-Jahre begann die amerikanische Modebranche, angesagte Marken in kurzzeitig angemieteten, leerstehenden Geschäftsräumen zu verkaufen. Oft fanden diese Verkäufe mit Eventcharakter sogar nur einen Tag lang statt. Nicht nur aus Gründen eines möglichst schnellen Abverkaufs nach Vorbild einer – um ein im Gegensatz zum knackigen Begriff „Pop-up“ wesentlich unschöneres deutsches Wort zu verwenden – Resterampe, sondern auch, um Marken emotional aufzuladen: Mit der künstlichen Verknappung einher geht auch der beschränkte Zugriff auf die Waren, welcher sie aus Kundensicht oft noch wertvoller und begehrter macht.
In der Pop-up-Gastronomie haben wir es mit einem recht ähnlichen Prinzip zu tun: Auch hier geht es darum, ein Produkt – die Gesamtinszenierung aus Location, Interiourdesign, Programm, Publikum und nicht zuletzt Speisen und Getränken – durch eine zeitliche Befristung und somit Verknappung begehrlicher zu machen. Wer sich nicht rechtzeitig darum kümmert, sich an diesen Ort zu begeben und ihn zu erleben, der wird ihn vermutlich für immer und ewig verpasst haben (außer es gibt ein Comeback oder eine Wiederholung). In Zeiten, in denen Essen immer mehr Lifestyle-Relevanz hat – Food ist heute ein wichtiger Teil der sozialen Inszenierung –, wird dieses Prinzip besonders wirkmächtig: So, wie man eine zeitlich befristete Ausstellung besucht haben oder einen Film im Kino gesehen haben „muss“, um „mitreden“ zu können, „muss“ man auch das angesagte Pop-up-Restaurant besucht haben. Oft wird die Vergänglichkeit seitens der Anbieter mit Botschaften wie „letzte Chance“ oder „nur noch eine Woche“ in Newslettern oder in der Social-Media-Kommunikation betont.
Und manchmal ist selbst dieses nicht nötig, wie sich am Beispiel des Pop-up-Restaurants „Noma Mexico“ zeigt, das René Redzepi, der Chef des ehemaligen Kopenhagener Restaurants „Noma“, im Frühling 2017 sieben Wochen lang an der Küste von Tulum in Mexiko betrieb. Das stationäre „Noma“ in Kopenhagen wurde von 2010 bis 2014 durchgehend vom führenden „Restaurant Magazine“ zum besten Restaurant der Welt gekürt – so nahm es nicht wunder, dass die 7.000 Plätze, das temporäre Noma in Mexiko insgesamt zu vergeben hatte, binnen weniger Stunden komplett ausgebucht waren.i Gerade so, als handle es sich um ein Popkonzert! Der Reiz des Vergänglichen lässt sich wirkungsvoll einsetzen, um Gäste zu sich zu locken. Ein Pop-up-Restaurant irgendwann mal ausprobieren, das geht eben nicht.
Besonderer Ort, besonderes Angebot
Neben dem zeitlichen Faktor spielt natürlich auch der räumliche eine wichtige Rolle: Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Restaurant finden Pop-ups in der Regel an nichtgastronomischen Orten statt, zum Beispiel in Industrielocations, im Freien (zum Beispiel Pop-up-Biergärten oder -Beachclubs), in Museen oder Bibliotheken, in Ladengeschäften vom Blumenladen bis zu Möbelmanufakturen oder sogar in privaten Wohnungen. Essen, Trinken und Genießen an Orten, an denen dieses sonst eher nicht getan wird – ein wichtiges Merkmal vieler Pop-up-Gastronomien.
Der Übergang zu anderen temporären Gastronomiekonzepten – zum Beispiel dem „private dining“ oder den so genannten „Takeovers“ (Köche und Gastronomen übernehmen für eine gewisse Zeit eine andere Gastronomie, zum Beispiel als Urlaubsvertretung oder um einen Personalwechsel in der Küche zu überbrücken, und bieten in dieser Zeit ein eigenes Foodprogramm an) ist fließend. Mittlerweile gibt es sogar eigene Agenturen, die eine Locationsuche und -vermittlung offerieren, ferner Onlinemarktplätze wie „Go-Popup“ aus Berlin, die Anbieter und Nachfrager zusammenbringen – hier wiederum ist der Übergang zu klassischen Vermittlungsdiensten von Eventlocations fließend.
