Eine Hommage an alte Schätze: Unter dem Motto „The Library“ setzte Campari auf dem Bar Convent Berlin 2016 fast vergessene Cocktails neu in Szene. Gäste hatten die Möglichkeit, am Stand in alten Rezeptbüchern zu schmökern, Ikonen der Barszene zu treffen und Neuinterpretationen klassischer Drinks zu probieren. Zum Beispiel von drei jungen Bartendern, die alte Cocktails mit eigenem Twist in die Gegenwart holten. Unser Nachbericht.
Wenn eine lebende Bartender-Legende wie Dale DeGroff in Deutschland auf der Bühne steht und über die Kunst des Cocktail-Mixens spricht, dann kommen viele junge Kollegen herbeigeströmt. Entsprechend (rappel)voll war die Masterclass „Forgotten Cocktails Re-Mastered – Prospecting for Gems in the Early Cocktail Books“ auf dem diesjährigen „Bar Convent Berlin“.
Der New Yorker „King of Cocktail“ und Autor des Barbuch-Klassikers „The Craft of the Cocktail“ sprach zusammen mit Gonçalo de Sousa Monteiro von der Berliner Bar „Buck and Breck“ und Mauro Mahjoub (Brand Ambassador Campari Deutschland) über Vintage-Cocktails, ihre Wiederentdeckung und wie man sich als Nachwuchs-Bartender in diese Welt „hineinarbeiten“ sollte: Nicht jede Woche eine neue Karte mit wilden Eigenkreationen schreiben, sondern erst die Klassik verstehen und auf ihr aufbauend, mit Zeit und Geduld, zu eigenen Interpretationen finden – das riet DeGroff den gebannt lauschenden jungen Kollegen.
Ein Klassiker wird nicht alle Tage geschaffen
Neue Cocktails tauchen täglich auf, doch einen Klassiker zu schaffen, das sei etwas ganz anderes, so DeGroff: „Wie viele Drinks haben wir alle hier in diesem Raum zusammen in den letzten Jahren kreiert, die in zehn Jahren noch da sein werden?“ Als Bartender habe man heute die großartige Möglichkeit, mit Zutaten zu arbeiten, die noch die die Innenseite eines Cocktailglases gesehen haben. Das sei faszinierend, aber bedeutet auch Verantwortung: Man muss lernen, wie man diese Aromen benutzen kann. Passen sie zusammen? Den klassischen Aufbau eines Drinks könne man nicht ignorieren: „You cannot skip the steps“, so DeGroff.
„Die Struktur muss erhalten bleiben“
Dieser Aussage stimmt Marie Rausch zu: „Ein Klassiker muss ein Klassiker bleiben. Man kann ihn mit einer Raffinesse versehen, die es damals vielleicht nicht gab, und ihn so interpretieren, dass er zu meinem Drink wird. Aber die Struktur muss beibehalten werden.“ Rausch ist Chefin des Bar-Restaurants „Rotkehlchen“ in Münster und eine von drei Bartendern, die auf dem „Bar Convent Berlin“ ihre persönliche Interpretation eines „vergessenen Cocktails“ vorstellen und am Stand von Campari live vor Fachpublikum mixen dürfen.
Bartender aus ganz Deutschland hatten sich im Vorfeld für diese einzigartige Möglichkeit beworben, auf dem größten Bar-Event Europas in Anwesenheit namhafter Bartender (wir berichteten) alten Cocktails neues Leben einzuhauchen und dabei den erfahrenen Kollegen Dale DeGroff, Gonçalo de Sousa Monteiro und Mauro Mahjoub nachzueifern, die je zwei Cocktail-Neuinterpretationen vorstellten.
Neue Drinks auf Basis alter Rezepte
Wie Mauro Mahjoub hat sich auch Marie Rausch die „Camparinete“ von 1929 als Vorlage ausgesucht. Ihre „Signora Campayone“ mit Campari, Balvenie 12 Jahre und PX Sherry ist kräftig und rauchig, einen schönen geschmacklichen Kontrapunkt dazu schafft der Schaum mit einem selbst gemachten Sirup aus der fruchtigen, koffeinhaltigen Kaffeekirsche Cascara.
