Eindrücke vom „WeltverbEsserer-Wettbewerb“ 2024

Die Welt der Gemeinschaftsverpflegung ein bisschen besser machen

von Jan-Peter Wulf
Portraits WeltverbEsserer 2024 ©Ben Mangelsdorf 03 - gastronomie, food-nomyblog, catering Eindrücke vom „WeltverbEsserer-Wettbewerb“ 2024

Fotos: Ben Mangelsdorf

Auch 2024 haben wir den „WeltverbEsserer-Wettbewerb in Berlin besucht (dessen Medienpartner wir schließlich sind). Hier präsentieren sich unter anderem nachhaltige Konzepte der Gemeinschaftsgastronomie. Wir stellen die drei Finalisten der Kategorie vor: Boehringer Ingelheim, das „S-Bar Bio Betriebsrestaurant“ und „Picco“ für gesunde Kita-Verpflegung.

„Wir haben wir eine Riesenchance, wenn wir es schaffen, die Gäste von einer anderen Ernährung zu überzeugen“, erklärt Valentin Koch dem Fachpublikum, das sich zum Finale des Wettbewerbs im „Engelnest“ in Berlin-Schöneberg eingefunden hat. Koch hat schon bei verschiedenen großen Caterern gearbeitet und ist bei Boehringer Ingelheim als Leiter der Wirtschaftsbetriebe für drei Kantinen, 150 Mitarbeitende und bis zu 7.000 Essen am Tag verantwortlich. Ein Großverpfleger, der sich schon vor Jahren auf den Weg gemacht hat, um gesundes, leckeres und nachhaltiges Essen für seine Kostnehmenden bereit zu stellen. Koch erklärt, man wolle „Influencer sein für eine gesunde Ernährung“ und somit auch Vorbild für das Kochen und Essen in den Familien der Beschäftigten sein. Das in einem traditionellen Industrie-Unternehmen keine leichte Aufgabe, aber man hat „Nudges“ eingebaut ins Menü: Das gesündeste Essen ist das günstigste, was man anbietet. Es gebe sogar Überlegungen, rein pflanzliches Essen irgendwann einmal kostenlos anzubieten, um es zu fördern. Derzeit sind 70% des gesamten Speisenangebots bereits pflanzlich, es gibt eine vegane Theke. Der Großteil der Lebensmittel, vom Fleisch bis zum Gemüse, stammt aus der Region.

Foodwaste-Reduktion durch Digitalisierung

Mit den bäuerlichen Partnerbetrieben hat man Pflanz- und Anbaupläne entwickelt, um Abnahmen garantieren zu können. „Der Erzeuger kommuniziert mit uns auf Augenhöhe. Er sagt unseren Köchen, was auf dem Speiseplan steht“, erklärt Valentin Koch – je nachdem, was aktuell Saison hat, bildet sich auch die Karte mit kurzem Vorlauf. Verpackungsmaterial reduziert man, indem An- und Ablieferung vornehmlich in Mehrwegkisten geschehen, Überproduktionen und Lebensmittelabfälle werden durch digitalisierte Prozesse – hier verwendet man u.a. das System von „Delicious Data“ – reduziert. Den CO2-Fußabdruck der Speisen konnte man in Kooperation mit „Eaternity“ fast halbieren. Es gibt sogar eine Sondertheke, an der zu neuen Speisen verarbeitete Überhänge des Vortags günstig angeboten werden. Und was am Ende dann noch übrig bleibt, wird inhouse kompostiert und von den Gärtnern des Werksgeländes ausgebracht. Man arbeite kontinuierlich daran, seine Prozesse nachhaltiger und besser zu gestalten, so Koch.

Wie groß das Rad ist, das er und sein Team drehen, zeigt allein diese Zahl: 55 Tonnen. So viel Kaffee verbraucht man per annum. Man bezieht ihn direkt von einem Erzeuger aus Burundi, zahlt faire Preise und unterstützt zudem eine Schule, indem alle Lehrkräfte finanziert werden.

Klimafreundliche Open-Source-Gemeinschaftsgastronomie

Auch für Udo Sanne ist ein Bezug der Lebensmittel aus der Region einer der Schlüssel zur Nachhaltigkeit. Er ist Geschäftsführer des Catering-Unternehmens s.Bar, das verschiedene Betriebe im Raum Stuttgart mit Speisen versorgt. Ein Kunde ist der Hersteller von Körperpflege, die Weleda AG in Schwäbisch Gmünd, ein nach Prinzipien der Anthroposophie begründetes und wirtschaftendes Unternehmen – der ideale Partner für das Leuchtturmprojekt einer klimafreundlichen Gemeinschaftsverpflegung. „The Naked Restaurant“ nennt man es.

