Warum und wie man eine Gastronomie eröffnet: Darüber gibt es viel zu lesen. Warum und wie jedoch man eine Gastronomie schließt: darüber eher wenig. Ist der Stecker erst gezogen, wollen viele nicht mehr darüber sprechen. Und doch gehört es zum Lebenszyklus der Branche und betrifft – die Fluktuation ist bekanntlich hoch – viele Konzepte.
Wie also macht man richtig Schluss? Gastronomen aus Hamburg, Frankfurt und Essen/Ruhr waren so freundlich, uns ihre Erfahrungen zu schildern.
„Tagesgastronomie? Nie wieder!“, sagt Koral Elci. Das Thema ist für ihn erledigt. Nicht aber die Gastronomie an sich: Zusammen mit seinem Bruder Onur macht er seit fast einem Jahrzehnt die „Kitchen Guerilla“ und bespielt erfolgreich eigene Events und Veranstaltungen für Unternehmen im ganzen Land und im eigenen Hamburger „Basecamp“. Die Idee mit der italienischen Focacceria hatte die beiden jedoch nicht losgelassen, im Frühjahr 2016 eröffneten sie die Foccacceria Bonassola in einer Souterrainlage im Stadtteil Ottensen.
Und verdoppelten damit – gefühlt – auf Anhieb ihr Arbeitspensum. „Koch, Kellner, Spüler, Designer, Beamter, gerade am Anfang bist du alles in einer Person. Hätten wir nur den Laden gemacht, wäre es vielleicht gegangen. Aber beides ging nicht. So will ich nicht leben“, berichtet Elci. Für die ihm so wichtige Familie blieb einfach keine Zeit mehr. Was den Elci-Brüdern im Voraus schon klar gewesen ist – zu lange stehen sie an vorderster Front im Gastrobusiness, um sich der Illusion hinzugeben, dass ein Laden schon alleine ans Laufen käme.
Doch es habe zu lange gedauert, den Laden zu den richtigen Umsatzzahlen zu bringen, das Personal wechselte oft, die Personalkosten waren zu hoch und auch die – eigentlich sehr charmante Lage – sei fürs Konzept alles andere als optimal gewesen. „Wir hätten eine 1A-Lage gebraucht, einen kleinen Laden und nur Take-away“, konstatiert Elci. Fast Food statt Slow Food.
Ein Minusgeschäft – aber nicht für die Katz
Schnell hingegen konnte man, als die gemeinsame Entscheidung des Schlussmachens gefallen war, die Sache abwickeln: Binnen sechs Wochen war der Laden verkauft. „Da hatten wir Glück, über einen Freund einen Makler gefunden zu haben und über den einen Gastronomen, der den Laden übernommen hat.“ Nun gibt es Ramen in der Großen Rainstraße 20, der Nachmieter zahlte einen Abstandsbetrag, der höher liegt als der Preis, den die Elci-Brüder beim Anmieten der Fläche zahlen mussten.
Also ein Plus? „Nein, am Ende ist es schon ein Minusgeschäft. Wir haben einiges in den Ausbau gesteckt“, so Koral Elci. Übrigens: Für die Katz war das eigentlich auf Multiplikation ausgelegte Italo-Konzept keineswegs. Denn die hier entwickelten Produkte kommen bald in den Handel – Backmischungen und Tiefkühlware unter dem Markennamen „Bonassola Premium Italian Bakery“.
Eine Eröffnung ist wie eine Geburt, eine Schließung ist wie eine Beerdigung: Du musst beides auch bürokratisch abwickeln. Mein Tipp: Kündigungsfristen beachten, keine langen Vertragslaufzeiten eingehen, eine gute Checkliste mit allen Kontaktdaten erstellen – und jederzeit offen und ehrlich gegenüber den Mitarbeitern bleiben.
Koral Elci
Blaues Auge: What The Food!
Nach eigenem Bekunden „mit einem blauen Auge davon gekommen“ sind die beiden Frankfurter Gastronominnen Ekaterina Bozoukova und Nina-Katherina Rümmele. Auch sie haben ihr Gastrokonzept „What The Food“ ohne größeren Schaden abgewickelt. 2014 gegründet, eröffneten sie im Sommer 2015 auf der Kaiserstraße im Frankfurter Bahnhofsviertel den ersten Store ihres Health-Food-Ganztageskonzepts, gut zwei Jahre später den zweiten in Hamburg. Ein dritter (auch Hamburg) war in Vorbereitung, doch Anfang 2018 traf eine Pressemeldung in den Redaktionen ein: „What The Food!“ wird eingestellt.
