Die meisten Food- und Beveragegründer haben ein Ziel vor Augen: Ihr Produkt im Supermarktregal stehen zu sehen. Und dort soll es aber nicht nur stehen, sondern sich auch drehen, wie es im Fachjargon heißt. Wie klappt das?
Darüber sprachen beim 24. FEC Tuesday des Berliner Food Entrepreneurs Club drei Branchenprofis mit FEC-Gründerin Steffi Rothenhöfer:
Laura Zumbaum, Gründerin der Selo Good Beverages GmbH, die eine auf der grünen Kaffeebohne basierende Limonade namens Selo Green Coffee in mittlerweile drei Sorten verkauft. Zuvor war Laura bei den Food-Unternehmen Coffee Circle und MyMüsli tätig. Mit dem Vorgängerprodukt Selosoda (das aufgrund einer, Meinung der Redaktion, irrwitzigen EU-Verordnung verboten wurde) ist sie in der Gastro gestartet, jetzt mit der neuen Range national in Bio-Supermärkten gelistet und vor sechs Monaten zudem in den konventionellen Handel in Berlin, Hamburg und NRW gegangen. In fünf Jahren will sie in ganz Europa ihre Produkte vertreiben, in UK laufen erste Tests. Sie begann mit 25.000 Euro Startkapital, heute ist ein Business Angel an dem Unternehmen beteiligt.
Konrad Knops, Co-Gründer von Bone Brox, Hauptprodukt ist Knochenbrühe im Glas. Der Physiotherapeut las zufällig einen Artikel über Behandlungen mit der collagenhaltigen Knochenbrühe, begann sie zu kochen und tut dieses im Unternehmen mittlerweile im großen Stil. Die Physiotherapie-Praxis hat er mittlerweile geschlossen. Große Bekanntheit bekam Bone Brox durch den Pitch in „Die Höhle der Löwen“. Ein Beteiligungsangebot seitens der Löwen lehnte man aber ab, man hat einen anderen Investor. Umsatzerwartung 2018: über eine Million Euro.
Dirk Siemenowski ist Vertriebsprofi und Gründer von foodie & friends. Die Agentur hilft jungen Unternehmen (u.a. Bone Brox) beim Einstieg in den Einzelhandel. Er leitet zudem einen Spezialitätengroßhandel für Startups und Manufakturen. „Ich tingle mit den Produkten durch die Gegend und nutze Kontakte, die ich über die Jahre aufgebaut habe. Ich bin ein Handelsvertreter“, so seine Selbstbeschreibung. Nachhaltigkeit ist ein Schwerpunkt des Portfolios.
Diese 7 Learnings haben wir vom Talk mitgenommen:
1. Wer in den Handel will, muss von Anfang an testen
Man kann über eine Agentur zum Beispiel mal in fünf Supermärkten einen Test machen, um eventuell sein Produkt anpassen zu können. In kleinen Cafés zu verkaufen, reicht dauerhaft alleine nicht aus. (Laura Zumbaum)
Man kann (z.B. als biozertifiziertes Produkt) auch zu einer Biocompany oder einer LPG hingehen: „Ich möchte es in zehn Läden testen.“ Die sind eigentlich relativ offen. (Dirk Siemenowski)
2. Wer in den Handel will, muss engen Kontakt zu Einkäufern pflegen
Es geht dem Einkäufer immer darum: Wie viel Geld kann ich mit dem Kubikzentimeter im Regal machen? Wir rufen die Filialleiter mindestens zweimal im Jahr an, Kommunikation ist wichtig (Konrad Knops)
Wie man Einkäufer überzeugt? Reden, reden, reden! (Dirk Siemenowski)
3. Alleinstellungsmerkmale erhöhen die Chance, gelistet zu werden
Getränke gibt es en masse, deswegen haben sie oft schwer. Es helfen Besonderheiten, wenn das Produkt möglichst nicht vergleichbar ist. Die meisten Neuprodukte haben den gleichen Vorteil eines anderen, ähnlichen Produkts. Warum ein zweites gleiches Produkt reinnehmen und Platz schaffen? Da sind die Chancen oft gering. Knochenbrühe – als Beispiel – ist einzigartig, keine normale Brühe und ein Fleisch-Gegentrend zum Vegan-Trend. Das ist besonders. (Dirk Siemenowski)
Sollen wir es Kraftbrühe oder Knochenbrühe nennen? Das war eine Riesenentscheidung. Wir haben Knochenbrühe genommen. Ein neues Wort, eine andere Sparte: hoher Collagengehalt, 18 Stunden gekocht. Wir haben eine Qualitätsstufe kreiert, die noch nie zuvor im Handel verfügbar war. (Konrad Knops)
Sich biozertifizieren zu lassen ist, anders als viele denken, nicht unfassbar teuer und aufwändig. Man muss das tun, was man sowieso tun muss: Rechnungen sammeln, Einnahmen und Ausgaben aufstellen, ein Kontrolleur kommt vorbei. Es kostet je nach Zertifizierungsstelle 300 bis 600 Euro pro Jahr. Man muss eben nur genau wissen, was und wo man einkauft und was man macht. (Dirk Siemenowski)
4. Marke/Image: Ausgehend vom Produkt und Gründer
Eine gute Marke ist präsent, gutaussehend, zeitgeistig – aber völlig abhängig vom Produkt. Ich habe Aufstriche mit gemalten Etiketten im Portfolio, Bone Brox ist schlicht schwarz. Es muss dem Gründer gefallen, er muss dahinter stehen. (Dirk Siemenowski)
5. „Blei im Regal“-Problem (Kunde im Supermarkt versteht und kauft nicht)
Das Produkt muss für sich funktionieren, Visualisierung, Alleinstellung, Attraktivität. Dabei darf man sich nicht nur auf ein urbanes Zentrum verlassen. (Laura Zumbaum)
Wo möchtest du landen? Wie möchte ich in einem Bioladen stehen? Oder im LEH? Entsprechend musst du dich darstellen. Und du musst auch damit leben können, dass du eventuell irgendwo wieder ausgelistet wirst. (Dirk Siemenowski)
6. Das Faltin’sche Komponentenmodell empfiehlt sich für Gründer
Möglichst viel auslagern und Prozesse schlank halten hilft (Laura Zumbaum, Anhängerin des von Gründer-Guru Prof. Günter Faltin entwickelten Komponentenmodells, sie hat anfangs selbst in einem kleinen Unternehmen abgefüllt, jetzt bei einem handelsbekannten großen Abfüller, heute würde sie direkt bei einem großen anfangen)
7. Langsam wachsen & durchs „Tal des Todes“
Eine Marke darf nicht zu schnell wachsen. Man muss Produkte unbedingt liefern können, da ist der Handel empfindlich. Keine Lieferengpässe! Langsames Wachstum ist gutes Wachstum, aber man sollte es nicht klein künstlich halten. (Dirk Siemenowski)
Durch das Wachstum ändert sich die Rolle des Gründers. Man muss viel abgeben, HR und Onboarding werden Themen. Es klingt einfach, ist aber sehr kompliziert – und teuer, wenn man gute Leute haben will. Zwischen Gründung und Größe ist man im „valley of death“ – wer abgeben (delegieren) muss, muss investieren. Daran sind schon viele Startups gescheitert.
(Konrad Knops)