Mit ihrem „Yafo“ bietet sie den Berlinern frische israelische Küche und jede Menge Lebensfreude, ihr „Shishi“ nimmt mit auf eine romantische Reise. Weitere Projekte sind in Planung. Bühne frei für Shani Ahiel.
„Ich liebe Menschen und Gastgeberin zu sein. Ich merke sofort, ob du gerade ein Gespräch willst, eine zusätzliche Serviette brauchst, Infos über den Wein oder auch, ob du einfach an der Bar sitzen und deine Ruhe haben möchtest. Ich liebe es einfach!“ Sagt Shani Ahiel und strahlt. So aus dem Herzen heraus, dass man am liebsten das Aufnahmegerät ausmachen und sich gleich hier im Shishi an ihren Tisch setzen möchte, um einfach Gast zu sein, keine weiteren Fragen. Doch wir wollen ja wissen: Wie ist das alles entstanden, ihr „Yafo“ in Mitte, ihr „Shishi“ in Kreuzberg? Wie kam sie in die Gastronomie, und was brachte die Israeli nach Berlin?
Flucht vor dem Krieg
Ein ziemlich rebellischer Charakter sei sie als junge Frau gewesen, erzählt uns Shani. Sie und das „Nanuchka“ in Tel Aviv, ein legendärer (und mittlerweile geschlossener) Mix aus georgischem Restaurant und wilder Partybar, passten da einfach perfekt zusammen. Zehn Jahre war sie dort die Gastgeberin. Doch 2014 entflammte der Nahostkonflikt von Neuem: Die palästinensische Hamas schoss Raketen auf die Stadt, Israel reagierte mit einer Militäroperation. Shani floh vor dem Krieg nach Berlin – um sich dort, just angekommen, vor dem Krachen und Knallen in der Stadt gleich hinter einem Bartresen zu verstecken. Es war der 13. Juli 2014, Deutschland war soeben Fußball-Weltmeister geworden und die Berliner verballerten vor Freude ihr vom letzten Silvesterböller-Einkauf reichlichst gebunkertes Feuerwerk. „Keine Angst, du bist sicher“, hätten ihr ihre Freunde dann gesagt, erzählt sie lächelnd.
Doch die Kriegserfahrungen ihrer Heimat hatten sie völlig desillusioniert: „Ich hatte absolut keinen Plan, was ich tun soll.“ In Berlin wollte sie erst einmal runterkommen, feiern, einen Deutschkurs machen. Doch dass die Hauptstädter ihrer Meinung nach so wenig Wert auf gutes Essen legen, das war ihr schon bei einem Besuch zuvor aufgefallen – und auch beim Thema Gastfreundlichkeit sah sie jede Menge Luft nach oben: „Ich habe mich hier immer gefragt: Warum ziehe ich mein bestes Outfit an, will das Leben feiern und mich gut fühlen, und dann sitze ich in einer Bar und bekomme ein Nein? Nein, ein Gin Tonic mit Gurke und nicht mit Minze, das geht nicht? Soll ich mich dafür etwa schämen?“
Jetzt kommt sie in Schwung: „Wenn du Menschen nicht liebst, dann arbeitest du nicht in der Gastronomie! Als Gastgeberin habe ich das Privileg, Menschen zu dienen. Du wählst mich aus allen Restaurants der Stadt aus? Wow. Danke! Du bekommst meine beste Performance, ein Lächeln schon beim Hereinkommen und niemals ein Nein.“ Wie kann jemand, der das sagt, nicht aus tiefster Überzeugung heraus zeigen wollen, wie es besser geht?
Der Yafo-Vibe
Und so dauerte es dann nicht allzu lange, bis sie erst wieder in der Gastronomie anfing und dann den Weg in die Selbständigkeit ging: 2016 eröffnete Shani Ahiel das Yafo in der Gormannstraße, die von der hippen Torstraße abgeht. Es habe eine ganze Weile gedauert, bis die Leute den eigentlich so kurzen Weg herüber fanden, erinnert sie sich.