Nicht zuletzt differenzieren sich temporäre Gastronomien auch über das Essen und die Getränke, die serviert werden: Oft gibt es eine feste Menüfolge oder ein nur sehr kleines à-la-carte-Angebot. Dies ergibt sich schon allein aus der Tatsache, dass technische Ausstattung, sowie Kühl- und Lagermöglichkeiten meist sehr eingeschränkt sind, hat aber auch thematische Gründe: Oft wird mit dem Food- und Beverage-Programm ein Schwerpunkt gesetzt.
Zum Beispiel eine bestimmte, eingegrenzte Küchenrichtung wie mexikanisches Streetfood oder deutsche Tapas. Oder Speisen nach Rezepten der Großmutter der Köche. Auch Differenzierungen wie ausschließlich regionale Zutaten sind möglich oder, wie im Falle des Anfang 2017 in Köln und später in München eröffneten Pop-ups „Aldi Bistro“,i ausschließlich Produkten aus dem Sortiment des Discounters. Eigens für die Gastronomie auf Zeit ausgewählte Getränke und „signature drinks“, die speziell für das Event kreiert und bisweilen sogar auf das Food abgestimmt wurden, sowie Musik- und Showprogramm runden das Konzept ab.
Praxischeck und Testlabor Pop-up-Restaurant
Für den Anbieter einer temporären Gastronomie bietet der Ort neben der Möglichkeit, sich damit als „Pop-up-Veranstalter“ zu profilieren, auch die Möglichkeit, Neues auszuprobieren und zu experimentieren. Das gilt sowohl für Gastronomen mit bestehendem Betrieb, die den besonderen Ort nutzen, um dort neue Speisen vorzustellen als auch und insbesondere für Gründer.
Viele „Food-Entrepreneure“ bieten Pop-ups und Dinner-Events an oder „kapern“ für eine gewisse Zeit eine fremde Gastronomieküche, um praktische Erfahrung zu sammeln. Mit einer nur verhältnismäßig kleinen Investition (bei einem Pop-up reichen je nach Umfang schon eine gebrauchte Gastroküche, Flohmarktmobiliar/Selbstgezimmertes und beim Nonfood-Caterer geliehenes Geschirr) können sie so testen, ob ihr kulinarisches Konzept beim Publikum Anklang findet und zudem prüfen, ob ihnen das Gastgewerbe, von der Planung bis zum Service, überhaupt liegt – es dient als mitunter harter „reality check“ der romantisierten Vorstellung des Gastgeber-Daseins. Oft entwickeln sich aus solchen, den „proof of concept“ bestandenen Projekten langfristige Konzepte an einem anderen Ort. Pop-up-Gastronomie ist anbieterseitig immer auch ein Labor für neue Ideen.
Anhand von fünf Beispielen soll im Folgenden der Facettenreichtum temporärer Konzepte in der Gastronomie dargestellt werden.
1. Pop-up-Pionier: „Cookies“, Berlin
Wie es so oft mit Pionieren ist: Sie haben etwas schon gemacht, als es den Begriff dafür noch gar nicht gab. Im Falle des Berliner Clubs „Cookies“, der von 1994 bis 2014 an sieben verschiedenen Orten in der Stadt eröffnete (und schloss) von einem „Pop-up“ zu sprechen, wäre somit nicht korrekt. Doch das „Cookies“ hat wie kein anderer Club Berlins, vielleicht sogar weltweit, das Thema „der Reiz des Vergänglichen“ besetzt. Denn immer war klar, dass irgendwann Schluss sein würde und das „Cookies“ sich eine neue Heimat suchen muss. Nur wann genau eben nicht – und so wurde jede Nacht gefeiert, als sei es die letzte.
Angefangen hatte alles mit einer Bar, die Heinz „Cookie“ Gindullis spontan im Keller seines Wohnhauses eröffnete – freilich ohne jede Konzession. Es wurde getrunken und getanzt, Freunde kamen und brachten Freunde mit. Nach anderthalb Jahren flog man aus dem Keller raus – und eröffnete an anderer Stelle die Bar erneut. Um alsbald wieder die Koffer packen und sich nach einem neuen Ort umsehen zu müssen. Ein Katz- und Maus-Spiel, bei dem die Maus jedoch immer größer und professioneller wurde. Kam die Musik anfangs noch aus der eigenen Stereoanlage und von ein paar CDs, legten in den Folge-„Cookies“ DJs auf, die sich in der Stadt ebenso schnell einen Namen machten wie der Club selbst.
