Wie alle zwei Jahre öffnet sich die französische Botschaft in Berlin am kommenden Montag, den 4. November, für La Paulée, eine Weinverkostung, die „entspannt ist und zugleich Klasse hat”, wie deren Initiator, Sebastien Visentin, unterstreicht. In unserem Gespräch erklärt er, wie dort französischer Wein erlebbar wird.
Mit Weine Visentin versorgen Sie die gehobene Gastronomie in Deutschland mit französischem Wein, außerdem verfügst du über zwei Läden in Berlin und Hamburg. Wie passt da La Paulée rein?
Wir haben vor 22 Jahren angefangen, exklusive französische Weine zu importieren. Wenn man etwas aufgebaut hat, ist es gut, sich auch zu präsentieren. Wenn man die Weine hat, sollte man sie zeigen. Für Fachkunden gibt es viele Verkostungen, für Privatkunden nur wenige im High-End-Segment – und noch weniger, die sich auf französische Weine konzentrieren.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, La Paulée zu veranstalten?
Wir wollen die Vielfalt der französischen Terroirs präsentieren. 2012 habe ich eine Veranstaltung für einen französischen Weinverband durchgeführt, die Union des Gens de Métier, da sind Spitzenwinzer wie Le Rulox, Selosse, Trevalon, Olivier Julien oder Tampier dabei, aber es gehört auch ein Bäcker dazu, weil es nur um Produkte geht, die fermentiert werden. Für die habe ich 2012 eine Großveranstaltung organisiert, zu der 400 Leute kamen. Da dachte ich: Mit 400 Gästen können wir auch eine Veranstaltung für uns organisieren.
Warum nur alle zwei Jahre?
Man sollte so eine Veranstaltung regelmäßig, aber nicht zu oft machen. Das Interesse der Winzer ist groß, in den letzten Jahren hatten wir 62 Winzer da, nun sind es 78. Die Winzer kommen gerne nach Berlin, und wir machen auch viel für sie. Die Verkostung findet am Montag statt, das Programm für die Winzer beginnt aber schon Sonntagmorgen.
Wie nehmen Sie die Winzer in Empfang?
Ein Freund, ein ehemaliger Schauspieler, macht eine dreistündige Berlin-Tour mit ihnen. Freunde von der Berliner Philharmonie, die Wein lieben, geben nach einer Besichtigung ihres Hauses ein Konzert von einem klassischen Quintett. Zum Schluss kocht ein Freund ein großes Buffet für die 120 Leute in der Villa Neukölln, einem ehemaligen Kino. Das ist durch und durch Berlin und das soll so sein. Das Abendessen am Montag findet im Grill Royal statt.
Sie haben bei La Paulée wahrscheinlich die seltene Gelegenheit, einen großen Teil ihres Katalogs gleichzeitig zu verkosten.
Am 4. November probiere ich keinen einzigen Wein. Da konzentriere ich mich auf die Menschen.
Sie trinken keinen Tropfen?
Ich könnte mir Zeit dafür nehmen, aber mir fehlt die Entspannung. Ich habe dann nicht die Ruhe zu begreifen, was ich probiere. An dem Tag bin ich Gastgeber. Es kommen 130 Winzer von 72 Domaines, ich brauche die beiden Tage, um alle zu begrüßen.
Wie halten Sie sonst mit den Winzern Kontakt?
Ich besuche jeden Winzer einmal im Jahr. Wir sind nicht primär Weinhändler, wir sind Importeure. Wir haben keine schriftlichen Verträge, sondern mündliche Abmachungen, die auf gegenseitigem Vertrauen basieren. Die Vermarktung von Jacquesson oder Christian Moreau zu übernehmen, das macht man nicht mit einer E-Mail oder einem kurzen Telefonat. Da muss man vor Ort sein und probieren und dann auch nochmal probieren. Die Beziehung, die so entsteht, ist sehr persönlich, ich besuche jeden Weinberg, ich bleibe meistens zum Abendessen. Da sind viele enge Freundschaften entstanden.
Wenn Sie auf die Auswahl von Weinen schauen, was drückt sie aus?
Zunächst Qualität, zweitens Frankreich. Bei mindestens der Hälfte der Häuser gibt es nichts Vergleichbares. Bei La Paulée kann man einen signifikanten Teil der besten Winzer Frankreichs probieren. Und ganz viel Spaß haben. Ich bin der einzige dort mit einer Krawatte – zusammen mit dem Botschafter. Da herrscht eine super Stimmung, es ist entspannt und hat trotzdem Klasse. Da treffen Profis, Sommeliers etwa, auf Konsumenten, auch auf die Gäste der Restaurants, in denen unsere Weine ausgeschenkt werden.
Was macht für Sie einen guten Weinmacher aus?
Qualität ist ein kleines Wort, das viel enthält. Es geht auch um den Respekt, mit dem Weinmacher mit der Natur umgehen, egal, ob der Wein nicht-bio, bio oder biodynamisch ist. Vorrangig ist die Qualität verbunden mit dem Klima und dem Terroir, dem Ort, von dem der Wein stammt. Wenn ich einen Marmandais oder, bekannter, einen Charmes-Chambertin trinke, dann will ich nicht das Gefühl haben, einen Nuits-Saint-Georges oder Romanée im Glas zu haben. Das sind natürlich Extreme. Aber wenn der Winzer seine Weinberge im Saint-Émilion, Irouléguy oder Jurançon hat, dann möchte ich das Charakteristische dieser Region, von Rebsorte, Klima und Region, im Glas haben.
