Die legendäre süße Karamellbutter mit Schnittlauch drauf, die man sich am liebsten haufenweise vom Pass klauen und daheim einfrieren möchte, die der einstige Chefkoch Björn Swanson kreierte, ist noch da. Doch ansonsten ist im „Golvet“ alles neu. Sogar der Stern.
Denn den musste nach dem Ausscheiden Swansons im Mai 2020, im ersten Lockdown, das neue Team des Golvet sich erneut erarbeiten. Und das gelang dem neuen Küchenchef Jonas Zörner und seinem Team auf Anhieb. Der junge Mann war unter Swanson bereits Souschef, ab März 2020 bildete er für wenige Wochen mit ihm zusammen die Doppelspitze, danach dann übernahm er die Leitung. In einer seltsamen Situation: Das „Golvet“ blieb nämlich deutlich länger als die meisten Restaurants der Stadt geschlossen im Sommer des vergangenen Jahres; erst im September 2020 präsentierte man sich aufgefrischt und umgebaut, u.a. wurde die Bar vom Eingang ganz nach hinten in die Nähe der Traumterrasse versetzt. Und das alles, um nur wenige Wochen später wieder … eh klar.
Aber: Untätig war das Golvet-Team in dieser schwierigen Zeit wahrlich nicht. Unter anderem wurde ein Shop aufgebaut mit diversen Feinkost-Produkten. Gemüsefonds, Gewürzsalz, Pralinen, vegane Kohlrouladen und mehr gibt’s online und zum Mitnehmen aus großen Glaskühlschränken. Die Karamellbutter auch. „Wir arbeiten gerade an der zweiten Auflage des Shops“, berichtet Zörner. Holunderblüten-Essig oder Chutneys kommen nun beispielsweise hinzu.
Auch die Bar des Hauses in Person von Barchef Andreas Andricopolous war kreativ: Zusammen Provocateur-Barchef Tarek Nix hob er das Projekt Milk Punch Boys aus der Taufe – die gleichnamigen klaren Cocktails, bei denen Milch am Wunderwerke ist, werden seitdem für den Außer-Haus-Genuss gemixt, geklärt, abgefüllt und verkauft.
Das Team ist die Idee
Im Mai richtete das „Golvet“ überdies kulinarische Pop-ups in anderen Berliner Restaurants aus, u.a. dem hippen Fleischrestaurant „Chicago Williams“ und dem Pizza- und Highball-Konzept „Gambino’s“. Und jetzt ist man wieder „zu Hause“ am Werke, hoch über der Stadt. Was ist die Idee der Küche? „Team“, erklärt Zörner. Man verstehe das Teamwork nachgerade als Küchenstil, fährt er fort. Nicht mediterran, nicht nordisch, sondern eine Kulinarik, die aus der Gemeinschaft heraus entstanden ist: „Das Team ist die Idee, der Konsens.“
Kulinarische Grundtugenden pflege man freilich. „Regional, nachhaltig ist für uns selbstverständlich und nicht groß zu betonen. Anhand dessen suchen wir Produkte aus. Aber es will und soll sich jeder einbringen. Der eine war essen, der nächste im Wald unterwegs, der dritte im Urlaub. Man ist ins Gespräch gekommen, hat irgendwo einen tollen Fisch gegessen. So erschließt sich ein komplett neues Menü.“
Seine Aufgabe sei es, so Zörner, die Sachen in eine Reihenfolge zu bringen. Aber wie die vorgestellten Ideen ausgearbeitet werden, überlasse er den einzelnen Stationen. „So sind alle viel motivierter. Ich bin gar nicht der, der sagt, das muss alles nach meinen Ideen laufen. Ich wüsste nicht, was ich ohne das Team machen würde. Wir sind im Lockdown zusammengewachsen“, berichtet der Endzwanziger, der in seiner Zeit in der Schweizer Top-Restauration noch die berüchtigten Teller hat fliegen sehen. „Das muss nicht mehr sein, das ist nicht mehr zeitgemäß“, findet er. Wohl wahr. Und war es das jemals?
„Uns geht es gut“
Die Frage stellen wir zurzeit ja immer: Wie geht’s? „Uns geht es gut, muss ich sagen. Wir hatten Glück, denn das Kernteam ist geblieben. Wir sind im Lockdown sehr zusammengewachsen“, so Zörner. Nur zwei Positionen seien neu zu besetzen gewesen, auch konnte man zwei Azubis halten und einen weiteren in diesem Jahr einstellen.
Die Harmonie kommt am Tisch und auf dem Teller an. Wagyu-Zunge mit gegrillter Fines-de-Claires-Auster, Waldpilz-Consommé mit Cassis, Ziegenkäse und Fichtensprosse, Seeteufel mit geräuchertem Knochenmark, Pouverade und Tomate oder Wachtel mit Hafer, Blutorange und Sumac, zum Schluss Valrhona-Ducey mit Hibiskus, Himbeere und Waldmeister: Jeder Gang überzeugt, so mancher begeistert. Und wer keinen Wein trinken möchte, bekommt eine tolle alkoholfreie Begleitung mit Hauskreationen.
Sollte doch noch einmal geschlossen werden müssen, wird man wie im vergangenen Winter mit Produkten außer Haus weitermachen. Zörner: „Wir ziehen es durch.“ Das Enten-Paket sei Ende 2020 sehr gut angekommen, man wird es Ende 2021 – selbst wenn geöffnet bleiben darf, worauf wir natürlich alle hoffen – wieder anbieten. Und ansonsten tut das junge Team des „Golvet“ weiter alles dafür, seine Gäste vor Ort glücklich zu machen. Möge dies nachhaltig gelingen.