Seawater Cubes: Fisch vom Land für die Gastronomie

Lösung für die hohe Nachfrage an Meeresfisch?

von Antje Urban
SEAWATER Cubes Gruender - gastronomie, food-nomyblog Seawater Cubes: Fisch vom Land für die Gastronomie

Das Gründer*innen-Trio von Seawater Cubes. Alle Fotos: Unternehmen

Weltweit gehen die kommerziell genutzten Fischbestände zurück. Eine Alternative zum Meeresfisch sollen Fischzuchtanlagen fernab der Meere sein. Die Saarbrücker Seawater Cubes GmbH, gegründet 2018, setzt auf  vollautomatisierte Fischzucht im Container. Um das Produkt zur Serienreife zu entwickeln, wurde neues Kapital aufgenommen. Investiert haben auch Gastronomen aus Heidelberg.

Derzeit isst jede*r Deutsche über 14 Kilogramm Fisch pro Jahr. Das ist das Dreifache von dem, was noch in den 1950er-Jahren gegessen wurde. Die Europäische Union gilt als der größte Fischimporteur weltweit. Das Angebot jedoch sinkt kontinuierlich. In Mecklenburg-Vorpommern geben immer mehr Küstenfischer auf, weil die Hering- und Dorschbestände zu gering sind.

In der Nordsee ist der Kabeljau auf ähnlich schlechtem Stand. Für Greenpeace, den WWF und den BUND stehen die Ozeane weltweit kurz vor dem Kollaps. „90 Prozent der kommerziell genutzten Fischbestände sind bereits bis an die Grenze genutzt oder überfischt“, sagt Thilo Maack, Meeresbiologe bei Greenpeace. Gleichzeitig sind rund 1,5 Milliarden Menschen in den unterentwickelten Ländern sind auf Fisch angewiesen. 

Fakt ist: Je weniger Fisch in den Meeren zu finden ist, umso größer wird der Aufwand der industriellen Fischerei. Immer größere Schiffe, größere Netze und genauere Ortungstechniken werden nötig. Dabei verändert der intensive Fischfang auch die Evolution, wie es im World Ocean Review 2020 heißt. Wenn vorwiegend die großen Fische gefangen werden, pflanzen sich kleinere Fische fort, die aber weniger Eier produzieren und deren Sterblichkeit höher ist. Wie Modellrechnungen zeigen, dauert es Jahrhunderte, bis sich der Effekt der sogenannten fischereiinduzierten Evolution wieder umkehrt – selbst wenn man die Fischerei stoppen würde. 

Aquakulturen im Meer sind ein Umweltproblem

Als Heilsbringer galt die letzten Jahre Fisch aus Aquakulturen. Mittlerweile stammen etwa die Hälfte aller Fische, Krebse und Muscheln auf dem Weltmarkt aus einem Aquakulturbetrieb. Was anfangs als Lösung gegen die Überfischung gesehen wurde, ist heute ein Umweltproblem: Die offenen Netzfarmen – zum Beispiel bei den Lachskulturen in den norwegischen Fjorden – halten meist unnatürlich große Populationen. Die Ausscheidungen der Fische ebenso wie das meist eingesetzte Antibiotika belasten die umgebenden Ökosysteme. 

Geschlossene Kreisläufe in Containern

Dass der Hunger nach Fisch nachlässt, ist unwahrscheinlich. Stattdessen braucht es neue Konzepte, um diesen Hunger weniger schädlich für die Meere stillen zu können. Das Saarbrücker Unternehmen Seawater Cubes hat es sich zum Ziel gesetzt, Meeresfische nachhaltig an Land zu züchten. Mit ihrem System gehört es zweifelsfrei zu den Vorreitern im Bereich der marinen, landbasierten Fischzucht. Mithilfe von Zuchtanlagen in Containern werden kontrolliert Meeresfische gezüchtet. Das geschlossene Kreislaufsystem hat keinerlei Wechselwirkung mit der Umwelt. Negative Einflüsse durch Verschmutzungen oder meteorologische Ereignisse sind damit ausgeschlossen. 

SEAWATER Cube outside - gastronomie, food-nomyblog Seawater Cubes: Fisch vom Land für die Gastronomie

SEAWATER Cube inside - gastronomie, food-nomyblog Seawater Cubes: Fisch vom Land für die Gastronomie„Stattdessen ist die Herkunft und die Qualität des Fisches verlässlich. Keine Medikamente, keine gestressten Fische und aufgrund von klarem Wasser kein modriger Geschmack“, sagt Carolin Ackermann. Zusammen mit zwei Kommilitonen, Christian Steinbach und Kai Wagner, hat sie das System an der Hochschule für Technik und Wissenschaft des Saarlandes entwickelt. Der Prototyp wurde mit dem Exist-Forschungstransfer gefördert – einem Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und des Europäischen Sozialfonds. 

