Burger, Sandwich und Co.: Es gibt viele Foodkonzepte in Berlin, die von den USA inspiriert sind. Auch „Schlomo’s Bagels“ im Kollwitzkiez gehört dazu. Doch einen echten US-Bagel zu „bauen“, ist eine Kunst – und darum ein Alleinstellungsmerkmal.
Wir sitzen auf den hölzernen Stufen gegenüber dem Tresen. Über uns hängen Collegejacken, auf dem stummen Bildschirm laufen Comics.
Leicht knusprig außen ist er, schön fluffig innen und dank üppigster Belegung mit Fleisch auch gut sättigend, der herzhafte Pastrami-Bagel, den wir uns zum Abschluss unseres Besuchs bei „Schlomo’s Bagels“ gönnen. Er besteht zur Hälfte aus Weizen- und zur Hälfte aus Roggenmehl, der Teig ist mit Gurkensaft verfeinert, was freilich ausgezeichnet zum Pastrami nebst Meerrettich und Pickles passt. Dazu ein Craft Beer.
Nein, wir sitzen nicht in Brooklyn, sondern im Berliner Kollwitzkiez, das Craft Beer kommt aus Friedrichshain und das Pastrami aus der hippen Metzgerei „Kumpel & Keule“ in Kreuzberg. Der Betreiber heißt Nick Kater, von Haus aus – und immer noch – ist er Tätowierer. In New York kam er auf den Bagel-Geschmack kam, genau ein Jahr minus einen Tag ist der Laden zum Besuchszeitpunkt alt beziehungsweise jung.
„Die Immobilie ist mir mehr oder weniger kurzfristig in die Hände gefallen“, erklärt Kater. Die ehemals zwei separaten Räume hat er zusammengelegt, man nutzt sie augenscheinlich maximaleffizient – statt weniger Tische im vorderen Bereich hat man, das kennt man auch aus anderen Berliner Locations, Sitzstufen installiert, die mehr Gästen Platz bieten.
Im hinteren Bereich befindet sich links die Küche. Rechts geht es eine steile Treppe hinauf zu weiteren Sitzplätzen, durch alte, schräg verbaute Fenster blickt man in die Küche hinab. „Die stammen aus meiner Wohnung“, erklärt der Betreiber. Das Holz für die Sitzgelegenheiten kommt von alten Kirchenbänken aus Potsdam, die große Grünpflanze stand zum Mitnehmen auf der Straße. Echtes Upcycling.
Bagels machen: „krasse Wissenschaft“
„Bagels sind eine krasse Wissenschaft, für die du einige Jahre Expertise brauchst“, erklärt Kater. Zeit, die aufgrund der kurzfristigen Option, die Fläche anzumieten, nicht vorhanden war. „Ich habe darin aber kein Problem gesehen. Es gibt ja schließlich auch Burgerladen, die ihre Buns nicht selber backen.“
Zunächst bezog man das Produkt, man experimentierte auch mit dem Bagelkochen- und backen – doch mit keinem zufrieden stellenden Ergebnis. Dann stand eines Tages Eddie in der Tür. Eddie hat das Bagelmachen in einer Bäckerei in Grand Rapids, Michigan, drei Jahre lang von der Pike auf gelernt, dann ging es nach Berlin: „Ich kam hier rein, sah die Küche und dachte: Viel zu klein. Die haben keinen Job für mich.“
Hatten sie doch, denn man fand eine Lösung: Die Bagels werden ausschließlich von Hand gerollt. Eine Rollmaschine, wie sie in vielen Bagel-Manufakturen im Einsatz ist, gibt es hier nicht – würde auch gar nicht reinpassen. „Wenn man weniger als 2.000 Stück am Tag herstellt, braucht man keine Maschine“, findet Eddie und bringt es per manus auf sage und schreibe 19 Stück pro Minute. Völlig ausreichend für aktuelle Kapazitäten.
„Als ich nach Deutschland kam, fand ich, dass Bagel hier nicht gut schmecken“, erinnert sich Eddie, um dann ernüchtert festzustellen: „Meine Bagels schmecken in Deutschland auch nicht“. Grund ist der Weizen, der in Europa ein wenig anders konstituiert ist als in Amerika – auch wenn laut Verpackungsangabe der Aschegehalt, also die Mineralstoffmenge, gleich hoch ist. Same but different.
Es habe einige Wochen gedauert, bis das Ergebnis zufriedenstellend gewesen sei, wird uns erklärt. Und auch jetzt, wo sich alles eingespielt bzw. eingerollt hat: Ein Standardverfahren gibt es nicht. Hefe, die kleine Diva, reagiert empfindlich auf Hitze, Kälte und Feuchtigkeit. Mit dem Effekt, dass ein Teig schnell zu dicht wird oder in sich zusammenfällt. Es braucht daher optimale, ausgeglichene Parameter, sodass dem Teig zum Beispiel – was nun passiert – per Wasser aus der Sprühflasche nachgeholfen wird, wenn die Luft zu trocken ist.
Malzextrakt von Superfreunden
Ein Bagel in New Yorker Tradition benötigt zudem Malzextrakt. Er versiegelt den Teig und sorgt für Knusprigkeit. Nur wird Malzextrakt in der Bagel-Diaspora Mitteleuropas fast ausschließlich tonnenweise verkauft, Abnehmer sind nämlich hauptsächlich Brauereien, die Gebinde sind viel zu groß für den „Schlomo’s“-Bedarf. „Zum Glück haben wir Freunde, die eine Brauerei haben“, so Nick. Superfreunde sind es sogar – denn so heißt die Brauerei in Friedrichshain, deren ausgezeichnetes „Till Death“, Typus Altbier, wir jetzt zum Pastrami-Bagel genießen.
Wir probieren auch einen Happen vom hausgebeizten Lachs – klasse, vormerken für den nächsten Besuch – und blicken in die Karte: Da gibt es ferner Kreationen mit Hummus, mit Thunfischsalat, mit Huevos Rancheros, mit Seitan-Wurst oder mit „a Schmear“, Aufstrichen von Frischkäse bis Nuss-Nougat-Creme zum Einstiegspreis von 2,80 Euro. Wer sich daheim mit Bagels verwöhnen will, nimmt das halbe Dutzend für moderate acht oder das volle Dutzend für 15 Euro mit. Eine runde Sache.
Schlomo’s Bagels
Kollwitzstraße 44
10405 Berlin
www.schlomos.com
Editierte Version des in Gastrotel 6/2017 erschienenen Beitrags.