Seit fast zehn Jahren kocht Sascha Epphardt im Hotel Qube in Heidelberg. Jetzt wurde das Schwesterhotel Qube Bahnstadt eröffnet. In der state-of-the-art-Küche eines der ersten Passivhaushotels Deutschlands wird Nachhaltigkeit bis ins kleinste technische Detail nachhaltig gedacht.
Die größte „Null-Emissions-Siedlung“ der Welt befindet sich in Heidelberg. Der vor zehn Jahren auf einem ehemaligen Bahngelände entstandene Stadtteil Bahnstadt gilt als Leuchtturmprojekt des klimaneutralen Städtebaus. Noch immer wächst der Stadtteil beständig und mittlerweile leben rund 5000 Menschen dort. 2020 hat hier auch das erste Passivhaus-Hotel eröffnet.
Beim Bau des neuen Hotels wurden bereits baubiologische Standards vollumfänglich erfüllt und es wurde auf umweltverträgliche Baumaterialien geachtet. Das gesamte Gebäude wird mit Fernwärme versorgt, dessen Energie zu 95 Prozent aus Kraft-Wärme-Kopplung gewonnen wird. Diese gemeinsame Erzeugung von Wärme und Strom gehört zu den thermodynamisch wirkungsvollsten Prozessen der Energieerzeugung. So erreicht man beim Heizen und Kühlen eine maximale CO2-Einsparung.
Küchenleiter in dem komplett nachhaltigen und Ressourcen schonenden Boutique-Hotel ist Sascha Epphardt. Mit der Eröffnung des Qube Bahnstadt konnte der 43-Jährige auf seiner langjährigen Erfahrung aufbauen. Schon im ersten Qube Hotel in Heidelberg wird nach Kriterien des nachhaltigen und ökologischen Wirtschaftens gearbeitet, 2012 wurde es zum ersten „Certified Green Hotel“ der Region. Im neuen Hotel durfte er die neuesten Standards in der Küche mitgestalten. Wir haben uns mit ihm unterhalten.
Sascha, es kommt nicht oft vor, dass sich ein angestellter Küchenchef seine Küche selbst aussuchen darf. Sicher musstest du dich erstmal intensiv mit der Technik, die in einem klimaneutralen Hotel notwendig ist, auseinandersetzen?
Nach über 25 Jahren in der Gastronomie im In- und Ausland konnte ich meine ganze Erfahrung bei der Projektgestaltung einbringen, von der räumlichen Aufteilung bis zur Auswahl der modernsten Geräte. Durch Besuche verschiedener Messen und Schulungen hatte ich eine gute Vorstellung davon, welche Technik in der neuen Küche verbaut werden sollte. Ein regionaler Küchenbauer, der schon im ersten Hotel mitgewirkt hat, hat alle Ideen dann super umgesetzt. Sämtliche Technik und alle Kochutensilien sind auf dem neuesten Stand und von höchster Qualität. Da sind eine hohe Lebensdauer und ein geringerer Energiebedarf selbstverständlich. Die Herausforderung bei der modernen Technik liegt vor allem in der Bedienung. Von computergesteuerter Lüftung über Kombidämpfer bis hin zur Spülmaschine. Alle technischen und praktischen Optimierungen für einen nachhaltigen Betrieb haben nur Erfolg, wenn sie auch von geschulten und pflichtbewussten Mitarbeitern umgesetzt werden.
Welche Einbauten gibt es denn konkret in Deiner Küche, die bereits ökonomisch wegweisend sind?
Das sind schon eine ganze Menge, die in Summe wirklich zu einer enormen Energie-Einsparung führen. Unsere Vorgabe war natürlich, kurze Wege für den Wareneingang und den gesamten Arbeitsablauf zwischen Küche und Service zu schaffen. Zur voll klimatisierten Küche gehört so zum Beispiel auch ein fest installiertes multifunktionales Buffet für Frühstück, Tagungsgeschäft sowie Veranstaltungen am Abend. Das ist wirklich innovative Technik. Hier wurde eine Unterbaukühlung in die Buffetablage installiert, die über die zentrale Anlage läuft. Und ebenfalls eingebaute Induktionsfelder dienen wiederum zum Warmhalten der Speisen.
