Matthias Gleiß und Christopher Jäger, Volt Berlin: „Wir gehen ans Eingemachte“

von Jan-Peter Wulf
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Matthias Gleiß und Christopher Jäger. Fotos: Redaktion

Mit einem eigenhändig renovierten Restaurant und neuem Küchenteam wollte Matthias Gleiß nach zehn Jahren „Volt“ in Berlin-Kreuzberg im Oktober 2020 die neue Dekade einläuten. Einen Monat lang war geöffnet, was dann kam, ist bekannt. Wie geht’s dem Betrieb? Und seinen Menschen? Wir trafen uns mit dem Betreiber und seinem Küchenchef Christopher Jäger zum vor-Ort-Gespräch mit Abstand .  

Matthias, Christopher: Ihr hattet bzw. habt ja eine besonders lange Pause. Ihr habt ja erst kurz vor dem zweiten Lockdown wiedereröffnet und musstet dann gleich wieder schließen.

Matthias Gleiß: Wir haben im Oktober zum zehnten Volt-Geburtstag wieder aufgemacht. Vorher haben wir uns bewusst Zeit genommen, weil wir nicht davon ausgegangen sind, dass es im Mai schon wieder losgehen würde. Wir haben das Mobiliar selbst abgeschliffen, umgebaut, es war eine Riesenwerkstatt, aber das Ergebnis ist auch sehr schön geworden.

Und ihr habt personell einiges verändert. 

Ich habe den Staffelstab in der Küche an die Jugend weitergegeben (lacht).

Du warst ja vorher schon hier tätig, ihr kennt euch gut.

Christopher Jäger: Ich war vier Jahre Souschef, dann war ich zwei Jahre im Allgäu. Meine Freundin kommt von dort, wir wollten einfach probieren, dort zu leben. Wir haben aber ziemlich schnell gemerkt: Berlin liegt tief in unserem Herzen. Wir haben in der Zeit alle unsere Urlaube hier verbracht. Dann haben Matthias und ich uns ein paarmal getroffen und dann entschieden: Wir machen das.

Ahntet ihr bei eurer Wiedereröffnung schon, dass es eventuell ein nur kurzes Vergnügen wird?

Gleiß: Dass es passieren würde, konnte man schon absehen. Die Sperrstunde war ein Vorbote.

Ich stelle mir das sehr hart vor. Da hat man so viel umgebaut, Geld reingesteckt, macht auf und gleich wieder zu.

Gäbe es uns nicht schon zehn Jahre hier, sondern vielleicht nur zwei, drei Jahre, hätte es uns vielleicht auch schon weggefegt. Gerade in Anfangszeiten kalkuliert und arbeitet man anders, als wenn man schon eine Weile am Markt ist. Wir gehen jetzt halt ans Eingemachte. Es wird noch einen großen Effekt geben, dadurch dass jetzt bestimmte Dinge außer Kraft gesetzt wurden (zum Beispiel Insolvenzen, Anm. d. Red.), wird das erst in einem halben Jahr oder so passieren.

Zum zweiten Restart wollen viele Restaurants ihre Preise anpassen, das hört man oft. Geht ihr da jetzt auch ran, kommt das auf den Prüfstand?

Mit Preiserhöhungen bin ich immer sehr spärlich umgegangen. Wir haben unser Fünfgangmenü, habe ich die Tage noch mal nachgeschlagen, seit 2016 nicht im Preis verändert. Das wäre eigentlich schon im vergangenen Jahr dran gewesen. Das muss man jetzt natürlich angehen. Allein weil sich die Rohstoffpreise in den letzten Jahren gestiegen sind.

Und was habt ihr inhaltlich geplant? Arbeitet ihr schon an den Menüs?

Wir beschäftigen uns mit veganen Speisen, weil uns vegan als Thema mittlerweile interessiert. Da haben wir viel Kopfarbeit geleistet und haben uns zum ersten Restart vermehrt darauf ausgerichtet, auch wenn es das Fisch- und Fleisch-Menü weiterhin gibt.

Jäger: Und eine Osterbox ist in Planung. Aber ich muss schon sagen: Ich hatte schon kreativere Zeiten. Man ist in so einem Trott, wenn man nicht weiß, wann man wieder aufmacht.

Gleiß: Wer weiß denn gerade schon, ob überhaupt noch Spargelsaison ist, wenn wir wieder starten können?

Jäger: Wir werden das kurzfristig machen. Sonst läufst du über den Markt, gehst woanders essen, bekommst Input – das alles gerade nicht. Sonst stehe ich oft in der Küche und mir fällt was ein, das schreibe ich dann direkt auf, jetzt ist alles etwas runtergefahren.

Als ich die Frage stellte, dachte ich: Jetzt müsste doch die Zeit für Ideen da sein. Aber mir geht es ja genauso, mir fehlen die Impulse auch. Macht das ruhig oder unruhig?

Gleiß: Also mich macht das manchmal schon krass unruhig. Die Tür vorne ist ja nie auf, wir haben kaum Kontakte, wir machen auch so gut wie keine Termine hier. Ich koche jetzt halt viel zu Hause, wir haben zwei Kinder im Homeschooling … eigentlich koche ich jetzt noch mehr als früher.

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Auch nicht eingedeckt hat es einen eindrucksvollen Gastraum: Das „Volt“ im fast 100 Jahre alten Umspannwerk in Berlin-Kreuzberg

Gibt es einen Ablaufplan für den Restart?