Mit der zunehmenden Professionalisierung wurde aus der Bar mit selbst verlegten Holzbohlen eine – baulich betrachtet – richtige Discothek, und die letzte „Cookies“-Location in der Friedrichstraße 158 musste man auch nicht mehr räumen: Sie beherbergt heute das von „Cookie“ betriebene Szenerestaurant „Crackers“. Als nomadischer Club, der 20 Jahre in Berlin unterwegs war, versinnbildlicht das „Cookies“ den Wandel der Stadt. Ließ sich einst – ungeklärte Besitzverhältnisse und mangelnde Kontrollen machten es unter anderem möglich – aus einer Lust und Laune heraus spontane Gastronomien starten, ist Selbiges heute nahezu unmöglich. Sagt der Pop-up-Pionier selbst: „Zwischennutzungen sind wahnsinnig teuer geworden. Früher hast du ein paar Toiletten und eine leichte Lüftung reingebaut, heute hast du viele Auflagen und hohe Mieten. Eine Location für ein Jahr auszubauen, rentiert sich nicht mehr.“
2. Pop-up als gastronomisches Eventformat: „Pret A Diner“, verschiedene Städte
„This is not a Popup-Restaurant – This is a Dining Experience“ ist auf der Webseite von „Pret A Diner“ zu lesen.v Doch handelt es sich auch hierbei um ein gastronomisches Temporärprojekt, das sich mit dem Begriff „Pop-up“ umschreiben ließe, denn stets war und ist auch hier der zeitliche Rahmen begrenzt. „Pret A Diner“ eröffnete zum ersten Mal 2011 in einer historischen Münzprägeanstalt in Berlin. 35 Tage waren angesetzt, aufgrund des großen Erfolgs wurde die „Spielzeit“ verlängert. Das Konzept: Sterne- und Spitzenköche servieren den Gästen, die sich vorab einen Platz reservieren, ein exklusives Menü zum erschwinglichen Preis – Klaus-Peter Kofler, Geschäftsführer des Caterers „Kofler & Kompanie“, nennt es die „Demokratisierung von Luxus“. Damit einher geht der Verzicht auf klassische Elemente der gehobenen Gastronomie: Tischdecken werden weggelassen, als Cocktailglas dient statt edlem Kristall mitunter ein altes Marmeladenglas.
„Die klassische Sterneküche besteht typischerweise aus viel Drumherum, viele Gläser, viele Kellner … das wollen aber viele Leute heute gar nicht mehr alles dabei haben, nur weil sie sehr gutes Essen erleben möchten. Wir verbinden Kiez-Ambiente und Sterneküche“, so Kofler vor der Eröffnung des ersten „Pret A Diner“. Die Orte – Industrielocations, ehemalige Kirchen, U-Bahn-Tunnel, Hochhausetagen – sind möglichst „ungastronomisch“ und werden für den Zeitraum des Betriebs „umgedeutet“.
Der hohe Aufwand, der für die Einrichtung eines „Pret A Diner“ betrieben wird (neben der aufwändigen Dekoration wird auch die komplette Küchentechnik vor Ort aufgebaut) lässt sich allein über die gastronomischen Umsätze nicht kompensieren. Deshalb findet jedes „Pret A Diner“ in Kooperation mit einem großen Markenpartner, zum Beispiel aus der Automobilbranche, statt. Nach dem Debüt in Berlin wurden weitere Pop-up-Restaurants in Frankfurt, München, London, Basel, Monaco und weiteren Städten eröffnet.