In die voll klimatisierte Küche haben wir eine abgehängte Lüftungsdecke aus Edelstahl mit einer integrierten UVC-Anlage und LED-Beleuchtung einbauen lassen. Normalerweise verursachen Fettablagerungen in Küchenhauben und Abluftkanälen von Großküchen hohe Reinigungskosten, von den Geruchsbelästigungen und der erhöhten Brandgefahr abgesehen. Die Lüftungsdecke zerstört und neutralisiert die Moleküle von Fetten und Gerüchen mit energiereicher UV-Strahlung. Die Oberfläche der Lüftungsdecke/Küchenabzugshaube wird damit sauber gehalten und die händische Reinigung wird deutlich erleichtert. Das ist auf Dauer auch nachhaltig, denn es bedeutet weniger Wasserverbrauch zwecks Reinigung, weniger Reinigungsmittel im Einsatz und weniger starke Chemikalien. Außerdem sparen wir viel Energie durch die Wärmerückgewinnung in den Lüftungsanlagen.
Wie funktioniert das?
Grundsätzlich funktioniert das Prinzip der Wärmerückgewinnung durch die Übertragung thermischer Energie der Abluft aus dem Innenraum an die zugeführte Frischluft von außen. Oder durch den Übertrag an eine Speichermasse mit anschließender Abgabe an den nachfolgenden Luftstrom. Somit muss weniger Heizenergie aufgebracht werden, um die Temperatur im Innenraum konstant warm oder auch kalt zu halten. Die bei der Kälte-Erzeugung entstehende Abwärme wird zudem gespeichert und kann für andere Prozesse im Gebäude wieder genutzt werden.
Es ist vielleicht ein bisschen ungewöhnlich für eine Profiküche, aber wir kochen auf Induktion. Die Vorteile sind einfach unschlagbar: Schließlich wird dank der magnetischen Nutzung nur dort Wärme erzeugt, wo man diese auch benötigt. Ein weiterer Vorteil liegt in der schnelleren Ankochzeit und der einfachen Reinigung.
Welche weiteren Elemente hat euer Konzept?
Stolz sind wir auch auf unsere Geschirrspüler der neuesten Generation. Das ist komplett computergesteuerte Technologie. Mit geringsten Klarspülwassermengen und einem Energiemanagement ergibt sich ein Spülbetrieb mit einer erstklassigen Ökobilanz und geringeren Betriebskosten. Gleichzeitig haben wir eine Dosieranlage für sämtliche Küchenreiniger, die die Dosierung vorgibt. Und natürlich benutzen wir auch nur biologisch abbaubare Reiniger.
Auch unser Kombidämpfer gehört zur neusten Generation. Im Vergleich zu Geräten aus dem Jahr 2016 benötigt der jetzt rund 18 Prozent weniger Energie. Zudem reinigt sich das Gerät eigenständig und mit phosphatfreien Reinigern. Zusätzlich vereinfachen und verkürzen diese neuen Geräte insgesamt die Kochprozesse, egal, ob fürs À-la-carte-Geschäft, im Frühstücksservice oder in der Produktion.
Für eine absolut niedrige CO2-Bilanz sorgen wir auch mit unserem speziellen Wasserfilter. Wir bereiten unser Wasser damit auf und können so über unsere Schankanlage stilles sowie Sprudelwasser anbieten. Wir haben damit keinen langen Wasser-Lieferwege und weniger Arbeitsaufwand.
Für die meisten Köche ist es selbstverständlich, nachhaltig mit dem Wareneinsatz umzugehen. Was macht ihr eventuell noch ein bisschen anders oder vielleicht sogar besser?
