Portrait: Zenkichi und House of Small Wonder in Berlin und New York

von Redaktion
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Zenkichi Berlin, Foto: Hiroshi Toyoda

Ein Gastro-Business auf zwei Kontinenten, das gibt es eigentlich nur in der Systemgastronomie. Doch seit kurzem, ganz individualgastronomisch, auch in Berlin: Denn Motoko Watanabe und Shaul Margulies haben ihre beiden Restaurants „Zenkichi“ und „House of Small Wonder“ aus den USA nach Deutschland gebracht. Und sorgen jetzt für Tokioter Esskultur gleichzeitig in New York und Berlin. 

Man könnte sich hier ja schon etwas verirren, im Gastraum der japanischen Brasserie „Zenkichi“: dunkel gebeiztes Holz, Bambus, Spiegel- und Glasflächen, kleine Separées, dunkler Granitstein, keine Fenster, gedimmtes Licht. „Das passiert ständig, und genau das wollen wir“, lacht der US-Amerikaner Shaul Margulies, das Restaurant zusammen mit seiner aus Tokio stammenden Frau Motoko Watanabe im Keller eines Bürohauses in Berlin-Mitte eröffnet hat, wenige Monate nach dem euroasiatischen Café-Bistro „House of Small Wonder“, das befindet sich oben drüber. Denn die Idee des „Zenkichi“ ist, so Margulies:

A trip to Tokio for the price of a dinner.

Transkontinentales Familien-Business 

Diesen Trip bieten sie ihren Gästen auch schon im ersten „Zenkichi“ an. Das ist nicht in Berlin, sondern weit weg: Im hippen Williamsburg in Brooklyn, New York, hat es sich als intimer, romantischer Ort einen Namen gemacht – die Bambus-Rollos kann man herunterlassen und ist dann ganz für sich. Ein Gegentrend zum großen Raum und den „communal tables“. Die gibt es im „House of Small Wonder“, das man vor rund fünf Jahren in New York eröffnete, nach einem Umzug befindet es sich jetzt, wie hier, Tür an Tür mit dem „Zenkichi“.

Zwei Betriebstypen: „Zenkichi“ und „House of Small Wonder“, macht vier Restaurants, verteilt auf zwei Kontinente. Wie geht das alles denn überhaupt? „Wir haben kein Personal, wir haben Familie“, erklärt Margulies es fast poetisch. „Wir können uns wirklich glücklich schätzen, Menschen zu haben, die mitdenken und Acht geben.“ Das kommt freilich nicht von allein, sondern muss angelernt werden. Abläufe werden lange trainiert. Bis ein neuer Mitarbeiter in New York seine Tische selbst managen darf, vergeht schon mal ein halbes Jahr. „Erst müssen sie beweisen, dass sie es verstanden haben. Wenn sie dann finden, es geht anders besser, dann sagen wir: Bitte, zeigt es uns“, erklärt er.

In Berlin sei man noch dabei, die Prozesse zu implementieren – personalintensiv, weil pro Mitarbeiter hier weniger Tische gemanagt werden können. Und derer gibt es im „Zenkichi“ viele: 130 Plätze verteilen sich in Zwei-, Vier- und Mehrpersonenseparées. Gestaltet hat es, wie schon in New York, Motoko Watanabe selbst. Ein Learning aus dem „Big Apple“ hat man gleich verbaut: Die Sitze sind gepolstert, wohingegen man auf der anderen Seite des großen Teichs zurzeit noch auf Holz sitzt.

„Als wir in New York begannen, sind wir von 30, 40 Dollar Durchschnittsbon ausgegangen. Wir sind jetzt bei 100“, erklärt Margulies. Heißt auch: längere Verweildauer. Da tut ein Polster dem Allerwertesten gut. Das „House of Small Wonder“ in Berlin hat der Bruder von Shaul eingerichtet, der schon seit zehn Jahren in Berlin lebt. Mit der Vorgabe, es möglichst wie in New York aussehen zu lassen – wie ein Gewächshaus. Diverse Gartenbau-Utensilien hängen an den Wänden im Aufgang, viel Grün rankt sich von der Decke, florale Deko-Tapeten sorgen für Urigkeit.

Zenkichi und House of Small Wonder zeigen: Japan-Food ist mehr als Sushi

Zwei denkbar unterschiedliche Konzepte, eins dunkel und kleinteilig, das andere eine helle Ein-Raum-Location, doch mit einem gemeinsamen Nenner: Asien. In fusionierter Form im kleinen Tagesbetrieb „House of Small Wonder“, das Bistrofood mit japanischem Twist offeriert. Der „Okinawan Taco Rice“ verbindet TexMex und gebratenen Eierreis, es gibt pochierte Eier mit Wasabi-Hollandaise und einen Cappuccino mit Matcha. Das schmeckt unter anderem den zahlreichen internationalen Mitarbeitern des Startup-Konglomerats „Rocket Internet“, der gleich nebenan sitzt.