3. Stationäres Pop-up als Gastro-Testlabor: „Laden Ein“ Köln/Düsseldorf
Wie bereits eingangs erwähnt, bietet es sich für Gastronomie-Gründer an, ihr Konzept vor der Eröffnung eines eigenen, fest installierten Restaurants zu testen und zu optimieren. Eine gute Möglichkeit dafür bieten die zahlreichen Streetfood-Märkte, die seit 2014 (der erste war der „Street Food Thursday“ in Berlin) in vielen mitteleuropäischen Städten stattfinden: Ein Stand lässt sich mieten und die notwendige Küchentechnik ist überschaubar. Auch ein mobiler Foodtruck ist im Verhältnis zur Einrichtung eines kompletten Restaurants günstig – doch beides, sowohl ein Stand als ein Truck, bieten nur beschränkte Verkaufsmöglichkeiten, die meisten Händler streben ein eigenes Restaurant an.
Hier kommt der „Laden Ein“ in Köln ins Spiel: Für jeweils zwei Wochen können sich Streetfood-Händler und andere „Food-Entrepreneure“ hier einmieten und auf die vorhandene Infrastruktur zurückgreifen, inklusive eines Profikochs, der sie bei der Optimierung der Prozesse unterstützt. In diesen zwei Wochen betreiben sie das Restaurant wie ihr eigenes, es heißt dann zum Beispiel „Maria Maria Arepas Laden Ein“ oder „The Wurst Case Szenario Laden Ein“.
Für Streetfood-Fans bedeutet das stets etwas Neues im „Laden Ein“ (inklusive des Reizes des Vergänglichen) und die Gründer sammeln wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse für ihr tatsächliches eigenes Restaurant – zum Beispiel die Gründer des „Mashery Hummus Kitchen“: Im Frühling 2017 eröffneten sie, nach zwei Gastspielen im „Laden Ein“, ihre Tagesgastronomie: „Davor war unser Traum ein Foodtruck, auf den wir gespart haben. Nachdem wir im ‚Laden Ein‘ waren, haben wir bemerkt, dass es noch mehr Spaß macht, einen eigenen Laden zu haben, als permanent Sachen packen zu müssen, von A nach B zu fahren und immer nur wenige Stunden verkaufen zu können“, so Julian Wirtler, einer der drei Geschäftsführer. Das Konzept von „Laden Ein“ ist so erfolgreich und die Schlange der Pop-up-Anwärter so lang, dass mittlerweile ein zweites Outlet in Düsseldorf eröffnet hat.
4. Semistationäres Pop-up: „BRLO Brwhouse“, Berlin
Aus 38 echten Übersee-Containern wurde das Brauhaus der Berliner Craftbier-Brauerei „BRLO“ errichtet. Es eröffnete Ende 2016 im neu angelegten „Park am Gleisdreieck“, einem ehemaligen Güterbahnhofsgelände mitten in der Stadt. Das für ein Brauhaus ungewöhnliche Baumaterial wurde nicht nur aus optischen Gründen gewählt – die Marke „BRLO“ und das Brauhaus adressieren ein junges, urbanes und internationales Publikum –, sondern auch aus praktischen: Wie lange das BRLO Brwhouse an diesem Standort wird bleiben können, ist unklar. Das Gebiet ringsum wird unter dem Namen Urbane Mitte entwickelt, es entstehen neue Wohn- und Bürokomplexe, sodass das Popup-Brauhaus möglicherweise irgendwann einem „richtigen“ Bau wird weichen müssen.
Die Verwendung von Containern bietet die Möglichkeit, das Brauhaus mitsamt seines Innenlebens – eine komplette Brauerei und ein großes Restaurant mit Profiküche befinden sich darin – bedarfsweise mit einem im Vergleich zu einem festen Gebäude relativ geringem Aufwand ab- und an anderer Stelle wieder aufbauen zu können.
Ein ähnliches temporäres Bauwerk in Berlin ist die ehemalige „Platoon Kunsthalle“, die aus 34 Übersee-Containern besteht und in der von 2012 bis 2016 diverse Kunst-, Musik und Foodevents stattfanden. Nach vier verschiedenen Standorten wurde das Projekt in Berlin eingestellt und die Container wurden über eBay zum Verkauf angeboten. Das Projekt läuft aber global weiter – vor Berlin gab es eine Container-Kunsthalle bereits in Seoul und zur Zeit gibt es ein „Platoon“ in Mexico City.