Anfangs stand sie oft fast allein in ihrem sich langsam füllenden Bar-Restaurant, wischte nach Feierabend den Boden selbst und verdiente an den Schließungstagen als Aushilfe in einer anderen Gastronomie Geld. Geld, das sie wieder in den Laden investieren konnte, der bei der Übernahme weder Küche noch Bar hatte – alles wurde Marke Eigenbau von Grund auf errichtet und hat bis heute diesen Charme, Eyecatcher sind die im Fenster stehenden alten Kinostühle. An den Wänden hängen Familienfotos – unter anderem Bilder der Großmutter, ihrem großen Vorbild, sie ist biblische 108 Jahre alt. „Sie lacht immer“, erzählt Shani und blickt auf die „Yafo“-Anfänge zurück: „Ich habe gedacht: Wenn ich das jetzt bis zum Ende meines Lebens mache, dann bin ich glücklich“, sagt Shani und man nimmt es ihr sofort ab.
Die Leidenschaft ist deutlich spürbar – und sie hat sich ausgezahlt: Denn der Laden lief bald immer besser. Heute besuchen rund 200 Gäste das „Yafo“ im Schnitt pro Tag und Nacht. Der Mix aus belebter Bar nicht nur am Wochenende und frischer Küche aus ihrer Heimat wird sehr geliebt. Wer den Vibe verstehen will, bestellt sich abends an der Bar sitzend einen Teller „Yafo über alles“. Der heißt wirklich so, Hummus mit gegrilltem Blumenkohl, scharfem Matbucha, würzigem Schug und cremiger Tahini, superlecker. Dazu einen der kräftigen Drinks. That’s life.
Mediterran mit Zutaten aus Brandenburg
2018 eröffnete sie ihr zweites Restaurant, das „Shishi“ in einem großen Hinterhof in der Ritterstraße, das zuvor die „Vabrique“ war. Es hat ein ganz anderes Flair als der Vorgänger und auch als das „Yafo“: Hier geht es gediegener zu, geradezu romantisch ist’s mit seinen Vorhängen, den Rosé- und Weinrotfarben, dem Kerzenlicht am Abend. Das stimmungsvolle, feminine Interiour Design schuf der israelische Designer Idan Gilony.
Das Konzept hatte Shani in einem Asienurlaub skizziert, mit Gedichten, Fotos, Stills aus dem Filmklassiker „In The Mood For Love“ und eigenen Gedanken. Sie zeigt uns das Dokument, das sich als ihr Businessplan entpuppen sollte, auf dem Smartphone: wie ein alteingesessener Ort wie in Tel Aviv, ein versteckter Salon, eine andere Welt, sollte es sein, klassisch und modern zugleich. Und 80 Quadratmeter groß. Das alles, inklusive der Größe, trifft exakt auf das „Shishi“ zu. Hier servieren Shani Ahiel und ihr Küchenchef in beiden Betrieben, Eylon Farber, mediterran-israelische Speisen, zubereitet vornehmlich mit Zutaten aus Brandenburg. Dafür hat man sich ein Netzwerk aus regionalen Lieferanten aufgebaut. Ausgewählte Naturweine bilden den „flüssigen“ Schwerpunkt. Das passt perfekt in den kulinarischen Berliner Zeitgeist.
„Frauen sind die besseren Gastronomen“
Fast 60 Mitarbeiter beschäftigt die Unternehmerin mittlerweile in zwei Gastronomien, Catering bietet sie auch an. Und wenn sie bald auch noch ihr Delikonzept mit handwerklicher Feinkost eröffnet, dann wird die Zahl der Mitarbeiter weiter steigen. Die viel zitierten Personalprobleme hat sie nach eigenem Bekunden nicht. Woran liegt’s? Shani überlegt kurz. „Ich biete die Chance zu wachsen. Bei uns können die Leute ihren eigenen Charakter ausleben. Niemand muss ein Kostüm anziehen und sich verstellen. Bring your own style!“
An Berlin schätzt sie, dass sie als Betreiberin voll akzeptiert wird. Auch wenn immer wieder mal jemand nach „dem Chef“ fragt. „Es ist hier ausgeglichener als in Tel Aviv“, findet sie. Und doch gibt es noch viel zu wenig Gastro-Gründerinnen, das findet sie auch. Dabei seien Frauen die besseren Gastronomen: „Frauen sind sensibler, mehr mit ihren Sinnen verbunden, mit ihrem Herz. Und sie geben sich mehr Mühe. Also traut euch, just do it!“
Hinweis: Dieses Portrait erschien zuerst in fizzz 4/2020, vor Corona. Mittlerweile ist das „Yafo“ umgezogen und hat im Hotel Amano eine temporäre neue Bleibe gefunden.
www.yafoberlin.com
www.shishiberlin.de