Original Tokio-Style zelebriert man im Abendrestaurant „Zenkichi“: Die Gäste bestellen kleine Vorspeisen, asiatische Tapas, von denen der Gast sich idealerweise drei bis fünf bestellt und mit seiner Begleitung teilt. Oder das Acht-Gang-Menü „Omakase“ (was übersetzt so viel bedeutet wie: Ich überlasse die Auswahl dem Chefkoch), und isst sich vom Gemüse über Fisch und Fleisch bis zu den kohlenhydratreichen Gängen (z. B. Udon-Nudeln) durch. Sushi gibt es nicht.

Wir nehmen am zukünftigen „Chef´s Table“ Platz und dürfen einige Köstlichkeiten probieren: hausgemachtes, cremiges Tofu mit jungem Salat, Croutons und Sesam-Dressing, „Berkshire Kakuni“, in Brühe geköchelter, butterweicher Schweinebauch mit weich gekochtem Ei, Thunfisch-Sashimi. Dazu ein Becher fruchtiger Sake. Der Interviewtermin wird zum Genussmoment.

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Black Cod, schwarzer Kabeljau

Sake-Kultur nach Deutschland bringen

Sake, der traditionelle Reiswein, ist der Beverage-Schwerpunkt des „Zenkichi“. (Mehr dazu in diesem Beitrag). Rund 25 Sorten hat die Sake-Sommelière Motoko Watanabe schon zusammengetragen. In New York sind es heute mehr als doppelt so viele. Doch auch dort kannte man Sake kaum, als man startete bzw. auch nur die billige Version aus den Asia-Shops, die mit wahrem Sake wenig zu tun hat.

„Die Leute waren skeptisch, dass es schmecken könnte“, schreibt uns Motoko Watanabe, die zum Zeitpunkt unseres Gesprächs mit ihrem Mann gerade in Japan ist. Es habe gedauert, bis sich herumgesprochen hatte, dass der Sake im „Zenkichi“ gut ist. Heute gilt man man als der Ort für Sake schlechthin in der Metropole. „Wir hoffen, dass wir demnächst auch Tasting-Events in Berlin machen können“, so Watanabe.

Interessant: Sie hat beobachtet, dass die hiesigen „Zenkichi“-Gäste viel mehr Wert drauf legen, den Sake, das Essen, das Konzept im Ganzen zu verstehen. Wohingegen die New Yorker ihrem Bauchgefühl vertrauen („if it´s good, it´s good“), wollen es die Berliner genau wissen: „Why is it good?“. Ja, das klingt sehr deutsch…

Kultureller Hotspot

Schwieriger als in den USA ist der Bezug der Waren für die beiden Berliner Gastronomien. Beim Sake nimmt man dem Importeur aktuell soviele Kisten ab, wie man kriegen kann, und bezieht daneben direkt aus Japan. Beim Food ist es nicht einfacher: Der Hauptlieferant „JFC“, ein global player, ist zwar auf beiden Kontinenten derselbe. „Aber in New York ist sein Katalog so dick wie das Telefonbuch und hier, naja, eben nicht“, lacht Shaul Margulies.

Weil man alles selbst herstellt, alle Saucen, alle Marinaden, das Tofu aus fetthaltiger japanischer Sojamilch, ist es eine große Herausforderung, mit der deutlich geringeren Auswahl an Frischeprodukten zurecht zu kommen. Der Grund ist logisch: in New York gibt es einfach viel mehr japanische Restaurants und somit deutlich mehr Zulieferer.

Warum dann ausgerechnet Berlin? Die Stadt ist ein kultureller, kreativer Hotspot, findet Margulies „Das existiert in New York nicht mehr, da geht es nur noch ums Business.“ An das der studierte Philosoph und heutige Vierfach-Betreiber am Ende natürlich auch denken muss: „Hier Geld zu verdienen, das wird sicher schwieriger als in New York. Wir sind aber trotzdem gekommen!“

„Zenkichi“ und „House of Small Wonder“
Johannisstraße 20, 10117 Berlin / 77 N 6th Street, Brooklyn, New York
www.zenkichi.de / www.zenkichi.com
www.houseofsmallwonder.de / www.houseofsmallwonder.com

Editierte Version des zuerst in FIZZZ 7/2015 erschienenen Beitrags

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