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Mit dem Partner Weleda hat man sich zum Ziel gesetzt, bis 2027 komplett klimaneutral zu sein, was man durch eine Vielzahl von Maßnahmen erreichen will: Zum Beispiel mit einem fast kompletten Warenbezug von Höfen aus dem direkten Umland. Durch 100% Frischeküche und keine prozessierten Lebensmittel. Mit eigener Logistik ohne Zwischenlager. Oder maßgeschneiderter Software für optimale Prozess-Steuerung von der Bestellung bis zur Foodwaste-Reduktion, die von den hauseigene Entwicklern programmiert wird. Die Verwendung von 100% Ökostrom, eine stetige Optimierung der Energieeffizienz und Kompostierung – Weleda baut viele Pflanzen für seine Produkte selbst an gehören ebenso dazu.

Dieses Konzept einer nachhaltigen Gemeinschaftsverpflegung will man nicht nur auf andere Betriebe und Kunden übertragen, sondern auch – darum der Titel „The Naked Restaurant“ – Dritten zur Verfügung stellen. Kostenlos im Sinne des Open-Source-Gedankens: „Unsere Daten und Erfahrungen möchten wir allen – Schulen, der Gemeinschaftsgastronomie, aber auch der normalen Gastronomie zugänglich machen“, so Sanne, um gemeinsam effektiven Klimaschutz betreiben zu können.

Frische Kochboxen für Kitas

Das dritte Projekt, das sich in der Wettbewerbs-Kategorie „Gemeinschaftsgastronomie“ präsentierte, zielt auf den Bereich Kitaverpflegung ab. Picco von der „diakonia“, den Dienstleistungsbetrieben der Diakonie München und Oberbayern sowie des Evangelisch-Lutherischen Dekanats München, wurde entwickelt, um Kindern frisches, gesundes Essen bieten zu können, statt dass Tiefgekühltes regeneriert wird (wie es aus Personal- und Kapazitätsgründen nicht selten der Fall ist). Das Produkt ist eine Kochbox, die aus portionierten Komponenten besteht, die gelingsicher in einer GN-Schale vermengt und im Konvektomaten zubereitet werden.

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120 Rezepte sorgen für einen abwechslungsreichen Speiseplan. Hergestellt werden die vom hauseigenen Ökotrophologen-Team entwickelten Speisen in einem biozertifizierten Inklusionsbetrieb – frisch, ohne Zusatzstoffe und kindgerecht abgeschmeckt. „Die Kinder essen natürliche Lebensmittel. Ein Karottenpüree ist bei uns ein Karottenpüree und nichts anderes“, so Christine Hopf, die u.a. für die Rezeptentwicklung zuständig ist. Die Rote-Linsen-Tomatensuppe sei nicht nur ein Favorit der Kinder in den rund 20 Einrichtungen, die man bereits beliefert. Sondern auch ein Beispiel dafür, dass gutes Essen keineswegs teuer sein muss, sondern auch für sozial schwächer gestellte Familien bezahlbar ist. Natürlich würde in einer idealen Welt die Person, die für die Kinder kocht, täglich marktfrisch einkaufen und kochen. Doch die Realität sieht bekanntlich anders aus. Man müsse sich innerhalb dieser anschauen, was man verbessern kann, so Hopf. „Und wenn man das geschafft hat, kann man in die Vision gehen.“

Dass am Ende sowohl „Picco“ als auch Boehringer Ingelheim mit Gold ausgezeichnet wurden und „The Naked Restaurant“ mit Bronze, sei nur als Randnotiz erwähnt. Alle drei sind Gewinner und vor allem Vorbilder für eine Gemeinschaftsverpflegung, die die Zeichen der Zeit erkannt hat.

In der Kategorie Restaurants gewann das Bonvivant Cocktail Bistro, Platz zwei ging an das Landgut Domäne Dahlem, Platz drei an Zeit für Brot. In der Kategorie Food-Produkte gewann Amanase, Platz zwei belegte Bunte Burger und Bronze ging an Djoon.

Mehr Infos:
www.weltverbesserer-wettbewerb.de

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