Essen, an nicht irgendeinem Donnerstag: In diesem Teil des Landes feiert man heute Weiberfastnacht. Schon morgens kamen mir verkleidete Frauen mit Pikkolöchen entgegen. Jetzt ist es Abend und alle Klischees erfüllen sich: Ich werde von einem stark schwankenden „Blues Sisters“-Trio mit Sonnenbrillen, schwarzen Klamotten und Hüten fast umgerannt, ich blicke in leicht verschmierte Katzengesichter und zwei stramme Karnevalisten mit Funkemariechen im Schlepptau ziehen an mir vorbei. Konfetti fliegt. Die Kneipen rund um den Rüttenscheider Stern, der sonst ein ziemlich posher Ort ist, an dem die Essener ihre schicken Klamotten, Autos, Hunde und Kinderwagen ausführen, sind fest in närrischer Hand. Durch die Fensterfront des „Eigelstein“, in dem gerade so richtig der Bär steppt, kann man direkt auf den Arbeitsplatz der DJs gucken: Sein Laptop schleudert Mallorcasound mit einer Bassdrum raus, die mich an alte Gabberscheiben erinnert. Der DJ selbst whatsappt.
Mit Karneval konnte ich nämlich noch nie etwas anfangen: Schlechte Musik, schlechtes Outfit, schlechte Getränke – wie soll das zu guter Laune führen? Ich will keinem den Spaß verderben, aber will hier weg. Ich habe Hunger, aber an diesem Ort irgendwo einzukehren scheint mir heute Abend keinen Sinn zu machen. Im „Hudsons´s“ gegenüber gibt es eine schöne Auswahl an Craft Bier und sicher auch etwas auf die Gabel, aber die Schlangen vor dem Girardethaus schrecken mich ab. Wohin?
Mir kommt das Luck in a Cup in den Sinn. Darüber hatte ich vor einigen Wochen etwas für ein Gastromagazin geschrieben. „Kalt“ geschrieben, wie man es in der Branche nennt, also ohne da gewesen zu sein. Ist aber auch nur ein kurzer Text gewesen. Schon damals hat mich das Konzept angesprochen. Also hin, es liegt ganz am Ende der trubeligen „Rü“, Ortskundigen wird das „Love & Hate“ vielleicht noch etwas sagen, das hier zuvor war.
Der Blick von draußen beruhigt: Keiner verkleidet, es sind scheinbar ganz normale Menschen, die hier essen. Ich trete ein und denke: echt cooler Laden. Poppiges Orange trifft auf Palettenholz, Comics-Devotionalien an der Wand, Comics auf einem Großbildschirm, der hier nicht fehlplatziert wirkt. Alte Eisschränke dienen als Kühlung für die Getränke und ein altes Arcadespiel als Tisch. Im Sanitärbereich liegt Kreide aus: Man bittet gerade zu darum, die schwarzen Wände zu beschreiben, dem wurde auch massiv nachgekommen. Kleine, schräge Details, wie ich sie liebe. Wer so etwas macht, der hat so richtig Bock, einen Laden ganz nach seiner eigenen Vorstellung zu gestalten – so, wie er ihn selbst gerne besuchen würde, und Bock darauf, Gäste einzuladen, teilzuhaben an seiner Welt.
Gleich am Eingang steht eine Popcornmaschine. Nicht zur Zierde: Während ich die Karte studiere und einen Schluck des ordentlichen fränkischen Zwickelbiers genieße, das man hier offeriert, stellt mir die freundliche, zuvorkommende Bedienung – im Nachhinein stelle ich fest, dass es der Betreiber selbst ist – gleich einen ersten „lucky cup“ mit süßem Popcorn hin. Sehr aufmerksam. Ich erinnere mich, mal gelesen zu haben, dass zu Zucker verkaute Stärke Gäste beruhigt, wenn sie aufs Essen warten müssen (darum auch das Brot beim Italiener). Warten muss ich aber gar nicht lange, bis meine „US Flank Beef Cuprolls“ kommen.
Das sind à la minute gewickelte Reispapier-Rollen, gefüllt mit mariniertem Fleisch, frischem Gemüse und Koriander. Schmecken formidabel. Dazu gibt es zwei Dip-Saucen, einmal Soja und einmal süßscharf – hausgemacht, ein Unterschied ums Ganze im Vergleich mit den vorgefertigten Varianten, die man beim Standard-Asiaten bekommt. Preis-Leistung? Völligst in Ordnung. Im Nachhinein, gut gesättigt, hätte ich gerne auch die vegetarische, die Chicken- und die Gambas-Variante probiert. (Schriebe ich die Karte, würde ich auch die Option auf drei unterschiedliche Rollen anbieten.) Und nächstes Mal wird ein Cupgericht bestellt.
Auch von den Burgern des „Luck in a cup“ hört man nur Gutes, und im Mittagsgeschäft hat man sich u.a. mit wechselndem Angebot aus italienischem, asiatischen und deutschem Essen einen Namen machen können. Witziges, ansprechendes Design, freundlicher, ansprechender Service, gute Produktqualität: Für mich ist das hier ein rundum stimmiges Konzept. Das könnte auch im mit modernen Asia-Fusion-Konzepten reichlich bestückten Berlin locker mithalten. Und dass es nicht mitten auf der trubeligen Essener Gastromeile „Rü“ liegt, sondern eher an ihrem Rand, das finde ich besonders an diesem besonderen Abend doch besonders angenehm.
Luck in a Cup
Rüttenscheider Straße 236
45131 Essen
www.facebook.com/cup.essen