Gegen die Plastikflut: Spoontainable kreiert essbares Besteck für die Gastronomie

von Antje Urban
Amelie Julia Spoonie 690x460 - gruendung, gastronomie, food-nomyblog Gegen die Plastikflut: Spoontainable kreiert essbares Besteck für die Gastronomie

Foto: Spoontainable

Noch immer landen allein in Deutschland jährlich mehr als 360 Millionen Plastikeislöffel nach nur einmaligem Gebrauch im Müll. Gleichzeitig fallen tonnenweise ungenutzte, organische Reststoffe aus der Lebensmittelverarbeitung an. So wie Haferfasern oder die Fasern der Kakaoschale, die bei der Herstellung von Schokolade übrig bleiben.

von Antje Urban 

Beide „Abfallprodukte“ verarbeitet das Heidelberger Start-up Spoontainable zu nachhaltigen und essbaren Eislöffeln. Die sind dringend notwendig, auch, weil ab Mitte 2021 bestimmte Formen von Einweg-Plastik – zum Beispiel Löffel – verboten sein werden. Spoontainable hat zahlreiche Awards gewonnen und trotz Corona gerade frische Kapitalgeber gefunden. Das Ziel der Gründerinnen Amelie Vermeer und Julia Piechotta ist es, Plastikalternativen in der Gastronomie zu etablieren. Wir haben uns mit ihnen (vor dem Lockdown) zum Gespräch getroffen. 

Seit der Gründung von Spoontainable während Eures gemeinsamen Masterstudiums sind zwei Jahre vergangen. Seitdem ist mächtig viel passiert: von der Studentenidee zum marktfähigen Produkt. Wir sitzen hier im Café Schmelzpunkt in Heidelberg, wo Eure Eislöffel schon an die Kunden gehen. Was ist das für ein Gefühl?

Amelie: Ich finds immer noch mega cool, wenn wir unsere Löffel irgendwo sehen. Wir haben aber noch soviel vor, der Löffel ist nur ein ganz kleiner Teil unseres Traums. Wir haben mit dem Löffel viel erreicht, aber wir wollen ja der Marktführer für Plastikalternativen werden und bis dahin ist es noch ein langer Weg.

Julia: Eigentlich ist es rückblickend nur ein Wimpernschlag, diese zwei Jahre, aber wir haben uns enorm weiter entwickelt in dieser Zeit.

Ihr bekommt viel Medienbeachtung, habt viele Preise gewonnen, wie kürzlich den Gastro Vision Förderpreis oder das Green Brand Gütesiegel für nachhaltige Produkte. Ist das Business an sich auch schon so erfolgreich?

Julia: Ich würde mal sagen, der Corona-Situation entsprechend. Wir haben unsere Ziele da auch ein bisschen anpassen müssen. Wir haben unser Business-Modell etwas geändert, unsere Zielgruppe ausgeweitet und uns auch auf unsere Kooperation mit Aldi fokussiert. Das lief trotz Corona super.

Was hat es mit Aldi auf sich?

Amelie: Die Eisdielen waren lange geschlossen und danach war es verboten, essbare Dinge rauszugeben. Bis August konnten die Eisdielen nicht bei uns bestellen. In das Accelerator-Förderprogramm TechFounders wurden wir schon vorher aufgenommen und konnten die damit verbundene Kooperation während der Corona-Zeit mit Aldi etwas beschleunigen, damit sich uns auch der Consumer-Markt erschließt. Wir freuen uns total, denn ab sofort ist ein Schoko-Pudding mit unserem Spoonie integriert in allen Aldi-Nord- und Süd-Filialen erhältlich. Das ist aber erstmal nur so eine Pilotphase über vier Wochen. Gleichzeitig haben wir auch jetzt unsere B2C-Dose gelauncht mit 35 Löffeln für Endkunden, die im Einzelhandel erworben werden kann.

Die vielen tollen Awards sind ja selten mit barem Geld verbunden. Ihr konntet aber die letzten Monate auch zwei neue Investoren für euch gewinnen? 

Julia: Wir wurden in ein Förderprogramm von Baden-Württemberg aufgenommen. Die Investoren sind auch inhaltlich mit drin, zwei von ihnen sind Food Angels und wir haben dadurch regen Austausch mit einem großen Netzwerk. Das heißt, wir haben eine ziemlich heterogene Mischung aus Investoren. Nächstes Jahr wollen wir eine große Investmentrunde starten mit einer Million. Das Geld dient aber nur dazu, dass man weiterkommt. Spoontainable ist unser Baby und wir machen nur, was uns auch sinnvoll erscheint.

