Die Berliner Unternehmerin Ricarda Farnbacher setzt auf ein qualitäts- und ressourcenbewusstes Food-Angebot. Ihr Catering-Konzept: Internationalität auf Basis vornehmlich regionaler Zutaten und Flying kombiniert mit Live-Cooking. Mit einer eigenen Feinkostlinie aus heimischen Produkten hat sie in der Pandemie ein Zusatzgeschäft aufgebaut.
Nach dem Event ist vor dem Event: Ricarda Farnbacher kommt gerade vom Abbau im „The Shelf“, einem hochmodernen Büroneubau am Berlin-Kreuzberger Moritzplatz. Sie wird nach unserem Lunch-Gespräch in den Club „Weekend“ am Alexanderplatz weiterfahren, wo sie hoch über der Stadt schon seit vielen Jahren Events und Caterings ausrichtet.
In der berühmten Berliner Clubszene ist sie verwurzelt: Seit sie 2004 von Wien in die deutsche Hauptstadt kam, um hier den zweiten Teil ihres Politikwissenschaft-Studiums zu absolvieren, hat sie immer im Nachtleben gearbeitet: Zuerst halft sie bei Veranstaltungen im ehemaligen Club „Rodeo“ aus und übernahm schnell das komplette Eventmanagement.
„Ich habe einen Blick dafür, ob das Geschirr bald ausgeht oder zu wenig Gläser da sind. Clubbesitzer sehen so etwas eher nicht“, sagt sie lächelnd. Hierbei kam der gebürtigen Münchnerin sicher zugute, dass sie schon mit 15 Jahren in den dortigen Biergärten kellnerte. Neben dem „Rodeo“ verantwortete sie auch das Eventgeschäft für andere Locations wie dem „Sage Club“ an der Jannowitzbrücke. Ein paar Jahre später, ab 2008, kam das auch Thema Food und Beverage dazu, mit ihrem Netzwerk aus Köchen bot sie Agenturen und Unternehmen nun das Gesamtpaket an.
Konzeptcatering
Ihre Pläne einer Karriere in den Medien verwarf sie nach mäßig bezahlten Praktika und Jobs fürs Radio recht bald, dafür lief der eigentliche Nebenjob viel zu gut. 2015 gründete sie schließlich „Ricarda Farnbacher Event Catering Location“ und versorgt pro Event bis zu 500 Personen, in Einzelfällen auch mehr. „Am schönsten sind aber 200 bis 300 Gäste“, findet sie.
Wie sieht so ein Food-Event von Ricarda Farnbacher aus? Sie denke immer von der Location her, erklärt sie: „Ich stimme das Event auf den Raum ab und nicht umgekehrt. Ein Konzept reindrücken, das funktioniert nicht. Wie ist das Licht? Haben die Stationen Flair?“
Zwei Live-Cooking-Stationen, an denen sich die Gäste die ihren Augen zubereiteten Speisen jederzeit abholen können, bilden die festen Anlaufstellen ihrer Caterings, umrahmt von sechs bis sieben Flying-Elementen. Besonders in Clubs wie dem „Weekend“ oder dem „Avenue“ im legendären „Café Moskau“, Locations mit größerer Freifläche (dem Dancefloor) und kleinen Sitzecken ringsum bietet sich diese Mischform an. Auch die Dekoration setzt sie auf Wunsch mit um. Ricarda Farnbacher selbst nennt es „Konzeptcatering“.
Gesetzte Dinner mit Menüfolge sind, wenn kundenseitig angefragt, auch möglich. „Was ich hingegen nie mache, sind Buffets“, erklärt sie, „ich habe einfach keinen Bezug dazu.“ Sie seien schlecht planbar, entweder gebe es zu viel Essen oder zu wenig, was in der Regel dazu führe, dass man eher überproduziere.
Dabei geht es ihr gar nicht ums Sparen: „Ich finde kleine Teller, die leer gegessen werden, einfach schöner.“ Auf diese Weise können Gäste mehr probiert, statt Masse und Beliebigkeit erleben sie Kreativität und Wertigkeit: „Die Gäste sollen bei mir Gutes genießen, das ist mir als Gastronomin wichtig.“ Typische Bausteine ihres Programms sind z.B. Tacos in vielerlei Form, kleine Gemüsegerichte, trendige Buddha Bowls oder Mini-Burger.