Gastronomen bestellen mit Sonderkonditionen

Seit 2019 stehen in Saarbrücken drei Schiffscontainer, in denen Wolfsbarsche gezüchtet werden, ein Jahr später begann man mit der Vermarktung. Mit aktuell fünf Tonnen Fisch pro Jahr noch in überschaubaren Mengen. „Im Moment herrscht mehr Nachfrage als Angebot. Manche Anfragen müssen wir absagen“, erklärt Ackermann. Doch die Gründer*innen von Seawater Cubes wollen nicht nur ihren eigenen produzierten Fisch vermarkten, sondern das Konzept bundesweit als Franchise-System verkaufen: „Das Interesse ist groß, aber weniger bei Gastronomen als bei Investoren und Landwirten.“ Im Moment bestellen Köche und Gastronomen den Fisch direkt bei den Gründern zu besonderen Konditionen. Das Kilogramm Wolfsbarsch gibt es für 20 Euro, Endkunden zahlen rund 30 Euro für das Kilo. Doch das Ziel sei, auch Gastronom*innen als Franchisenehmer*innen zu gewinnen. 

„Der Fisch schmeckt nach Meer, obwohl er nie im Meer war“ 

Nicht nur als Franchisepartner, sondern auch als Investor konnte die Heidelberger Bliss Group gewonnen werden. Die Gastronomen Daniel Marquardt, Sven Günther, Swen Schmidt und Jens Schmidt besitzen in Heidelberg und Region verschiedene Restaurants. Darunter das Pop-up-Konzept Stories sowie das Restaurant NEO, das sich auf hochwertiges Fleisch, Sushi und Fisch spezialisiert hat. Noch in diesem Jahr soll Heidelberg der erste Pilotstandort für zwei bis vier Seawater Cubes werden. Pro Fischart ist ein Cube geplant und neben Wolfsbarsch sei auch Dorade oder Red Snapper denkbar: „Sobald wir die Baugenehmigungen haben, geht es los“, so Co-Geschäftsführer Swen Schmidt. „Die Qualität des Fisches hat uns komplett überzeugt. Der Fisch schmeckt nach Meer, obwohl er nie im Meer war.“ 

SEAWATER Wolfsbarsche - gastronomie, food-nomyblog Seawater Cubes: Fisch vom Land für die Gastronomie

1 124 - gastronomie, food-nomyblog Seawater Cubes: Fisch vom Land für die GastronomieSeit einem Jahr wird der Wolfsbarsch bereits im NEO angeboten. Bis die eigenen Cubes Fisch abwerfen werden, dauert es allerdings mindestens ein Jahr. Schmidt: „Wir wollen dann rund 20 Prozent in unseren eigenen Restaurants verbrauchen und der Rest wird in den freien Verkauf gegeben.“

Bestellt wird laut Carolin Ackermann auch der Fisch in Heidelberg dann über den Shop von Seawater Cubes, aber direkt vor Ort abgeholt. Für Heidelberg sei laut Ackermann ebenfalls das From-Nose-to-Tail-Konzept geplant, das sie schon im Saarland mit einem Koch zusammen praktizieren. Das heißt: Nicht verkaufte Fische oder übrig gebliebene Karkassen werden verarbeitet und als Fonds oder andere Fischprodukte verkauft. 

Nachhaltigkeit steht im Fokus

Die jungen Gründer planen in den nächsten fünf Jahren bundesweit 120 Cubes aufzubauen. Weitere Standorte in Nordrhein-Westfalen und Bayern sind zur Zeit in der Verhandlung. Dabei kümmert sich Seawater stets um die Technik, Fütterung und Wartung. Der Partner vor Ort um den Verkauf. Im Moment werden die Jungfische aus dem Ausland importiert: „Aber wir planen auch langfristig eigene Brutanstalten mit Setzlingen“, erklärt Carolin Ackermann. 

Angesprochen auf die Nachhaltigkeit verweist sie auf die geringen Parameter beim Wasser- und Stromverbrauch. „Und lange Transportwege fallen weg. Wir fischen nur frisch, was bestellt wurde. Wir haben den Anspruch, die Fischzucht so ressourcenschonend und tiergerecht wie möglich zu gestalten.“ 

Bedenklich ist allerdings die Tatsache, dass der Meeresfisch mit Fischmehl gefüttert werden muss, was weiterhin den Druck auf frei lebende Fischbestände erhöht. „Mit einem Futterkoeffizient von 1,2 haben wir mit den besten Wert, den es in der Branche gibt“, erklärt Ackermann. Das heißt: Damit ihre Tiere 1 Kilo Fleisch ansetzen, brauchen sie 1,2 Kilo Futter. „An dem Thema Futter bleiben wir dran und bahnen gerade Forschungsmittel dafür an. Aber als kleines Start-up können wir natürlich nicht von Anfang an die komplette Wertschöpfungskette selbst abdecken.“ Wahrscheinlich wird es spätestens dafür eine neue Finanzierungsrunde geben müssen.

 

Weiterlesen:

KOMMENTIEREN

* Durch die Verwendung dieses Formulars stimmen Sie der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website zu.