Ein flüssiges japanisches Traditionsprodukt ist der Sake, ein weiteres der Shochu, oft auch Shōchū geschrieben. Doch was verbirgt sich dahinter genau? Woraus wird dieses Produkt hergestellt, wie schmeckt es und womit kann man es pairen? Zwei Expert*innen klären uns auf: Ilka und Kai Fryder betreiben Ginza Berlin, ein Spezialitätengeschäft für handwerkliche asiatische, vor allem japanische Spirituosen, die es hierzulande sonst kaum gibt. Seit Ende 2023 gibt es mit dem „Atelier Ginza“ auch eine stationären Store mit Tastingroom, mehr dazu ganz unten.
Ilka, Kai: Was ist Shochu, was macht den Unterschied zum Beispiel zu Sake aus?
Kai: Shochu ist eine traditionelle japanische Spirituose, die seit Jahrhunderten in oft winzigen Betrieben hergestellt wird. Wie beim Sake oder auch bei der Sojasauce, wird bei der Herstellung Koji verwendet, ein Pilz, der aus der japanischen Küche nicht wegzudenken ist. Er unterstützt die Fermentation und gibt dabei sehr charakteristische Geschmacksnoten ab. Shochu kann aus unterschiedlichsten Rohstoffen hergestellt werden. Häufig findet man Gerste, Reis, Buchweizen oder Süßkartoffel, es kommen aber auch außergewöhnliche Produkte wie Paprika, Shiso, Milch oder Sesam zum Einsatz. Für eine Spirituose hat Shochu einen meist eher niedrigen Alkoholgehalt von 25-30% vol, was ihn zu einem spannenden Essensbegleiter macht.
Ilka: Und Achtung – es gibt kaum Gemeinsamkeiten zwischen Shochu und koreanischem Soju, außer dass die Namen ähnlich klingen. Geschmack und Herstellung sind komplett unterschiedlich, es ist ein anderes Produkt.
Gibt es verschiedene Qualitäten, wie man sie vom Sake kennt?
Ilka: Der „echte“, sogenannte Honkaku Shochu, ist immer nur einfach gebrannt, wodurch man das Grundprodukt geschmacklich sehr gut herausschmecken kann. Er dürfen außerdem keine Zusatzstoffe zugefügt werden. Das Hauptunterscheidungsmerkmal neben dem Grundprodukt ist die verwendete Koji-Art. Es gibt weißen, gelben und schwarzen Koji. Die drei haben alle einen deutlich unterschiedlichen Geschmack, auf die Qualität hat dies allerdings keinen Einfluss. Im Unterschied zum Honkaku Shochu gibt es auch industriell gefertigte Massenware, die in bunten Alkopops, den sogenannten „Chu-Hi“, zum Einsatz kommen.
Wie steigt man in die große Shochu-Welt am besten ein?
Kai: Es gibt bestimmte Grundstoffe, wie zum Beispiel Gerste, die sich geschmacklich etwas mehr zurückhalten. Wenn man gerne Sake trinkt, ist Reis-Shochu wahrscheinlich am zugänglichsten. Wer es eher experimentell mag, wird von einem Shiso- oder Sesam-Shochu sofort begeistert sein. Liebhaber von Rum oder Whisky kriegt man in der Regel eher mit einem fassgelagerten Exemplar, wo hingegen die Freunde von feineren, floralen Noten den jungen, ungelagerten Shochu bevorzugen. Das alles ist Geschmackssache und wirklich individuell sehr verschieden, fest steht nur, dass bei der großen Anzahl an verfügbaren Produkten sehr wahrscheinlich für jeden etwas dabei ist. In Tokyo etwa gibt es eine Bar mit 5.500 verschiedenen Shochus. Da dürfte jeder fündig werden.
Wie kam es eigentlich dazu, dass ihr euch mit Shochu und anderen japanischen handwerklichen Spirits beschäftigt, und wie wurde ein Business daraus?
Ilka: Die Japaner sind sehr gut darin, die wirklich guten Sachen für sich zu behalten. Als wir das erste Mal nach Japan gefahren sind, waren wir überrascht, wie viele tolle Sachen es gibt, die wir noch nie irgendwo anders gesehen hatten. Und dann gibt es dieses Spannungsfeld zwischen den kleinen Handwerksbetrieben auf dem Lande, die oft in jahrhundertealter Tradition arbeiten, und den Kreativen in den Megametropolen wie Tokyo und Osaka, die permanent nach neuen Innovationen suchen. Dadurch entsteht dieser ständige Strom an neuen Produkten, der uns so fasziniert. Diesen wollten wir den Europäern nicht vorenthalten. Und so war die Geschäftsidee geboren.
Auf Events zeigt ihr ja auch, dass man mit Shochu Cocktails mixen kann. Bei Sake finde ich persönlich, dass es viele Drinks gibt, in denen er völlig untergeht und vom filigranen Geschmack nicht viel übrigbleibt. Ist Shochu ähnlich fragil wie Sake? Worauf sollte man beim Mixen achten?
