Wie würde der Gast wohl reagieren, antwortete man „Naja, Rot- und Weißwein eben!“ auf seine Frage, welche Weine man im Angebot führt? Sicherlich irritiert. Getränkekarten, auf denen generisch „Gin“ oder „Wodka“ verzeichnet sind statt einer kleinen, feinen Auswahl handverlesener Sorten, sterben aus. Selbst beim Bier listen immer mehr Gastronomen neben ihren ein oder zwei Hauptsorten noch ein paar Spezialitäten ein, und die Craft-Bier-Welle schwappt immer tiefer ins Land hinein.
Und beim Kaffee? Da gibt es in vielen Gastronomien immer noch einfach Kaffee. Ohne genauere Info. Zusätzlich einen Espresso, eine entkoffeinierte Variante, und damit hat es sich oft. Kaffee ist quasi generisch. Ein „commodity“ wie Erdöl (es ist nach diesem das meistgehandelte Exportgut der Welt).
Da steckt so viel mehr drin, findet eine immer größer werdende Cafébetreiber-Szene, die sich dem Thema „specialty coffee“ verschrieben hat. Die Mission?
Zeigen, was für eine komplexe und unerschöpfliche Welt Kaffee ist. Eine spannende, aufregende Welt!
Sagt Ramin Massah, Betreiber des kleinen „Nano Kaffee“ in der Dresdener Straße in Kreuzberg. Mit dem Thema Bohnen, Röstungen, Zubereitung und Co. hat er sich als Mitbetreiber eines Kaffee-Shops schon zuvor vier Jahre lang intensiv auseinander gesetzt, seit gut einem Jahr hat er ein eigenes Café.
Kaffee mit hyperlokaler Herkunftsangabe
Im „Nano Kaffee“ kann man sich auch wechselnde Bohnen-Sorten mit Herkunftsangabe („single origin coffee“) für zu Hause kaufen, teilweise bis zur Parzelle lässt sich die Herkunft rückverfolgen. Zum Beispiel gibt es hier einen äthiopischen „Limu Yukro“ von JB Kaffee aus dem bayerischen Schwabhausen, einen „Karinga AB“ von den Gitwe Farmers aus Kenia, geröstet und importiert von „Mahlefitz Präzisionskaffee“ aus München. Über „Quijote Kaffee“ aus Hamburg bezieht man z.B. den guatemaltekischen „Maya Punk Kaffee“. Er kommt von der Kooperative „Appaece“ bei San Cristobal Cucho San Marcos, einer vulkanischen Gegend. Die Ernte 2014 wird vom Direktimporteur als „schokoladig, sehr floral, Rhabarber“ beschrieben. Das klingt nach Verkostungsnotizen, wie man sie von Wein oder Whisky kennt. Ähnlich wie bei denen müssen auch diese Kaffeespezialitäten, die von dunkelschokoladig über beerig bis zu markant säuerlich das gesamte Geschmacksspektrum abdecken, dem Gast erklärt werden. Massah erzählt schmunzelnd: „Neulich war eine ältere Dame da, die ihren Kaffee sonst immer mit Milch trinkt. Ich habe ihr vorgeschlagen, ihn erstmal ohne zu probieren.“
Er hat sie überzeugt, Milch wollte sie danach nicht mehr. Die vielen aromatischen Nuancen entdeckt man am besten, wenn man die Milch weglässt. Und wenn man weiß, wie man das Beste aus den Bohnen rausholt. Uns bereitet Massah einen waschechten Filterkaffee zu. Die Bohnen, die er verwendet, verkauft er nicht, seine Mitarbeiterin hat sie von einem Röster aus Island mitgebracht. Exklusiv. „Dekantiert“ wird der Kaffee in einen Whiskyschwenker, so sieht man seine goldbraune Farbe besonders gut. Eine schöne Inszenierung, die er hier in seinem kleinen, nerdigen Labor, der „Brew Bar“, abliefert.
Langsam gefiltert
Sich voll und ganz dem Filterkaffee verschrieben hat man im „Filterhouse“, das sich ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt in der gastronomisch gut bestückten Graefestraße befindet. Natürlich nicht mit einem bollernden Plastikmonster, das nach ein paar Minuten Zischen und Dampfen eine bittere Brühe freisetzt. Sondern mit Ruhe und in Handarbeit. Es gibt „Slow Coffee“ vom südlichen Fuße des Mount Kenya:
Ein Kleinbauer erntet hier sorgfältig nur die roten Kirschen und bringt sie mit Hilfe der Rwama Farmers Cooperative Society zur Muburi Aufbereitungsstation. Dort werden sie mit frischem Flusswasser vom Kii Fluss aufbereitet und trocknen dann in der Sonne.
