Im Portrait: Dustin Render und Marius Döring

Die Betreiber der Berliner Bars Sharlie Cheen, Pawn Dot Com und The Wash

von Jan-Peter Wulf
Pressebild MariusDoeringDustinRender2 - nomyblog Im Portrait: Dustin Render und Marius Döring

Foto: Unternehmen

Seit fast zehn Jahren mischen Dustin Render und Marius Döring in der Berliner Barszene mit. Drei Locations betreiben sie rund um den belebten Rosenthaler Platz und peppen sie mit Pop-ups zusätzlich auf. Effektvolle Präsentation und Insourcing bei der Mise en Place tragen ihr Business durch konjunkturell fordernde Zeiten.

Es dampft und raucht, es leuchtet und blitzt, als die Drinks im The Storage eingegossen werden. Dustin Render und Marius Döring haben sich einiges einfallen lassen, um die Gäste in der wohl kleinsten Bar Berlins zu beeindrucken. Die befindet sich im Lagerkeller der Bar The Wash in der Brunnenstraße und ist ein Speakeasy-Popup: Einlass nur mit Reservierung und Nachricht an die „Geheimnummer“, angelegt auf Zeit.

Schon zum dritten Male allerdings: Zuerst im März 2024 vor allem Influencer und Presseleute in die nur zwei Plätze bietende Bar zwischen Getränkekisten und Kühlschränken – mit der Idee, mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen. Hat geklappt: Die beim Eingießen gefrierenden oder unter UV-Licht leuchtenden Flüssigkeiten erwiesen sich als perfekt für Stories, Reels und Beiträge – und zogen viele Gäste an, die sich einen Slot buchten. So findet nun bis Ende März 2025 bereits die dritte Ausgabe von „The Storage“ statt (mehr dazu hier), im Oktober folgt die vierte.

 

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„Man muss heute mehr Experience bieten“

Nicht nur hier unten, sondern generell spiele die Optik und die Präsentation der Drinks heute eine größere Rolle, erklärt Dustin Render: „Man muss seinen Gästen heute mehr Experience bieten.“ Die Ansprüche an die Präsentation seien enorm gestiegen. Ohnehin habe sich das Gästeverhalten, fügt Marius Döring hinzu, stark verändert: Es werde gezielter und weniger häufig ausgegangen, dafür in einem kleineren, kompakteren Zeitfenster. So könne es durchaus vorkommen, dass man in der 100 Plätze großen Sharlie Cheen Bar am Wochenende um 23 Uhr keinen freien Tisch habe, es dafür aber um 21 Uhr leer ist – und ab ein Uhr ebenso wieder. „Die Hauptzeit ist sehr stark besucht, aber es fehlen die Leute vor- und nachher“, so Render. „Und Gäste, die vor oder nach dem Essen in die Bar kommen, haben wir seltener als früher“, ergänzt Döring.

In der Berliner Clubszene haben sich die beiden kennengelernt: Render veranstaltete schon zu Studienzeiten Partys, der ein paar Jahre jüngere Döring, damals ebenfalls Student, jobbte für ihn vom Flyerverteilen bis zur Kasse. Gemeinsam mit The Anh Nguyen war Render erst Nightmanager und dann Betreiber des Clubs „E4“ am Potsdamer Platz (mittlerweile geschlossen), gemeinsam eröffnete man das „Sharlie Cheen“. Nguyen stieg aber schon bald aus und eröffnete mit Jules Winnfield das „Bonvivant Cocktail Bistro“.

Als vertretungsberechtigter Prokurist ist Marius Döring nun an Renders Seite und managt als langjähriger Bartender die Teams der drei Locations, insgesamt rund 15 Mitarbeitende fest und frei. Was an den Betriebsabenden ein ständiges Pendeln per pedes bedeutet – von der westlichen Torstraße, in der sich die 2019 eröffnete Pawn Dot Com Bar befindet, zum großräumigen „Sharlie Cheen“ am Rosenthaler Platz und die  kreuzende Brunnenstraße hinauf ins „The Wash“, das Ende 2022 als Nachbarschaftsbar moderner Art mit großen Glasballons am Tresen eröffnete, in denen sich Spirits und Vorgemixtes lagert.

Influencer-Unboxing im Lockdown

Zwischenzeitlich betrieb man auch die Pop-up-Bar „Emi Wynehouse“ auf der östlichen Seite der Torstraße. Die Ex-„Brut Vesper Bar“ wurde binnen vier Wochen für den Launch Anfang August umgebaut, das Projekt sollte eigentlich exakt 13 Monate laufen – Corona kam dazwischen, dank Überbrückungshilfe konnte man den Stillstand einigermaßen überstehen. Auch für das „Pawn Dot Com“, eröffnet im Oktober 2019, sei der Lockdown letztlich gar nicht so dramatisch gewesen, erinnert sich Render. Schließlich habe man vom Nachholeffekt im folgenden Sommer profitieren können und das umso mehr, als diese Bar mit ihrer Terrasse im idyllischen Innenhof abseits der lauten Torstraße ein Alleinstellungsmerkmal für warme Tage aufweist.

