Der Salat, den sich Christian Kerecsenyi zum Lunch bestellt hat, sieht super aus. Aber es gibt kein Dressing dazu, auch Öl und Essig stehen nicht auf dem Tisch. Kurzer Blick gen Tresen, soll man nachfragen, dann blickt er mich an und strahlt: Ich habe doch alles dabei! Tasche auf, Flaschen raus, Deckel aufgedreht und – tja, besser kann man seine Produkte ja kaum präsentieren. Als wäre es geplant gewesen, war es aber nicht, die Wahl auf das Restaurant fiel spontan.
So kann der nomyblogger direkt und „in vivo“ verkosten, wie Christian Kerecsenyis Produkte schmecken. Der junge Mann aus München (Wahlheimat) macht in Olivenöl und Essig aus Spanien, und das seit knapp sieben Jahren. „Schuld“ daran ist die spanische Großmutter seiner Frau und Geschäftspartnerin Laura – von der bekam er noch zu Studienzeiten fünf Liter Olivenöl aus ihrer Heimat im spanischen Hochland geschenkt. „Es war der Hammer“, erinnert Christian sich. Und zwar dermaßen, dass die Master- und anderen Zukunftspläne erst einmal in seinen Keller wanderten. Dort wurden 1.000 Liter des Olivenöls von der Kooperative aus Blancafort, wo die Oma lebt, von Hand abgefüllt. Nicht so ganz verordnungskonform anfangs, dafür echter Startup-Style: Art of Oil war geboren.
Schon bald stellte sich heraus, dass die kleine Kooperative nicht hinreichend Rohstoff liefern kann – mit dem nahe Toledo ansässigen Olivenbauern und Plantagenbesitzer Rufino wurde eine bis heute währende Lösung gefunden. „Es ist eine echte Freundschaft zwischen uns entstanden, er verkauft unser Produkt mittlerweile sogar selbst in Spanien“, berichtet der Food-Gründer.
Im Fokus: die Gastronomie
Neben dem klassischen, milden Olivenöl „Art of Oil Original“, das aus der Arbquina-Olive gewonnen wird, gibt es heute auch die Sorte „Strong“, gepresst aus der Picual-Olive, die kräftig-intensiv ist. Hinzu kommen diverse mit Extrakten von Kräutern, Zitrusfrüchten oder Schoten veredelte Geschmacksrichtungen – neueste Varianten sind „Sage“ und „Fried Onion“, sie entstehen in Zusammenarbeit mit Christians Schwester, die Lebensmitteltechnikerin ist. Rund macht das derzeit acht Sorten Öle umfassende Sortiment ein Balsamico-Essig (ohne Zucker übrigens), das ebenso wie alle Öle 100% Bio-Qualität hat.
Der vertriebliche Fokus liegt auf der Gastronomie, wenngleich die Produkte auch für Endkonsumenten im Shop sowie in Bio-Supermärkten erhältlich sind. Anfangs stellte sich der Gründer noch auf diverse Genussmessen, stellte aber alsbald fest: Es bringt nicht wirklich was. „Man dreht eigentlich nur Geld um“, so Kerecsenyis. Durch einen Bekannten gelangte er dann an die Gastro Vision in Hamburg, er präsentierte dort 2013 seine Öle und die stießen schnell aufs Interesse der Branche. Heute nutzen unter anderem das „The Ritz-Carlton“ in Wolfsburg, das „Restaurant 181“ im Münchner Olympiaturm und das „Scandic Hotel“ in Berlin seine Produkte.
Dicke Sohle, Huckepack
Überhaupt: Vertrieb und Marketing, als junges Food-Unternehmen, in einem kleinteiligen und zugleich gesättigten Markt namens Gastronomie, wie geht das? „Mit Fleiß. Schnapp‘ dir Schuhe mit einer dicken Sohle und lauf rum“, kommt Kerecsenyis pragmatische Antwort zurück. Und: sich Huckepack nehmen lassen. „Von Größeren, die Interesse an dir haben, die dich höher bringen können.“ Oder clevere Kooperationen: Kunden, die bei Geile Weile bestellten, bekamen eine Zeitlang Öl als Add-on geschenkt.
Man dürfe auch nicht jede Aktivität in der Gastronomie auf ihren Euro-Return betrachten, sondern müsse langfristiger denken, findet Kerecsenyi, der sich in der Branche wohl fühlt: „Ich liebe die Gastro-Szene. Coole Leute und ich darf durch mein Produkt Teil davon sein, obwohl ich kein Koch bin.“
Kochen, Olivenöl, da war doch was. Wie sieht es denn jetzt damit aus: Ja oder nein? Tatsächlich sei es eine Altersfrage, hat Kerecsenyi beobachtet: Die „alte Schule“ in Deutschland brate meist nicht damit, jüngere Köche hingegen schon. Azubis würden heute jedenfalls immer seltener zu hören bekommen, das gehe nicht. „Der ganze Mittelmeerraum brät mit Olivenöl. Bis 180 Grad kann man es problemlos erhitzen.“ Wobei es natürlich auch eine preisliche Frage ist – gutes Olivenöl, wie es das von „Art of Oil“ ist, kostet schon ein bisschen mehr als der Supermarkt-Standard. „Ein halber Liter für 2,99 Euro – wie soll das anständig sein? Unter zehn Euro kann es nicht richtig gut sein, das geht einfach nicht“, so Kerecsenyi.
Sein Produkt schmeckt gut, richtig gut: würzig, leicht bitter, nach hinten raus etwas scharf. Spannende Geschmacksfacetten, mit denen sich „Art of Oil“ nicht nur zu Speisen empfiehlt, sondern auch in Drinks. Weil, Barprofis wissen es längst: Öl fungiert als Geschmacksträger und sorgt für eine besondere Konsistenz.
Als wir das Restaurant verlassen, kommt die freundliche Servicemitarbeiterin hinter uns hergelaufen: Wir hätten da was vergessen und will das schwarze Fläschchen mit dem Olivenöl überreichen. Natürlich darf sie es behalten. Und wer weiß, vielleicht gibt es „Art of Oil“ bald auch hier im Angebot.