Schreibt der Röster „Public Coffee Roasters“ aus Hamburg auf seine Packung. Wie guter Filterkaffee geht, demonstriert uns Mitbetreiber Frank Glier: Filter auf Portionsgröße falten, dann mit heißem Wasser ausspülen, um Eigengeschmack loszuwerden. Das Kaffeemehl hineingeben, 50 Milliliter Wasser 30 Sekunden kreisförmig aufgießen, warten. Der Aufguss wölbt sich, bildet feine Bläschen, sackt ab. Nachgießen.
Eine Tasse zuzubereiten dauert knapp drei Minuten, das ist zeit- und personalintensiv. Aber es schmeckt viel besser und schon die Zubereitung ist für Gäste ein Erlebnis: „Die schauen oft zu, wie wir das machen“, so Glier. Und sind bereit, für diesen Premium-Filterkaffee auch einen deutlich höheren Preis zu zahlen. Das kompensiert Mehrkosten ein Stück weit. Weiterer Umsatzbringer: Abends finden hier oft DJ-Sets und kleine Konzerte statt, es gibt Longdrinks mit Gin-Fokus.
Craft Coffee und Craft Bier
Ein zweites gastronomisches Standbein neben dem Kaffee haben sich auch Kristian Molskred und Benjamin Mosse geschaffen: Nach ihrer hippen „Oslo kaffeebar“ in der Eichendorffstraße am Nordbahnhof haben sie mit dem „Kaschk“ am Rosa-Luxemburg-Platz (Linienstraße) ein Hybridkonzept aus Café und Kneipe eröffnet. Was erstmal unaufgeregt klingt, vereint das Beste beider Welten: Tagsüber werkeln hier die Baristi und holen aus „Monte Copey“ oder „Santa Rosa“ aus Costa Rica (bezogen über „Koppi“ aus Helsingborg) das Beste raus. Abends wechselt das Team, dann gibt es Craft Beer, zwölf Sorten hat man allein am Hahn, dazu ein großes Flaschenangebot. Craft Beer, Craft Coffee, Ergebnis: Ein tags wie nachts ziemlich voller Laden. Mag die Marge je Verkaufseinheit zwar etwas geringer sein, weil der Einkaufspreis handwerklicher Kaffees und Biere höher ist: Mit Spezialitäten kann man ordentliche Umsätze machen, wenn man sie entsprechend inszeniert und so einen höheren Verkaufspreis plausibilisiert (und mittlerweile haben sie auch die Craft-Bier-Preise sehr deutlich angezogen).
Bessere Bohnen stehen hoch im Kurs
Immer mehr Spezialcafés eröffnen in der Stadt. Ein weiterer Neuzugang ist das „Ben Rahim Specialty Coffee“ in den Hackeschen Höfen, und auch das trendige neue Shop-Restaurant-Konzept „The Store“ im „Soho House Berlin“ setzt sich mit ausgebildeten Baristi und Single-Origin-Kaffee zum Kaufen für zu Hause vom Umfeld ab. Konzepte wie „The Barn“ (zwei Outlets) oder die „Bonanza Coffee Heroes“ am Mauerpark, die beide auch selbst rösten und andere Cafés beliefern, gelten schon fast als Klassiker. Und zeigen: Der Markt für bessere Bohnen ist da. Davon können auch Gastronomien profitieren, die sich nicht darauf spezialisieren, so Ramin Massah vom „Nano Kaffee“:
Wenn ich meinen Gästen etwas zur Herkunft meines specialty coffee, erzählen kann, auf welcher Plantage er gewachsen ist, dann ist das viel wert. Das kann ich dann ganz anders verkaufen. Auch die klassische Robusta-Arabica-Mischung ist schonend geröstet ein ganz anderes Produkt.
Specialty Coffee in Berlin: 7 Adressen
Ben Rahim Specialty Coffee, Sophienstraße 7
Father Carpenter, Münzstraße 21
Filterhouse, Graefestraße 12,
Kaschk, Linienstraße 40
Nano Kaffee, Dresdener Straße 14
Silo Coffee, Gabriel-Max-Straße 4
The Store Kitchen, Torstraße 1