Das Berliner Stickstoff-Eiskrem-Konzept Woop Woop verfolgen wir schon viele Jahre, quasi von Beginn an – vom Pitch beim Gastro Startup-Wettbewerb 2016 (heute Deutscher Gastro-Gründerpreis) über eine „was wurde aus den Gewinnern“-Story und ein Portrait in einer Eis-Innovatoren-Reihe bis … jetzt. Jetzt ist, zumindest was das stationäre Konzept am Rosenthaler Platz betrifft, Schluss. Das erklärte Gründer und Betreiber Philipp Niegisch kürzlich auf Instagram.
Warum er den Gastro-Stecker zieht, Woop Woop als Eventformat jedoch weiterleben lässt, und welche Pläne er überdies verfolgt, das haben wir ihn gefragt. Und hier sind seine Antworten.
Philipp, warum hast du den Woop-Woop-Store nach gut sechs Jahren geschlossen?
Eine Kombination aus drei Umständen hat mich zu dieser klaren Entscheidung gebracht. Erstens bin ich nun im zehnten gastronomischen Jahr, wenn man die ersten Jahre mit unserem Foodtruck mit berücksichtigt. Das waren viele wunderschöne Frühling- und Sommertage, Abende und Wochenenden, die ich für das Berufliche „opfern“ musste. Das habe ich all die Jahre mit viel Leidenschaft auch getan. Nur hat eben alles im Leben seine Zeit und ich freue mich nun auf ausgiebige Frühlingsspaziergänge und Sommertage am See. Die konnte ich mir in den letzten Jahren aufgrund unserer tollen Mitarbeiter*innen zwar trotzdem gönnen, aber immer nur unter ständiger Abrufbereitschaft, falls es mal wieder Probleme zu lösen galt. Was in der Gastronomie quasi täglich vorkommt: Ware nicht geliefert, Personal krank, Einbruch, Diebstahl, Stromausfall, Maschine defekt … ich könnte wahrscheinlich eine Liste von A bis Z dazu erstellen.
Zweitens unterlag eine unserer Hauptzutaten im Laufe eines Jahres einer Preissteigerung von 30 Prozent: der flüssige Stickstoff, mit dem wir unser Eis frisch herstellen. Diese Preissteigerung an den Kunden weiterzugeben, wurde immer schwieriger, da wir mit 4,90 Euro pro Eisportion im Jahr 2022 einen gefühlten Maximalpreis erreicht hatten. Bei der gedämpften Konsumbereitschaft konnte ich jeden Kunden verstehen, der sich das nicht mehr oder einfach seltener leisten konnte oder wollte.
Und drittens hatte ich das Gefühl, dass die Gastronomie als Branche unter allen Entwicklungen immer zuerst zu leiden hat: Corona, Personalmangel, Lieferkettenengpässe, Energiepreise, Mietpreissteigerungen – um nur einige zu nennen. Sich die nächsten Jahrzehnte in einer Branche zu verausgaben, die es einfach oft verdammt schwer hat, erschien mir also auch perspektivisch nicht als optimales Szenario für mich als Unternehmer.
Wie lange hast du die Überlegung, zu schließen, reifen lassen?
Diese Überlegung reifte im Laufe des vergangenen Jahres. Eigentlich war die Motivation hoch, nach den beiden gedämpften Corona-Jahren wieder richtig durchzustarten und auch die bekannten Umsätze zu erwirtschaften. Aber im Laufe des Jahres wurde klar, dass nun neue Restriktionen in Form von Inflation, Energiekrise und sinkender Konsumlaune die Corona Einschränkungen ablösen.
Gastronomie ist ein knallhartes Geschäft, sagst du in deinem Abschiedspost. Magst du das ein bisschen ausführen? Man könnte (naiv) ja denken, Eis funktioniert doch immer?
Ich denke, die Formulierung entstand vor allem aus meinem persönlichen Gefühl, dass man als Gastronom oder Gastronomin viele Opfer erbringen muss. Und auch wenn man es schafft, Prozesse gut zu standardisieren und Verantwortung an Mitarbeiter*innen abzugeben, bleibt aufgrund dieser krassen Veränderungsprozesse der letzten Jahre die Herausforderung, sich ständig neu zu erfinden. Und das ist richtig viel Arbeit. In meinen Augen stand das, was kontinuierlich als Leistung notwendig gewesen wäre, nicht mehr im Verhältnis zu dem, was dem dann finanziell am Ende des Geschäftsjahres – nach einem langen, kalten Winter – entgegensteht.
Wie lief bzw. läuft das Offboarding ab: Team informieren, Verträge beenden, Nachmieter finden? Und über was für einen Zeitraum sprechen wir hier?
Das war ein relativ nervenaufreibender Prozess von circa sechs Monaten mit der einen oder anderen unvorhergesehenen Wendung. Besonders speziell ist ja diese Dreier-Konstellation aus Nachmieter, mit dem man sich auf einen Abstand einigen will und dem Vermieter, dem für seine Zustimmung das Konzept des Nachmieters gefallen muss. Am besten hat man natürlich mehrere Interessenten, die man dem Vermieter präsentieren kann.