Wie bauen Sie mit den Winzern persönlich Kontakt auf?
Da gibt es den Faktor Mensch, es muss fließen. Es ist nicht gut, mit jemandem zusammenzuarbeiten, den man nicht mag. Aber in der Regel ist das kein Thema, denn wenn der Wein gut schmeckt, hat der Winzer meist eine Philosophie, die zu uns passt. Das beruht dann auf Gegenseitigkeit, der Winzer sucht sich natürlich auch jemanden aus. Ein Jean-Marc Roulot ist genauso ein Mensch wie ein Winzer aus einer Gegend, die unbekannt ist.
Wie sind Sie aufgestellt als Firma?
Wir sind ein Familienbetrieb, wir haben vier Leute im Innendienst und vier Leute im Außendienst. 80 Prozent unseres Geschäfts machen wir mit der Gastronomie und Fachhändlern. Die Gastronomie steht an erster Stelle, wir beliefern viele Restaurants in Deutschland. Wir haben zwei Läden, in Berlin und in Hamburg. Da präsentieren wir uns den Endkunden. Wir suchen uns Winzer, die unsere Größe haben, nicht Weinproduzenten, die Millionen von Flaschen produzieren. Es gibt auch kaum Winzer, die in der höchsten Qualität und Quantität produzieren, Dom Perignon ist eine der Ausnahmen. In der Spitze der Pyramide gibt es nur wenige Winzer und wenige Menschen, die diese Weine lieben, das passt zusammen. Unser Programm ist eine Sammlung solcher Winzer.
Als letztes Thema: Wie arbeiten Sie mit den Restaurants zusammen?
Ich habe als Sommelier angefangen. Ich komme aus Toulouse, dort habe ich 1991 die Sommelier-Schule abgeschlossen, danach begann ich sofort in einem Drei-Sterne-Restaurant zu arbeiten, bei Jean-Claude Bourgueil im „Im Schiffchen“. Was ich damit sagen will: Meine Wurzeln liegen in der Gastronomie. Unser ganzer Betrieb, unsere Logistik ist auf die Gastronomie ausgerichtet.
Haben Sie damals schon Weine selbst importiert?
Wenn wir für die Karte einen Puligny-Montrachet oder einen Brunello di Montalcino benötigten, haben wir jeden Mittwoch drei, vier Stunden Weine verkostet. Die Karte war wirklich hochwertig. Aber wenn du Wein selbst importierst, dann hast du eine Palette von einem Wein im Keller, das macht keinen Sinn. Es geht darum, die Gastronomie schnell zu beliefern, mit vielen verschiedenen Weinen.
Was hat damals gefehlt?
Es gab damals keinen Importeur, der sich ausschließlich auf französische Weine konzentriert hat, französischer Wein war unterrepräsentiert. Die Lieferanten bieten das an, was die Leute haben wollen, das war damals deutscher Wein. Bei uns läuft das anders.
Wie haben Sie die Leute dazu gebracht, sich zu öffnen?
Damals hörte ich: In München wirst du keine französischen Weine verkaufen. Ich dachte: Um so besser, wenn das niemand anderes macht. Am Ende war das ein Erfolg, aber ich musste erstmal das Programm aufbauen, eben weil es die Nachfrage noch nicht gab.
Wie sieht das typische Restaurant aus, das ihr beliefert?
In Berlin sind das das Grill Royal oder die Brasserie Lamazère am Stuttgarter Platz. In unserer ersten Dekade waren es die Lokale mit zwei oder drei Michelin-Sternen, Tim Raue, das Hotel Adlon oder das Facil. Dann haben wir gesehen, dass das Interesse an Wein in der Mittelklasse-Gastronomie zugenommen hat, deshalb sind wir auch dort in ganz Deutschland aktiv. Wir warten nicht, bis ein Wein nachgefragt wird, um ihn zu importieren. Cabernet Franc von der Loire ist zum Beispiel, was die Gäste in unseren Restaurants trinken wollen, von dem sie aber nicht wissen, dass so ein Wein existiert. Journalisten sind dabei wichtig, unter anderem vom Meininger Verlag oder Falstaff.
Was macht einen solchen Wein aus?
Das sind Weine mit 12% oder 13% Alkohol, mit wenig Histamin, die ausgewogen und frisch sind. Du willst eine Flasche Rotwein mit einer Speise trinken und dann ist die Flasche leer, wenn das Gericht gegessen ist. Man fühlt sich wohl und hast fast Lust, noch eine Flasche zu trinken. Aber niemand traut sich, Cabernet Franc aus der Loire auf die Karte zu nehmen oder Chinon oder Saumur Champigny zu verkaufen. Wo ist da die Nachfrage? Wie soll man da anfangen?
Wie vermitteln Sie das?
Durch sehr gute Sommeliers, Stéphane Gass oder Raphael Reichardt zum Beispiel. Die sind interessiert, die wissen, das passt zu einer besonderen Speise. Wenn wir einen Wein finden, der absolut unbekannt ist, der aber perfekt zu einem Gericht passt, dann entscheidet die Speiseharmonie und nicht nur die Bekanntheit. Dann geben wir das weiter an die Presse. Wir haben auch keine Investoren, wir haben das selbst aufgebaut. Uns kommt es auf Feinheiten an, nicht auf Größe.
Vielen Dank für das Gespräch!
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