Eure Spoonies sind ja zu 100 Prozent aus natürlichen Ressourcen. Wo kriegt ihr eure Fasern her?

Julia: Wir bekommen die Fasern schon gereinigt von einem Lieferanten. Der wendet ein super Verfahren an, denn die Vitamine und Ballaststoffe bleiben erhalten. Unsere Spoonies sind wirklich zum Snacken geeignet. Die Rezeptur ist vegan und es schmeckt fast wie ein Keks. Obwohl die Resonanz der Kunden super ist: Wenn er doch nicht gegessen werden sollte, ist er kompostierbar und somit nachhaltig. Gemäß unserem Motto: Be Sustainable! Eat Spoontainable!

Mit eurem Hersteller Coppenrath Feingebäck habt ihr einen bekannten Branchenvertreter als Partner. 

Amelie: Wir haben damals jeden angerufen, aber als Start-up ist das echt schwierig, wenn man niemanden kennt. Und Coppenrath hat dann sehr schnell zugesagt, weil sie die Idee cool fanden. Aber Coppenrath steht nicht auf der Verpackung. Wir sind der Hersteller, es ist unsere Rezeptur.

In welchen Mengen könnt ihr denn bereits produzieren?

Mittlerweile haben wir schon über zwei Millionen Löffel verkauft und wir können eine halbe Million Löffel innerhalb von vier Stunden herstellen lassen. Wir produzieren immer auf Abruf. Der Löffel kostet unsere Kunden zwischen vier und sieben Cent, wobei 20 Kartons à 500 Löffel Mindestabnahme sind. Der Versand ist ausgelagert und findet von München aus statt. Wir ziehen eigentlich nur die Fäden. Ausgeliefert haben wir schon an insgesamt 12 europäische Länder sowie die Schweiz. Momentan wollen wir uns auf die EU konzentrieren. Klar, weltweit wollen wir uns auch irgendwann aufstellen, aber wir wollen nachhaltig bleiben und nicht quer über die Kontinente schippen. Wenn wir irgendwann mal in die USA oder so liefern würden, dann würden wir auch dort eine Produktion aufbauen.

Julia: Den Green Brand Award haben wir ja auch deshalb bekommen, weil unsere komplette Wertschöpfungskette nachhaltig ist.

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Statt Plastik: Löffel zum Löffeln und gegessen werden

 Hier im Café werden die Löffel in einem Glas aufbewahrt. Wie lange halten die sich und werden die im Glas nicht noch härter?

Amelie: Das sind unsere eigenen Gläser, mit unserem Logo beklebt. Die können da über Nacht drin bleiben – an der Luft liegend würden sie vielleicht weich werden. Die Mindesthaltbarkeit ist 11 Monate. Und die Löffel sind bis zu 60 Minuten stabil in Eis und Dessert und schmelzen auch bei warmen Temperaturen nicht.

Die Tatsache, dass nächstes Jahr in der EU Einweg-Plastik verboten wird, spielt euch ja förmlich in die Hände. Merkt ihr diesbezüglich vermehrt Interesse?

Amelie: Wir merken das schon, es wurde natürlich durch Corona etwas geschwächt. Nachhaltigkeit ist was Schönes, wenn man das Geld dafür hat. Aber vielen wird auch bewusst, dass sie langsam Alternativen brauchen.

Bei so viel Vision, soviel Unterstützung – was kommt als nächstes?

Julia: Wir arbeiten derzeit an Pommesgabeln, aber wir können noch nicht genau sagen, wann es soweit ist. Die Rezeptur muss sich dafür etwas ändern, es darf da ja nicht süß sein. Auch an Einweg-Kaffeestäbchen sind wir dran, da sind wir in den finalen Zügen.

Eure Mitbewerber, die Firma Frenvi mit ihren Produkten, zufälligerweise auch aus Heidelberg, haben Ähnliches vor. Ein Problem für Euch?

Julia: Nein, auf keinen Fall, der Markt ist riesig. Wir stehen ja auch im Austausch miteinander. Aber unser USP ist halt auch die nachhaltige Kreislaufwirtschaft, weil wir Reststoffe aus der Lebensmittelindustrie verwenden. Wir wollen auch nicht mehr Geschmacksrichtungen auf den Markt bringen, unsere zwei Variationen Hafer und Choc reichen derzeit aus.

Vielen Dank, Amelie und Julia.

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