Ich stehe im neuen „The Store“ im Berliner „Soho House“ und warte auf mein Lunch-Date. Es wird sich etwas verspäten. Das ist okay, mein Lunch-Date ist der Koch und Co-Restaurantleiter, und der hat bestimmt gerade alle Hände voll zu tun. Und so habe ich Zeit, mich etwas umzuschauen.
Es gibt schließlich einiges zu sehen: „The Store“ ist ja nicht nur Restaurant, sondern auch (und in erster Linie) Shop, es geht fließend ineinander über wie im „Supermarket“ im Bikini-Haus. Ein neuer Konzept-Trend? Zumindest hier in Berlin. Man kann schöne Blumen kaufen, ein schönes Mädchen hinter dem Blumen-Tresen lächelt freundlich. Es gibt einen Beauty-Salon, man kann auch Schallplatten kaufen. Die kleine Sammlung ist gut sortiert, mich strahlt eine Compilation alter New Beat-Tracks an, die von der belgischen Produzenten-Legende Ro Maron zusammengestellt wurden. Die Kleidung im „The Store“ ist basic wie der Name des Ladens, die Preise hoch: Ein Normcore-Sweater kostet um die 100 Euro, ein Paar Design-Adiletten 120. Davon kann man hier genau zehn Mal Mittag essen gehen, denn die Gastro-Preise sind geerdet: 12 Euro für einen großen Salatteller, eine Suppe vorweg und einen Saft.
Mein Gastgeber Tommy Tannock begrüßt mich. Man kennt ihn in Berlin u.a. von der Streetfood-Party Bite Club, er arbeitet auch als Food-Journalist. Jetzt hat er quasi die Seiten gewechselt. „Es gibt in Berlin viele ausgebildete Köche, aber noch wenige Leute, die von der Gastseite her kommen. Und ich liebe Kochen!“ Langfristig wird er sich in der Küche ablösen lassen und sich mehr ums Gesamtkonzept kümmern, aber erstmal steht er hinter den Töpfen. Genauso wie Johnnie Collins, der wie Tannock aus London kommt. Gemeinsam haben sie das Food-Konzept ausgearbeitet: Es gibt Essen aus gesunden, regionalen, großenteils biologischen Zutaten. Klingt bekannt? Tommy: „Klar, das Angebot in diesem Bereich wächst. Aber oft fehlt das Aroma, der volle Geschmack. Wir arbeiten mit viel Essig, Vinaigrette, Kräutern und Gewürzen.“
Das schmeckt man. Die Salat-Auswahl ist knackig, frisch und lecker: Fenchel, Quinoa, Sellerie und Co. sehen auch gut aus auf den Tellern hier. Die Broccoli-Suppe ist klasse, ebenso der kaltgepresste Karottensaft von „House Press“ mit Apfel, Zitrone, Fenchel und Orange. Basics, gut zubereitet. Das ist die Idee. „Berlin gilt immer als sehr günstig, aber ich finde es hat eher ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis. Man sollte für ein wenig mehr Geld eine viel größere Qualität bekommen“, findet mein Gastgeber. Das bekomme man in London heutzutage immer häufiger, dort habe sich die Food-Qualität dramatisch verbessert. „Die Leute werden trendbewusster und kennen sich immer besser mit Lebensmitteln aus. Man muss jetzt was über das Rindfleisch wissen und sagen können, das man isst.“
Ich darf mir ein Stück von Tommys Mittagshappen stibitzen: geräuchte Forelle aus Templin auf Brot von Soluna aus der „Markthalle IX“, mit Fenchel, Dill und Zitrone. Sensationell. Frühstücken kann man hier übrigens auch, z.B. ein Quinoa-Porridge, hausgemachte Dinkel-Muffins oder selbst fermentierten Kokos-Joghurt. Wenn die Küche komplett fertig ausgebaut ist, wird man das Mittagsgeschäft noch weiter ausbauen: Man darf sich auf pochierten Lachs, Schmorbraten, Toasts und Sandwiches freuen. Abends wird es ausgewählte Weine und Cocktails geben und dazu Käseplatten, Charcuterie und andere Knabbereien. Wir beschließen den Lunch mit einem Espresso aus guatemaltekischen Bohnen, die man von Bonanza bezieht. Ich darf noch ein Blick in die Mahl- und Verkostungsnotizen des freundlichen jungen Barista werfen.
Vermutlich werde ich mir hier keine Kleidung kaufen (Adiletten heißen auf Englisch übrigens auch Adiletten). Aber zum Essen komme ich bald wieder. Übrigens: Im Gegensatz zum exklusiven „Soho House“, wo man nur auf Einladung reinkommt, stehen die Türen von „The Store“ allen Gästen offen. Einfach zum Haupteingang rein und gleich rechts abbiegen.
The Store Kitchen im Soho House
Torstraße 1
10119 Berlin
Webseite
Dieser Text ist Auftakt der Reihe „Mittagessen“: Jan-Peter Wulf unterhält sich mittags in Restaurants mit deren Betreibern, mit anderen interessanten Menschen oder isst einfach alleine und in Ruhe sein Mittagessen.