„Wir haben ein internationales Konzept mit vorwiegend regionalen Produkten“, erklärt sie: Statt Guacamole aus Avocados gibt es eine Erbsen-Minze-Creme, Exotisches wie Passions- und Drachenfrüchte hat sie schon lange aus dem Sortiment genommen bzw. nimmt sie nur auf expliziten Wunsch rein. Lieber arbeitet sie mit saisonalem Obst (Beeren. im Sommer, Lagerobst wie Äpfel und Birnen im Winter) und Gemüse wie Sellerie, Roter Bete oder Blumenkohl, den das Küchenteam um Chefkoch Alex Gross z.B. räuchert und zu Püree verarbeitet.
Weniger is(s)t mehr
Ihren reduzierten, produktbewussten Ansatz zieht sie bis zum Barbecue-Catering, im Sommer auf Clubterrassen oder in Offlocations mit Freiflächen sehr beliebt, durch: Es gibt eine Sorte gutes Fleisch in kleinen Tranchen, dazu viel Gemüse wie Pimientos und Pilze vom Grill sowie Brot aus einer Berliner Partner-Bäckerei. Den Rost zusätzlich mit Pute, Würsten, Spareribs und mehr zu füllen, macht für sie keinen Sinn: „Ich möchte einfach nicht 15 verschiedene Sorten Fleisch auf den Grill tun.“ Auch beim Fisch reduziert sie sich auf ein Produkt pro Event, auf Havelzander mit Süßkartoffel oder eine südamerikanische Ceviche aus Weißfisch von der Boddenküste zum Beispiel.
Ökologisch und ökonomisch nachhaltig zu denken und den Fokus auf Qualität zu setzen, das stößt auch bei den Unternehmen immer mehr auf positive Resonanz: Gesundheits- und Körperbewusstsein, Regionalität, Tierwohl, Nachhaltigkeit, weniger CO2-Ausstoß – all dies sind Aspekte, die ihre Kunden aus dem Berliner Mittelstand und der Startup-Szene immer häufiger selbst auf dem Schirm haben, berichtet sie. Der Anteil vegetarischer und veganer Speisen steigt demzufolge kontinuierlich, aus Fifty-Fifty-Anfragen (50 Prozent der Speisen mit Fleisch und Fisch, 50 Prozent vegetarisch) würden immer häufiger solche, die halb vegetarisch und halb vegan vorsehen.
Corona-Baby: Farnkost
Natürlich hat Corona auch Ricarda Farnbachers Unternehmen kräftig erwischt, und das mitten im Boom: „2020 wäre ein krasses Jahr geworden.“ Doch statt vieler Events wurde es dann viel Arbeit, das Unternehmen zusammen zu halten und am Markt sichtbar zu bleiben, sagt sie. Sichbar blieb sie unter anderem mit Farnkost, ihrer in dieser Zeit entstandenen Feinkostlinie aus Eingelegtem und Eingewecktem (Radieschen, Tomaten, Zwetschgen uvm.), Sirupen aus Fichtentrieben, Löwenzahn, Rhabarber und Holunder sowie Saucen.
Zum Teil gedeihen die Zutaten in ihrem eigenen Obst- und Gemüsegarten, den sie 2018 in Berlin-Pankow angemietet hat. Auch Berlins grüne Flächen und sein Umland nutzt man für die Inhouse-Produktion. Farnbacher: „Wenn du einen halben Tag Holunderblüten sammelst, kannst du daraus locker 200 Liter Sirup herstellen.“ Im „Farnkost“-Webshop finden sich zudem Kochboxen fürs Heimbüro oder Snacks für Konferenz und Co., das Zusatzgeschäft besteht auch jetzt, wo das Eventgeschäft wieder anzieht, fort.
Sorgen hingegen der Unternehmerin zum einen der mehr als angespannte Personalmarkt – viele Fachkräfte haben die Branche verlassen – und die ins Stottern geratenen Lieferketten: „Wie früher nachts beim Getränkehändler auf den Anrufbeantworter sprechen und am nächsten Morgen ist die Lieferung da, das geht nicht mehr. Man muss vorbestellen und viel länger planen.“
Vor diesem Hintergrund überdenkt sie zurzeit auch, wie viele Veranstaltungen ihr Unternehmen mit zurzeit sechs Festangestellten (bei Events stockt man mit Freien auf rund 20 auf) zukünftig überhaupt umsetzen will. Auf 250 Termine wie 2019 will Farnbacher gar nicht zurück: „Lieber einen Tag Produktion, einen Tag Event und einen Tag Pause.“ Weniger ist mehr – das Prinzip beherzigt sie im Kleinen wie im Großen.
Der Beitrag erschein zuerst in Cooking + Catering Inside.