Da wir unseren Betrieb aufgrund unserer Winterpause als Saisonbetrieb geführt haben, mussten sich unsere Mitarbeiter*innen im Winter oft einen anderen Job suchen. Und diesen Winter habe ich relativ schnell kommuniziert, dass ich plane den Laden zu schließen und es wahrscheinlich keine Möglichkeit mehr geben wird, im Laden zu „woopen“. Ich musste also zum Glück keine schwierigen Gespräche mit langjährigen Festangestellten führen.
Gab es auch Ideen, dass jemand anderes dein Konzept weiterbetreibt? Franchise-Anfragen hast du über die Jahre ja immer wieder bekommen.
Die Option spielt man natürlich auch durch. Aus zwei Gründen habe ich dies allerdings ausgeschlossen. Erstens werde ich unser Eventcatering-Geschäft unter der Marke Woop Woop weiter betreiben, sodass man jemanden hätte finden müssen, mit dem man gut zusammenarbeiten kann und bei dem man die Marke in guten Händen weiß. Zum anderen war ja klar, in welche Richtung sich die Wirtschaftlichkeit des Konzepts mit den anhaltenden Preissteigerungen, insbesondere des Stickstoffs, entwickelt.
Woop Woop lebt also als Eventformat weiter.
The Store is dead, long live the truck! And the catering business. Ja, mir ist es ganz wichtig, dieses tolle Konzept nicht komplett aufzugeben. Ich brauche weiterhin etwas Woop Woop Ice Cream in my life! Mit Fokus auf B2B-Geschäft für Corporate Events, Sommerfeste, Messen, etc. bleibt der Truck oder unser mobiles Catering buchbar!
Im Rückblick: Was war das Highlight der Zeit für dich?
Beim Ausräumen und Schließen des Ladens ist mir eine Sache bewusst geworden, die ich hoffentlich für den Rest meines Lebens verinnerliche. Am Ende geht es eigentlich nur um das Miteinander von Menschen. Ich habe ganz viel Dankbarkeit verspürt für alle, die in dem Laden ein- und ausgegangen sind: die Mitarbeiter*innen, die da viele, anstrengende, aber auch erfüllende Arbeitsstunden verbracht haben. Die Kund*innen, die sich für unser Konzept begeistern konnten und teilweise aus der ganzen Republik angereist sind, um unser Eis zu probieren. Partner, Lieferanten und Handwerker, die tolle Arbeit geleistet haben und natürlich auch Freunde und Familie, die mich besucht, abgeholt haben oder einfach auch das Eis gefeiert haben. Im Alltagsstress fokussiert man sich leider viel zu oft auf die Probleme und verliert diese Bedeutung des Miteinanders vielleicht zu oft aus den Augen.
Würdest du im Rückblick strategisch etwas anders machen?
Mir gefällt die Frage, aber ich kann keine eindeutige Antwort geben. Um es jetzt nicht ausarten zu lassen, würde ich antworten, dass ich mit mir und meinen Entscheidungen über die Jahre sehr im Reinen bin. Und dennoch wüsste man natürlich gerne, wie sich die Dinge entwickelt hätten, wenn wir kein stationäres Geschäft aufgemacht hätten, oder mit Hilfe von Investorenkapital schneller gewachsen wären, oder unser Konzept effizienter gestaltet hätten, indem wir weniger frisch und mehr auf Vorrat produziert hätten. Allerdings habe ich mich bei den strategischen Weggabelungen immer sehr bewusst entschieden und würde es wahrscheinlich wieder genauso machen.
Worauf bist du besonders stolz?
Ich habe ganz tolle, wertschätzende Nachrichten von ehemaligen Mitarbeiter*innen bekommen. Das hat mich vor allem gerührt und bestärkt, aber auch ein bisschen stolz gemacht.
Vor ein paar Monaten habe ich mit dem Barbetreiber Jörg Meyer einen Podcast aufgenommen. Sein Tipp: Wenn du eine Gastro eröffnest/kaufst, mach dir auch einen Plan, wie du sie wieder verkaufst (selbst wenn der Plan in der Schublade bleibt). Deine Gedanken dazu?
Guter Tipp! Nichts ist für die Ewigkeit, insbesondere in diesen dynamischen Zeiten. Also sollte man schon ein realistisches Ausstiegsszenario parat haben.
Was machst du jetzt?
Ich werde wie gesagt unseren Eiswagen weiter betreiben. Der wird zwar vor allem auf Firmenveranstaltungen unterwegs sein, aber ich hoffe natürlich trotzdem auf den ein oder anderen „öffentlichen“ Einsatz, um dort ein paar bekannte Gesichter aus dem Laden wiederzusehen. Im Winter habe ich außerdem eine Data-Science-Weiterbildung abgeschlossen, Programmieren gelernt und mich intensiv mit den Themen des maschinellen Lernens beschäftigt. Ich habe auch schon eine Idee für eine KI, die Gastronomen helfen soll, in die Zukunft zu schauen und somit ihre Kosten zu optimieren, aber dazu ein andermal mehr! Ich freue mich jetzt auf das nächste berufliche Kapitel und auf weitere Frühlingsspaziergänge ohne Blick aufs Handy.
Lieber Philipp, alles Gute, danke und wir sind gespannt auf das KI-Projekt. Also: Bis bald!
Mehr Informationen zu Woop Woop und zu Philipp.