Der Grund? Viele Gründe. Die von den Betriebswirtinnen im Vorfeld kalkulierten Zahlen erwiesen sich als zu hoch angesetzt. Frequenz war weniger das Problem, aber das auf gesundes Essen ausgelegte Konzept brachte auch viele Kosten mit sich. „Zum einen sind die Produkte im Einkauf teurer, zum anderen kann man nicht auf günstige Geschmacksträger wie zum Beispiel Zucker oder übermäßig Fett zurückgreifen, und zuletzt der hohe Personalbedarf“, so Ekaterina Bozoukova.
Auch sei man gefühlt zu früh dran gewesen, selbst in einer internationalen Stadt wie Frankfurt habe 2016 noch nicht etwas mit Quinoa anfangen können: „Dadurch, dass viele nicht wussten, was es ist und vor allem wie teuer es im Einkauf ist, waren unsere Preispunkte am Anfang nur schwer durchzusetzen“. Rückblickend betrachtet, würde man mehr Zeit und Geld einplanen, mehr in Marketing investieren, besagtes Nichtverständnis für die Produkte ernster nehmen und konstant dranbleiben, erklärt ihre Geschäftspartnerin Nina Rümmele selbstkritisch: „Wir haben damit relativ spät begonnen.“
Finanziell eng wurde es, als kurz nach der Eröffnung von Restaurant Nummer zwei – und das dritte war schon angemietet – Fremdkapitalgeber absprangen, zudem war ein halbes Jahr zuvor eine Finanzierungsrunde gescheitert. Schließlich mussten die beiden Insolvenz anmelden.
„Bei einer Insolvenz sind einem, anders als bei einer normalen Schließung, die Hände gebunden und alles muss mit dem Verwalter abgestimmt werden. Proaktiv und motiviert an die Sachen gehen und sich mit dem Verwalter gut stellen“, empfiehlt blickt Nina Rümmele, „eine Insolvenz ist zwar in vielen Situationen schlecht, hat aber ein Gutes: Man kommt aus allen Verträgen ohne Probleme raus.“
Hart verhandelt, Netzwerk aktiviert
Wie der Verkauf der Flächen im Detail ablief, darüber können die beiden Ex-Gründerinnen nicht im sprechen. Was sie aber sagen können: Sie haben hart verhandelt. Die Attraktivität der Flächen, vor allem in Frankfurt, habe sich dabei vorteilhaft ausgewirkt, und dass man trotz des Verkaufen-Müssens nicht auf niedrige Angebote eingegangen, sondern die Gespräche sehr preis- und selbstbewusst geführt habe.
Dass sich die beiden aufeinander verlassen konnten, selbst in den Zeiten, in denen sie sich keine Miete mehr leisten konnten, habe enorm geholfen. So stand man das Ganze gemeinsam durch und baute keine zusätzlich belastende Front auf. Nina Rümmele: „Eine Gründerbeziehung auf Basis einer sehr guten, stabilen Freundschaft aufzubauen, hat in unserem Fall sehr gut funktioniert. Auch nach der Insolvenz kann man sich hundertprozentig aufeinander verlassen.“
We fucked up so you don’t have to: Die Gründerinnen von What The Food über ihren Gastro-Fail
Gemeinsam stellt man nun in Form von Vorträgen die gastronomische „Fail-Story“ schonungslos vor. Ein selten offener Umgang mit einem am Ende doch ziemlich häufigen Fall.
Bürgt niemals privat! Man mag am Anfang der Gründerkarriere sehr selbstbewusst und zuversichtlich sein. Da aber neun von zehn Start-ups scheitern und diese Zahl in der Gastronomie sicher mindestens genauso hoch ist, ist die Wahrscheinlichkeit nun mal hoch, dass man nach ein bis drei Jahren den Laden wieder dichtmachen muss. Selbst wenn es dann generell an der Umsetzung der Idee scheitert, würden wir lieber empfehlen, länger zu warten und anderweitig nach finanziellen Mitteln zu suchen.