5. Pop-up als Masterarbeit: „Lücke“, Weimar
Eine temporäre Gastronomie als Abschlussarbeit: Dieses aufwändige und ungewöhnliche Vorhaben setzte der Architekturstudent Hannes Schmidt 2014 in Weimar in die Realität um. Schmidt eröffnete für elf Wochen das Restaurant „Lücke“, das sich in einem schmalen Freiraum zwischen zwei Häusern in der Weimarer Marienstraße befand – eine Zwischennutzung im wahrsten Sinne des Wortes. Mit einer Investition von rund 15.000 Euro baute Schmidt mit Helfern (unter anderem aus der Fakultät für Gestaltung) in Eigenleistung ein schlauchförmiges Flachdachhäuschen – 24 Meter lang, fünfeinhalb Meter breit – aus dem Holz einer alten Scheune, setzte Fenster aus Abrisshäusern ein und verlegte einen Fußboden aus den Bodenplatten ausrangierter LKW. Ein Teil des verarbeiteten Gemüses wurde in Hochbeeten an der Lücke selbst gezüchtet, die weiteren Produkte bezog man ausschließlich aus der Region.
Ein Video der „Lücke“ gibt es hier.
Ziel des Projekts war es, zu demonstrieren, wie sich mit einem konsequent nachhaltigen Ansatz – heimische Erzeugnisse, Eigenanbau und Direktrecycling – ein gastronomisches Projekt in die Tat umsetzen und sich die Investition für Bau und Betrieb durch die Umsätze wieder reinholen lässt. Nach Beendigung des Projekts wurde die „Lücke“ zurückgebaut – ein Teil des Inventars verkaufte Schmidt an die Gäste, Geliehenes wie die als Fundament dienenden, von der freiwilligen Feuerwehr bezogenen Sandsäcke, wurde zurückgegeben. Schmidts Abschlussnote: eine glatte Eins.
Fazit und Ausblick
Die fünf vorgestellten Beispiele bilden, so unterschiedlich sie auch sein mögen, immer noch nur einen kleinen Ausschnitt der Pop-up-Restaurant-Vielfalt ab. Da es an einer genauen Definition und Abgrenzung mangelt, ist es im Prinzip subjektiv und persönliche Auslegungssache, was ein Pop-up ist und was nicht. Ist ein einmaliger Aufbau eines Standes zwecks Speisen- und Getränkeverkauf schon ein Pop-up oder nicht? Ist ein temporäres Restaurant, dessen genauer Endtermin noch nicht feststeht (zum Beispiel weil man noch mit dem Vermieter verhandelt oder sich der Baubeginn verzögert) ein Pop-up oder nicht?
Fest jedoch steht: Zeitlich befristete Gastronomien üben einen großen Reiz auf Gäste aus und stellen eine spannende Alternative zu stationären Konzepten dar. Sie bereichern das Angebot und somit die Attraktivität einer Stadt, sowohl für Bewohner als auch für Besucher, die auf der Suche nach einem besonderen, ja einzigartigen gastronomischen Erlebnis sind – Pop-up-Restaurants können dieses in hohem Maße bieten. Sie geben der lokalen Branche zudem neue Impulse und den Medien Anlass zur Berichterstattung.
Was sie benötigen, liegt auf der Hand: Freiräume. Orte, an denen sie verwirklicht werden können. Ein kooperatives Verhalten seitens der Kommunen und Ämter, das die Betreiber von Pop-up-Restaurants bei der Planung und Durchführung unterstützt und nicht behindert – weil der Wert dieser Orte auf Zeit für das Freizeitangebot in der Stadt erkannt wird – wäre zu begrüßen.
Ob diese temporären Gastro-Spots im Zuge der Umgestaltung und Gentrifizierung von Innenstädten rarer werden oder sich durch den Wandel gar viele neue Lücken auftun, könnte, ja sollte, Gegenstand einer eigenen Untersuchung sein. Die im deutschsprachigen Bereich noch wenig adaptierte, in Großbritannien geprägte „night-time economy“ (Nachtökonomie) könnte hier möglicherweise hilfreich sein: Als interdisziplinäre Forschungsrichtung untersucht sie den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wert von nächtlichen Freizeitangeboten – insbesondere den gastronomischen.x Sie rückt somit jene eingangs erwähnten dritten Orte neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz in den Fokus und trägt dazu bei, den Wert temporärer Angebote genauer zu betrachten und zu analysieren.
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Experten-Talk: Popup-Gastronomie