Nachhaltiges Kochen ist doch die Grundlage einer erfolgreichen Küche, die Gewinne erwirtschaften möchte. Bei einer ausgeklügelten Speisekarte fängt es an, geht über den Einkauf bis hin zur vollständigen Verarbeitung der Lebensmittel und hört bei der richtigen Verwertung aller Abfälle auf. Ich halte die Speisekarte bewusst klein und versuche verschiedene Zutaten innerhalb der verschiedenen Gerichte miteinander zu verbinden. Somit ist der Kreislauf der Ware immer frisch. Wir ändern die Karte zwei Mal im Jahr mit Bezug auf Frühjahr/Sommer und Herbst/Winter. Wir erweitern sie dann immer mit einer saisonalen Empfehlung. So sind wir immer aktuell, aber müssen den aufwendigen Prozess des Kartenwechsels nur zwei Mal im Jahr durchführen. Das spart auch Ressourcen. Und ganz selbstverständlich sind in meiner Küche moderne Kochtechniken, wie über Nacht garen, Sous-Vide-Garen oder Niedertemperatur-Garen. Und klar versuchen wir, alle Lebensmittel in der Küche zu verarbeiten und wenig wegzuwerfen, wie altes Brot, Knochen, Abschnitte, Gemüsereste oder Fischgräten.
Wo landen eure Essensreste?
Ganz vermeiden können wir diese nicht, aber wir versuchen, diese absolut zu reduzieren. Unsere Bioabfälle werden von einer Biogasanlage abgeholt. Gesammeltes Altfett wird vergütet und weiterverarbeitet zu Biodiesel. Und wir haben eine strikte Mülltrennung in allen Abteilungen.
Sind eure Lieferanten und Partner ebenso nachhaltig unterwegs?
Ja klar. Wir bekommen Mehrwegkisten für sämtliche Waren, ein geschlossener Kreislauf sozusagen. Styroporkisten wurden größtenteils ersetzt und Plastikverpackung sind fast vollständig verschwunden bei unseren Lieferanten. Und auch in der Abwicklung laufen jetzt Lieferscheine und alle Bestellvorgänge nur noch online. Das spart nicht nur Papier.
In der hoteleigenen Gastronomie habt ihr euch ja auch saisonal und regional auf die Fahne geschrieben. Wie sieht das genau aus und ist das für einen Hotelbetrieb auch realistisch?
Bei dem Durchlauf in einem Hotel unserer Größe wird es immer schwieriger, bei kleineren Produzenten in der Region zu bestellen. Das hängt ab von den Lieferumfängen, Lieferprozessen sowie den hauseigenen Bestellabläufen. Oft ist es auch eine Frage des Preises, der sich nicht auf unsere Gäste umschlagen lässt. Über unseren Gemüsehändler bekommen wir aber einen guten Zugang in die Region. Er arbeitet direkt mit Bauern zusammen und kauft dort saisonale Ware in großen Mengen ein. Auch unser Lieferant fürs Vollsortiment bietet ein gutes Angebot an regionalen Produkten. Direkt arbeiten wir mit einer lokalen Kaffeerösterei, einem ausgezeichneten lokalen Bäcker sowie einer kleinen Nudelmanufaktur zusammen.
Habt ihr Optimierungs-Pläne – falls das noch möglich ist?
Um einen gastronomischen Betrieb wie unseren noch nachhaltiger werden zu lassen, beschäftigen wir uns küchenintern gerade mit zwei Apps. Da wäre zum einen die Klimateller-App, mit der man die CO2-Emissionen der verschiedenen Gerichte errechnen kann. Wenn der Emissionswert eines Gerichts weniger als 50 Prozent des Durchschnitts aufweist, kann man es in seiner Speisekarte mit einem „Klimateller-Label“ auszeichnen. Wir könnten zum Beispiel ein wöchentliches Klimagericht auf unserer Speisekarte integrieren und somit den nachhaltigen Gedanken weiter ausbauen.