Kai: Shochu ist in der Regel zwar sehr leicht, kann sich aber mit seinen oft kräftigen Geschmacksnoten sehr gut durchsetzen. Die eher außergewöhnlichen Shochus aus Sesam oder Shiso kann man sehr kreativ einsetzen, um etwas völlig Neues zu kreieren. Die klassischeren Shochus aus Gerste oder braunem Zucker haben dagegen eine ähnliche Charakteristik wie Whisky oder Rum, so dass man diese in Cocktails mit ihnen ersetzen kann. Es gibt einige Shochus, die einen höheren Alkoholgehalt aufweisen, ab 37% bis hin zu sogar 45%. Das ist zum Cocktail-Mixen natürlich ideal.
Was ist ein guter, einfacher Drink mit Shochu?
Ilka: Sehr einfach, aber mit verblüffendem Effekt, ist zum Beispiel ein Shochu Sour. Gleiches Rezept wie der Whisky Sour, mit Zitronensaft und Zuckersirup, aber anstatt Bourbon nimmt man einen kräftigen, fassgelagerten Gersten-Shochu. Sehr spannend ist auch ein „Japanischer Vermouth“, ein Teil Zitruslikör auf vier Teile fassgelagerten Süßkartoffel-Shochu, mit Soda aufgefüllt.
Ihr habt Shochu als Essensbegleiter schon angesprochen. Weil diese Spirituose aus so vielen unterschiedlichen Rohstoffen bestehen kann, vom Sesam über Buchweizen bis Süßkartoffel, ist sie – vermute ich jetzt mal – auch mit vielen Speisen kombinierbar, und nicht nur japanischen. Denkt mal an die deutsche Küche, Schweinebraten, saurer Hering, Spätzle, welche Pairings könnten da funktionieren?
Kai: Überraschend gut passt Süßkartoffel-Shochu, Imo Shochu, zu deftigem Fleisch wie Schweinebauch oder Kasslerbraten, aber auch zu einem saftigen Burger. Shiso Shochu ist köstlich zu gebratener Hähnchenbrust, zu Lachsfilet, aber auch zu Auberginen-Mousse. Gersten-Shochu – Mugi Shochu – ist toll zu Gemüse wie grünem Spargel oder gebratenen Paprika. Reis Shochu, Kome Shochu, ist ein schöner Begleiter für Meeresfrüchte. Und Shochu aus braunem Zucker, Kokuto Shochu, passt perfekt zu würzigem Käse und Schokolade. Und unser Sesam Shochu, Goma Shochu, ist zu allem großartig, wozu man denkt, dass Sesam passt, etwa gebratenem Thunfisch, Rinderfilet oder Eiscreme.
Wo kann man euren Shochu in der deutschen Gastronomie schon trinken?
Ilka: Wir sind in einigen coolen asiatischen Restaurants vertreten, wie zum Beispiel im The Catch in Charlottenburg, im JABE in Mitte, oder im Life in Kreuzberg. Wenn man nur gepflegt etwas trinken möchte, empfehlen wir die Beavis Bar in der Veteranenstraße, die eine große Auswahl unserer Shochus anbietet.
Wenn ich als Gastronom an Shochu interessiert bin, wie komme ich mit euch zusammen? Genauer: Wie könnt ihr die Betriebe auch unterstützen, damit sie das Produkt aktiv verkaufen? Es soll ja nicht im Regal verstauben.
Ilka: Absolut, das ist nicht unser Interesse. Was wir daher sehr gerne anbieten sind beispielsweise kostenlose Staff-Trainings, damit das Personal in der Lage ist, dem Gast das unbekannte Produkt zu erklären.
Kai: Wir setzen uns auch gerne mit der Küche zusammen, um Shochu-Pairings zu entwickeln, die die jeweiligen Gerichte perfekt unterstützen. Last but not least veranstalten wir mit den Gastronomen zusammen Tasting-Events, zu denen sie ihre Gäste einladen können. Das macht nicht nur eine Menge Spaß, sondern bringt uns von Ginza Berlin auch wertvolles Feedback zu neuen Produkten.
Update 2023: Atelier Ginza in Berlin
Seit Herbst 2023 hat Ginza auch einen „Offline-Store“ – und was für einen: Das Atelier Ginza in der Pfalzburger Straße 20 in Wilmersdorf bietet eine hierzulande wohl einzigartige Auswahl japanischer Spirituosen – mit Whiskys, Gins, Likören sogar einem Rum, Umseshu, natürlich Shochu und Awamori sowie Sake. Spannend für private Genießer, aber auch für die Gastronomie. Viele der Produkte können vor Ort verkostet werden und es finden regelmäßig Tasting-Events in der schicken Location statt. Einfach mal auf der Webseite checken:
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