Nina Rümmele
Reif für das Ende der Insel
Zu viel Arbeit, zu viel Stress, zu viel Bürokratie, zu wenig Leben: Trotz recht gut laufender Geschäfte entschlossen sich Ralf Klümper und seine Geschäftspartnerin Christiane Elger, „Die Insel“ auf der Rüttenscheider Straße zu schließen (wir berichteten). Zu viel stand man selbst in der Küche und hinter dem Tresen – gutes Personal für das Frischekonzept war schwer zu finden und zu halten, Delegieren ergo nur bedingt möglich gewesen.
„Dann hätten wir eindeutig mehr auf Convenienceware setzen müssen. Das muss ja nicht immer zwangsläufig schlechter schmecken, hat aber mit frischem Kochen nichts mehr zu tun. Oder wir hätten die Speisekarte zu stark reduzieren müssen. Was bei einem Ganztagesbetrieb sicher nicht funktioniert hätte“, erläutert Klümper.
So entschied man 2014, mit einem Vorlauf von zweieinhalb (!) Jahren, Schluss zu machen. Im April 2017 gingen dann, nach langer Zeit des Runterfahrens, die Lichter aus. Eigentlich war angedacht gewesen, auch das Konzept zu übergeben, doch der Vermieter habe sich, berichtet Klümper, entgegen vorheriger Absprache einer gemeinsamen Nachmietersuche auf eigene Faust darum gekümmert.
Der Nachmieter konnte nur wenig Mobiliar übernehmen, was für Klümper und Elger eine geringere Abstandszahlung bedeutete als im Rahmen des Verkaufs eingeplant. Dekoration und Möbel wurden dann anderweitig verkauft und das nicht schlecht: „Mit unserer nordisch-skandinavischen Einrichtung hatten wir seinerzeit einen Stil kreiert, der heutzutage sehr beliebt ist. So ist es uns gelungen, sämtliche Tische, Stühle und Deko zu vernünftigen Preisen zu verkaufen.“
Von der Gastronomie in die Beratung
Klümper blieb der Branche treu. Er arbeitet als Gastronomie- und Gründungsberater unter dem Unternehmensnamen Klüger Consulting und schreibt für Fachmedien, u.a. die Kolumne „Das Gründer-ABC“ hier auf dem nomyblog. Er hat – zumal mit der eigenen Erfahrung – auch Expertise anzubieten, was zu tun ist, wenn es mit der Gastronomie nicht mehr weitergeht bzw. weitergehen soll.
Ein Schema F gibt es allerdings nicht, stellt er klar: „Es kommt immer darauf an, ob man aufhört, weil man pleite ist oder ob es – wie bei uns – andere Gründe gibt. Die finanziell begründete Aufgabe eines Lokals ist sicher die schlimmste Form, weil sie lange nachwirken wird. Wenn man ein Lokal aufgibt, das gut lief, bietet es sich natürlich an, das Konzept zu verkaufen. Aber: Grundsätzlich ist das recht schwierig, wenn man bisher nur einen Laden hatte.“
Ein Konzept ist meist noch kein proof of concept. Auch der Zeitpunkt der Nachfolgersuche sei wohlüberlegt: „Zu früh sollte das nicht passieren, da sich so etwas auch negativ bei den Gästen herumspricht und das Gerücht einer Pleite schnell die Runde macht. Zu spät darf es aber auch nicht sein, da ansonsten der Vermieter schon einen Nachfolger selbst gesucht haben kann, der ganz andere Ideen für das Lokal hat“, weiß er, wie beschrieben, aus eigener Erfahrung. Es muss ergo von Fall zu Fall genau geschaut werden, wie eine Schließung angegangen wird.
Wozu der Experte allerdings grundsätzlich rät:
Investitionskosten – und damit auch meist die Verschuldung – so gering wie möglich halten. Sich mittels eines Kredits für fünf bis zehn Jahre zu binden, bedeutet eben auch, dass es das eigene Unternehmen mindestens genauso lange erfolgreich geben muss. Und immer gilt: Den einfachsten Gewinn erreicht man mit nicht gemachten Kosten – egal ob Investitions- oder laufende Kosten.
Überarbeitete Version des zuerst in fizzz 9/2018 erschienenen Beitrags.
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