Während der Lockdowns machten Render und Döring mit dem deutschlandweiten Versand von Drinkboxen mit Eigenkreationen weiter und banden auch die Industrie ein, um Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. Dazu kamen Streamings: Döring mixte an der Bar vor, die Teilnehmenden zu Hause nach (was gut funktionierte, wir haben es damals ausprobiert). Unboxing-Videos von Influencern sowie ein Onlinefeature im „Stern“ brachten hohe Reichweite inklusive direkt messbarem gestiegenem Abverkauf der Boxen. „Die Conversion war hervorragend“, so Render.

Durchdachte Drinks

Was sicher auch daran liegen dürfte, dass die Drinks von Anfang an nie von der Stange bzw. Standard waren, sondern mindestens ein Twist und bestenfalls aufwändige Eigenkreationen wie im „The Storage“. „Wir stellen auch für einen Moscow Mule eine hausgemachte Infusion mit Holunderblüte und Gurke her“, erklärt Marius Döring. Wobei man zu Beginn schon recht naiv gewesen sei, erinnert sich Render mit Schmunzeln: „Wir haben am Anfang alles frisch gekauft, jede Menge Basilikum und Estragon geshakt, Beeren gemuddelt und am Ende der Woche mussten wir alles, was wir nicht verbraucht haben, wegwerfen.“

Viel zu hoher Wareneinsatz, viel zu viel Handling für eine High-Volume-Bar, die vom ersten Wochenende an gut lief. Render: „Wir waren so unerfahren, dass schon die Hälfte des Umsatzes, den wir heute an einem Wochenende machen, damals für uns das absolute Limit gewesen wäre.“ Erst im zweiten Jahr ging man dazu über, Sirupe, Cordials und Co. selbst zu produzieren, mit Infusionen zu arbeiten und viel mehr Zeit in die Mise en Place zu investieren, um Drinks hoher Qualität in den benötigten Mengen – wirtschaftlich – schicken zu können.

Erfolgsfaktor Mise en Place

Heute kümmert sich jeder Head Bartender der drei Betriebe in der Tagschicht um die wöchentliche Vorproduktion von Infusionen, Sirupen, Batches und Co. „Für große Bars macht das besonders viel Sinn, weil du damit viel Geld sparst“, erklärt Render. Alleine durch den Umstieg von frischem Limettensaft auf einen Super Juice (u.a. mit Zitruszesten und Säurepulvern) konnte man den Literpreis von 15 auf vier Euro drücken und infolgedessen einige Tausend Euro im Jahr einsparen.

Auf der Wareneinsatz- und Vorbereitungs-Seite zu optimieren, statt die Preise aufgrund steigender Kosten einfach nur anzuheben, hält man hier für die bessere Option. „Ich verstehe es nicht, wenn eine Bar einen einfachen Negroni für 14 Euro oder mehr verkauft. Irgendwann haben die Gäste keine Bereitschaft mehr, das auszugeben.“

Seine Cocktails – die allermeisten entwickelt Render als von Aromen begeisterter Autodidakt und leidenschaftlicher Hobbykoch selbst – sind preislich sehr moderat für den Standort, liegen großenteils zwischen elf und 13 Euro. Dafür erhalten die Gäste komplexe, aus vielen Komponenten bestehende Kreationen mit anspruchsvoller, cooler Optik.

Im „The Storage“ etwa erhalten zwei Gäste je vier Drinks plus Welcomedrink, Wasser und Snacks für erschwingliche 99 Euro, bedenkt man zudem, dass sich ein Bartender ganz den nur zwei Gästen widmet. Im Standardbetrieb kann man mit einem solchen Personalschlüssel freilich nicht operieren: Unter der Woche steht, frequenzbedingt, oft nur noch eine Person hinter dem Tresen, früher meist zwei. Umsatzrückgänge von 15 bis 20 Prozent in 2024 gegenüber einem recht starken 2023 müssen letztlich dann auch mit weniger Personal kompensiert werden.

Volle Möhre Sean Paul

Vor dem konjunkturell durchwachsenen Hintergrund keine Überraschung: Weitere Expansionspläne hegt man derzeit nicht. „Mit drei Läden habe ich für mich auch eine mentale Grenze erreicht“, erklärt Dustin Render. Schon das „The Wash“ im ehemaligen „Tarantino’s“ war kein Ergebnis aktiver Suche, sondern kam mehr oder minder zu ihm. Gut, wenn sich hier im Kiez noch einmal eine gute Option auftun würde, wägt er ab … wer weiß.

Sollte es wider Erwarten zu einer weiteren Bar kommen, so wird wie in allen bisherigen Läden – wegen der Nachbarn – bestimmt wieder eine Akustikmessung vorgenommen und diese bestimmt wieder mithilfe von Sean Pauls Klassiker „Get Busy“. Weil der Song so markante Tiefen und Höhen hat, hat der amtliche Prüfer ihn bislang jedes Mal bei „voller Möhre“ durch die Räume gejagt, berichten Render und Döring lachend. Wer das Stück mag, kann es sich zu den Drinks im „The Storage“ bestellen, denn zur Exklusivität der Mini-Bar gehört auch, dass sich die Gäste ihre Musik selbst aussuchen dürfen.  

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