Zusammen mit Marie Rausch präsentierten zwei weitere Bartender aus Nordrhein-Westfalen, beide aus der Landeshauptstadt, ihre Kreationen. Tim Szczygielski vom „Mojito’s“ in Düsseldorf stellte seinen „The Funch Town“ vor, ein Update des legendären „Capetown Cocktail“ aus dem Jahr 1930. Madeira-Wein gibt dem Drink auf Basis von Wild Turkey 101 Bourbon einen angenehm fruchtige Süße, erklärt er: „Er passt mit seinen Trockenfrüchten gut zur Vanille des Whiskeys und die Creole Bitters runden es ab.“ Auch Szczygielski findet, dass die „DNA“ eines Drinks immer erkennbar bleiben muss: „Wegen der vielen Produkte, die es heute gibt, haben wir die Möglichkeit, mit komplexeren Aromen zu arbeiten als frühere Drinks sie hatten. Aber man muss die alte Linie bewahren.“
„Die Kunst ist, aus der Vielfalt das Richtige zu wählen“, ergänzt Orlando Fernetti von der „Bar Alexandra“ in Düsseldorf. Er ist der dritte Bartender, der seine Neuinterpretation am „Forgotten Cocktails“-Stand von Campari vorstellen darf: Den „Rum Daisy“ aus dem „Bartender’s Manual“ von Jerry Thomas aus dem Jahr 1930 bringt er als „Mademoiselle Daisy“ in die Gegenwart. Flambierter Rosmarin gibt dem Drink mit Appleton Estate 12 Jahre und Grapefruit einen erfrischend-herben mediterranen Twist.
Grundverständnis für Originale ist die Basis fürs Experimentieren
Drei junge Bartender, drei schöne Interpretationen alter Drinks – da hatten es Dale DeGroff, Gonçalo de Sousa Monteiro und Mauro Mahjoub nicht leicht, den Gewinner zu küren, der nach New York reisen und den fünftägigen Trainings- und Informationskurs des renommierten Beverage Alcohol Resource (BAR) Programms für Bar-Professionals besuchen darf, den unter anderem Dale DeGroff leitet. Die Wahl fiel schließlich auf die Dame in der Runde: Marie Rausch. Herzlichen Glückwunsch!
Sie freut sich schon sehr auf den Trip und rät Kollegen, die sich wie sie mit alten, fast vergessenen Cocktails beschäftigen wollen:„Wer ein Grundverständnis für Originale und alte Rezepteinheiten hat, kann hervorragend darauf aufbauen und experimentieren.“
Das Booklet „Forgotten Cocktails“ mit alten und neuen Rezepten gibt es hier zum Download.
Signora Campayone
Update der Camparinete (1929)
von Marie Rausch, Rotkehlchen Münster
2cl Campari
2,5cl Balvenie 12 years
2 cl PX Sherry
Glas: Coupette
Im Rührglas auf viel Eis verrühren (mindestens eine Minute). Dann in eine Coupette doppelt abseihen. Im Shaker 1 Eigelb mit 2cl Cascarasirup (Sirup aus dem Fruchtfleisch der Kaffeekirschen mit hohem Koffeingehalt und fruchtigem Geschmack) und Zitronenabrieb sowie 1 Messerspitze Salz shaken. Erst im Dryshake, danach mit Eis. Der gewonnene Schaum ähnelt nun einer Sabayone und wird auf den Drink in der Coupette gelöffelt. Mit Blüten der Saison garnieren.
The Funch Town
Update des Capetown Cocktail (1930)
von Tim Szczygielski, Mojito’s Düsseldorf
5cl Wild Turkey 101 Bourbon
1,5cl Madeira Medium Sweet
1 Barspoon Marie Brizzard Orange Curacao
2 Dashes The Bitter Truth Creole Bitters
Garnitur: Kirsche und abgespritze Zitronenzeste
Glas: Kelch
Alle Zutaten in ein Rührglas geben. 10 bis 20 Sekunden auf Eis kalt rühren, in einen Kelch absieben und mit Zitronenzeste bespritze Kirschen auf einem Zahnstocher auf das Glas legen.
Mademoiselle Daisy
Update des Rum Daisy (1930)
von Orlando Fernetti, Bar Alexandra Düsseldorf
5 cl Appleton Estate 12 years
1,5 cl Lime Juice
1 cl Agavensirup
2,5 cl Pink-Grapefruit-Saft
2 kleine Rosmarin-Zweige
Garnitur: trockengedörrte Orangenscheibe, flambierter Rosmarin, Ananasblätter, Holzklammer
Glas: Tumbler
Alle Zutaten in einen Shaker geben, Rosmarin im Shaker anmuddeln. Gefrostete Eiscubes dazugeben und kurz shaken. Anschließend auf einen mit Crushed-Eis befüllten Tumbler doppelt abseihen.