Heute wurde bekannt gegeben, dass die Gastronomie-Messe „Barzone“ in diesem Jahr nicht stattfinden wird. „Man habe sich zu der Absage der für den 18./19. Mai dieses Jahres terminierten Messe im Hinblick auf die fehlenden Zusagen großer Aussteller aus dem Spirituosen- und Bierbereich entschlossen, informieren die Verleger und Veranstalter Andrea und Christoph Meininger. Der beachtliche Zuwachs kleiner und spezialisierter Aussteller habe das Fehlen großer Anbieter nicht ausreichend kompensieren können.“
Ich bedaure das. Die „Barzone“ stellt für mich einen wichtigen Termin im Messekalender dar, einen Ort, an dem man viele Gesichter aus der Branche wiedersehen und neue Produkte testen kann und wo es im Rahmen des Vortragsprogramms spannende Impulse gibt. Dass es bei den kleinen Ausstellern einen Zuwachs gegeben hätte, wie man jetzt wohl sagen muss, klingt für mich sogar noch interessanter und deswegen ist es noch mehr schade, dass ich sie dort nicht live erleben kann. Denn es sind – auf Produktseite genauso wie auf Gastronomieseite – meist die Kleinen, die neue Trends setzen und Bewegungen auslösen. Ob bei der (damals noch nicht national bekannten) Braukunst Live! 2013 in München oder zuletzt bei der Destille 2015 in Berlin – die Innovationskraft und die Qualität nischiger Produkte überrascht mich immer wieder. Natürlich sind auch hier Rohrkrepierer dabei. Aber das gilt bekanntlich auch für die Neuentwicklungen der Großen. Und wer hat die Craft-Bier-Welle in Deutschland ausgelöst? Craft-Spirituosen? Craft-Kaffee?
Mir ist aber auch einigermaßen klar, wie das Business läuft. Man braucht die Großen, um eine große Messe wie die „Barzone“ finanzieren zu können. Jedenfalls in der Art und Weise, wie diese bislang konzipiert ist, oder war. Wenn dann viele nicht dabei sind (oder den Sog einer Messe nutzen, um an den Abenden in der Stadt ihr eigenes Event auszurichten, aber keinen Stand mieten), dann geht die Mischkalkulation halt nicht auf. Damit sie das wiederum tun, einen Stand mieten, muss es für sie auch plausibel sein, heißt: Es müssen ausreichend Kontakte vor Ort erzielbar sein, damit man am Ende sagen kann: hat sich gelohnt. Wie misst man das eigentlich?
Meine Regel: immer vom Konsumenten oder Gast oder Besucher her denken. Wen spricht eine Messe wie der „Barzone“ an? Gemäß Profil vor allem Gastronomen aus der jüngeren, so genannten Trend- und Szenegastronomie. Auf dem immer wieder, aus meiner Sicht fälschlicherweise, in den Vergleich gesetzten „Bar Convent Berlin“ sind, so meine Beobachtungen, in erster Linie Bartender aus ganz Europa Gäste. Auf die „Internorga“ geht die breite Masse gestandener (nord)deutscher Wirte und Vertreter der Systeme. In Hamburg versucht man neuerdings, übrigens nach dem nachhaltigen Fernbleiben großer Brauer, sich speziell an jüngere Konzepte zu richten, mit einem Bereich für Newcomer-Produkte und neuerdings einem üppigen Craft-Bier-Bereich. Gut, und gleichzeitig fiel der angekündigte Startup-Wettbewerb komplett ins Wasser. Angeblich mangels zu weniger innovativer Konzepte, was Quatsch ist. Derer gibt es wirklich eine Menge, der Bewerbungsmodus war zu aufwändig. Das süddeutsche Pendant, die „Intergastra“, hat letztes Jahr bei ihrer Adressierung junger Gastronomie mit einem eigenen Sub-Format namens „Neo“ aus meiner Sicht versagt und gezeigt, dass man diesen Teil der Branche nicht hinreichend versteht plus das, was er will und braucht. Das zu verstehen, ist wohl die Kunst.
Woran lag es bei der „Barzone“, gab es zu wenig große Aussteller oder zu wenig klares Profil für die Besucher? Ich erlaube mir da kein Urteil. Nicht – Offenlegung – weil ich unter anderem frei für den Verlag schreibe, der die Messe ausgerichtet hat, und ich mir deswegen vorsichtshalber den Mund hielte, sondern weil ich es einfach nicht einzuschätzen vermag. Wohl aber, dass es da draußen viele innovative und gute neue, junge, unabhängige Konzepte gibt, die Inspiration, und zwar live, immer gut brauchen können! Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit, diese ganzen Cafés, Restaurants, Kneipen, Kneiporants, Restaurants, All-in-Ones, Pop-up-Sonstwas, Dinnerclubs, Cooking-Showrooms, Manufakturen mit Essbereich, Neo-Trinkhallen, Divebars 2.0s und soweiter alle zu besuchen, sie bringen so viel Schwung in die Branche. Und bin ich fest davon überzeugt: Es gibt einen Platz für ein Messe- oder Eventformat für die Zielgruppe, die diese tollen Konzepte betreiben. Es muss sie, nicht die Aussteller, ansprechen und abholen, und ebenso diejenigen, die einen Longseller betreiben, der vor 20 Jahren als total szeniger Betrieb gestartet ist und heute immer noch da ist. Die gibt es. zuhauf. Und deren Betreiber sammeln sich gerne neue Ideen ein, damit ihr Laden weiter läuft, ich weiß das aus vielen Gesprächen.
Wie könnte dieses Format aussehen? Vielleicht ist es gar nicht die klassische Messe? Es ist aus meiner Sicht wichtig, es von den Bedürfnissen einer neuen gastronomischen Zielgruppe her zu denken und aufzubauen. Speziell in den Metropolen, aber immer mehr auch in kleineren Städten, haben wir es mit einem neuen gastronomischen Unternehmertypus zu tun, der sich stärker als früher vernetzt und mit Kollegen austauscht, über den Tellerrand blickt (und sogar ins Ausland fährt, um sich Konzept-Inspirationen zu holen), der kleine und nischige Produkte neben die großen Brands stellt und der vor allem immer größeren Wert auf Qualität, eigene Rezepturen, Handwerklichkeit und Nachhaltigkeit legt. Nicht nur aus Idealismus, sondern weil die Gäste das immer mehr einfordern und sonst woanders hingehen.
Ich kann es nicht quantifizieren oder in Zahlen belegen, aber weil ich seit 15 Jahren diese Branche beobachte, erlaube ich mir diese Einschätzung zu äußern: Gastronomie ist heute insgesamt innovativer, weil der vielzitierte Anspruch der Gäste insgesamt gestiegen ist, zumindest in diesem Segment. Und deswegen ist der Bedarf an externer Inspiration für Innovation in den eigenen Räumen heute insgesamt größer. Es ist keine Frage des Markts, der ist da, vielmehr des Formats.
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1 Kommentar
Hallo Jan,
schön zusammengefasst und ich stimme dir uneingeschränkt zu. Gerade Köln ist aus meiner Sicht ein ideales Pflaster. Ich kann den Termin aus meinem Kopf noch nicht streichen, lass bitte morgen einmal telefonieren.
Gruß,
Jörg