Gleiß: Wir haben schon für den ersten eine Checkliste erstellt, was alles zu tun ist vom Fensterputzen bis zu Bestellungen. Aber ich denke, es wird jetzt noch etwas arger. Wir werden uns überlegen müssen, wie und wann wir die Ware bekommen. Vieles ist da ja auch runtergefahren worden, da werden in den ersten Wochen sicher einige Produkte rar sein. Es wird einen Run auf das Angebot geben.

Und zurzeit staut sich alles bis hin zu den Erzeugerbetrieben zurück.

Jäger: Einer unserer Lieferanten, Uwe Marschke vom Wolkensteiner Hof, der ja viele Restaurants beliefert, schickt ja immer eine Liste mit: Worauf habt ihr Lust? Der richtet seinen Anbau danach aus. Das wird dieses Jahr sicher nicht leicht, zusätzlich zu den Dürreperioden der letzten Jahre.

Gleiß: Er hat uns neulich dieses Bild (zeigt es auf seinem Handy) von Kürbissen geschickt, die es nicht geschafft haben. Die Mengen wurden einfach nicht abgenommen.

Jäger: Was traurig ist.

Gleiß: Und für einen Einzelunternehmer richtig Kohle bedeutet.

Euer Hygienekonzept steht?

Gleiß: Das haben wir ja schon für den Oktober ausgearbeitet. Wir können die Leute sehr großzügig platzieren. Wir haben sonst 80 Plätze, mit dem Private Dining 102, jetzt können wir 30 bis 40 Gäste empfangen: Ein Tisch ist besetzt, einer frei und nicht eingedeckt, nur Blümchen drauf, das Ganze im Zickzacksystem. Das hat gut geklappt. Es ist von allen Gästen gut angenommen worden, so werden wir das wieder machen.

Jäger: Gäste haben uns gesagt: Wir verstehen gar nicht, warum ihr wieder zumachen müsst. Die haben sich mit Freunden lieber hier getroffen weil sie es hygienisch besser fanden als zu Hause. Wir haben überall Desinfektion, Platz für Abstand, Dauerlüftung …

Gleiß: … und sechs Meter hohe Decken, die für ein ordentliches Luftvolumen sorgen.

Und draußen?

Mit der Terrasse werden wir, sofern möglich, dieses Jahr wesentlich früher beginnen. Wir haben damit sonst immer relativ spät angefangen, erst im Mai. Aber ich denke die Leute sind bereit, jetzt draußen zu sitzen, auch wenn es etwas kühler ist. Mal sehen, wann wir tatsächlich aufmachen können.

Wollt ihr neben den Boxen noch mehr außer Haus anbieten?

Gleiß: Eigentlich nicht, dafür ist das „Volt“ nicht gemacht. Der Betrieb ist so ausgelegt, dass wir in der Fläche das machen, was wir machen. Auch wenn es jetzt einen Lieferdienst gibt, der den gleichen Namen hat wie wir, bloß anders geschrieben (lacht).

Jäger: Wir hatten einen großen Anteil touristischer Gäste. Jetzt haben wir die Öffnungszeiten attraktiver für die Berliner gemacht. Donnerstag bis Sonntag, vorher hatten wir Dienstag bis Samstag geöffnet.

Gleiß: Sonntags haben in Berlin nämlich gar nicht so viele Restaurants unserer Kategorie auf, und der Dienstag war früher ein klassischer Geschäftsessen-Abend. Das hat nach dem ersten Lockdown nachgelassen, weil es in Firmen Policy war und ist, sich nicht mit Geschäftspartnern draußen zu treffen. So sind wir erst einmal auf den Berliner Individualgast angewiesen. Das wurde in den Wochen, in den wir aufhatten, aber auch sehr gut angenommen.

Worauf freut ihr euch?

Jäger: Aufs Aufmachen. Auf geregelten Alltag.

Gleiß: Dass hier wieder Leben in die Bude kommt.

Und habt ihr einen Wunsch an die Zuständigen?  

Jäger: Härtere Kontrollen. Wir haben ein Konzept erstellt, geben keine Karten raus, alles läuft über QR, wir kaufen viel Desinfektion ein – und in vielen Restaurants, das habe ich ja selbst erlebt, kriegst du weiter die Karte in die Hand, nichts ist laminiert, nirgendwo steht Desinfektion. Das muss kontrolliert werden, und wenn die Regeln nicht eingehalten werden: Direkt mindestens für eine Woche zumachen, plus Geldstrafe, nächste Woche kommen wir wieder. Es nervt: Wir tun alles, andere nichts und die Läden sind voll.

Gleiß: Nicht immer diese Schnellschüsse. Jeden Monat wird eine neue Hilfe zugesagt … bis du dich eingelesen hast, was wird da jetzt wieder von dir gewollt: Manchmal hast du gar keine Zeit, sich mit den ganzen Regelungen zu beschäftigen. Das wirkt ja fast schon wie so eine Masche: Was Neues machen, damit die erst einmal damit zu tun haben. Wir kriegen ja auch abgesehen von Corona viele Auflagen und versuchen, das so in Einklang zu bringen, dass sich die Gäste bei uns wohlfühlen. Hier wünsche ich mir ein Umdenken.

Danke für das Gespräch und alles Gute euch. 

Restaurant Volt

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