Zum anderen beschäftigen wir uns mit der App von Too Good To Go. Diese App hilft dabei, zu viel produziertes Essen zu verwerten. Hier kann man als Betrieb am Tagesende seine übrig gebliebenen Lebensmittel zu einem geringen Preis noch verkaufen. Ein Schritt mehr hin zu einer Welt mit weniger food waste. Ob das für unsere Betriebe umsetzbar ist, wird sich zeigen. Wir finden aber, dass es auf jeden Fall eine gute Idee ist und hoffen, dass sich noch viele Betriebe anschließen.
Wie sehen Eure Ziele nach dem Lockdown aus?
Nach zwei Lockdowns kurz nach der Eröffnung ist das erste Jahr kaum zu bewerten. Unsere ersten Erfahrungen im Sommer haben aber trotzdem gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Darauf möchten wir aufbauen. Im Schwesterhotel Qube Bergheim konnten wir den harten Hotelalltag mit nachhaltiger Arbeitsweise in allen Bereichen schon erfolgreich umsetzen. Jetzt ist die Herausforderung, Neues und Altes zu verbinden und zu perfektionieren. Die Corona-Zeit haben wir im Qube Bergheim genutzt und das Restaurant neu gestaltet. Unsere Gäste werden sich über den veränderten Look freuen. Das neue Hotel in der Bahnstadt wollen wir ganz fest in der Heidelberger Region etablieren und den Namen überregional bekannt machen. Mit einem spannenden Gastronomie-Konzept für Jung und Alt bieten wir eine moderne Wohlfühlatmosphäre nicht nur für Hotelgäste. Für unser gesamtes Team wollen wir weiterhin einen sicheren und spannenden Arbeitsplatz bieten.
Kannst du dein Team in diesen Zeiten bei der Stange halten?
Ohne ein motiviertes, geschultes Team ist eine moderne und nachhaltige Hotellerie nicht umsetzbar. Viele der Mitarbeiter haben unter meiner Führung in unserem Haus gelernt und sind jetzt ein wichtiger Bestandteil für die Zukunft. Ohne die Erfahrung langjähriger Mitarbeiter könnte ich die Herausforderung einer Leitung zweier Küchenprojekte nicht meistern. Lieferanten und Verkäufer sind ein wichtiges Bindeglied in der Branche und gehören für mich persönlich zum Team dazu. Nur mit ständigem Austausch und einem persönlichen Umgang wird es nicht möglich sein, einen nachhaltigen Erfolg zu generieren. Unsere erste Aufgabe wird es sein, unseren Teamspirit wieder aufzubauen und in gewohnte Abläufe reinzukommen. Ich möchte an die gute Zusammenarbeit in allen Bereichen anknüpfen und die schwierigen Zeiten endlich mal hinter uns lassen.
Was würdest du Kollegen raten, die sich nachhaltiger im Betrieb aufstellen wollen? Hast du ein paar effektive Tipps?
Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt, wie wir sie kannten, auf den Kopf gestellt. Zahlreiche Firmen mussten komplett umdenken. Das wird auch die Gastronomie auf lange Sicht verändern. Kollegen, die Veränderungen im Betrieb vornehmen wollen, empfehle ich:
- sich genügend Zeit zu nehmen für diese Aufgabe, denn das bedarf einer ordentlichen Planung,
- neue Technologien/Skills zu erlernen und diese im Alltag auch umzusetzen,
- sinnvolle Investitionen in moderne Küchengeräte nicht zu scheuen. Und das Personal darauf schulen, nur dann ergibt sich ein effektiver Mehrwert,
- beim Thema Nachhaltigkeit immer up to date zu sein,
- das Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei Mitarbeitern und Gästen gleichermaßen zu schärfen
- sich mit seiner Region auseinandersetzen und sich ein Netzwerk schaffen,
- Mitarbeiter für das Thema motivieren und entsprechende Weiterbildung fördern.