Die gute Dienstleistung am Gast ist einer der zentralen gastronomischen Gedanken. Wie sieht die Realität aus? Und wie ist es um den Service in der Szenegastronomie bestellt? *nomy hat Ulla Thombansen, Co-Autorin des neuen Buchs „Service-Check Gastronomie & Hotellerie“ gefragt.
Frau Thombansen, wenn Sie in einen Gastronomie-Betrieb gehen – sind Sie dann Gast oder machen Sie dann einen Incognito-Servicecheck?
Ganz ehrlich, ein bisschen habe ich immer den Checker-Blick. Das verliert sich, sobald ich positiv überrascht werde. Dann freuen sich meine Mit-Gäste, dass sie meine volle Aufmerksamkeit und eine nicht mehr abgelenkte Gesprächspartnerin haben.
Es wird ja oft von der „Servicewüste Deutschland“ gesprochen. Dabei ist die gastronomische Ausbildung ja im internationalen Vergleich sehr gut. Hapert es also eher bei den ungelernten Kräften? Können Sie das mit der Servicewüste überhaupt bestätigen?
Nein, das kann ich nicht. Die oft zitierte Servicewüste erlebe ich genauso oft oder selten wie in vielen anderen Ländern. Und die Servicequalität steigt leider nicht immer mit der Ausbildungsqualität. Mein Eindruck ist eher, dass das fachliche Selbstwertgefühl einer ausgeprägten Servicemotivation häufig im Wege steht. So kenne ich viele engagierte Ungelernte, die – im Unternehmen angelernt – ihre Sache sehr gut und mit viel Schwung machen.
Die Szenegastronomie zeichnet sich ja durch Innovation und neue Konzepte aus, auch durch unkonventionelle Methoden. Inwieweit betrifft das aus Ihrer Sicht den Bereich „Dienst am Gast“?
Neue Konzepte bieten neue Chancen für die persönliche Bindung der Gäste. Die Philosophie dafür und ihre handwerkliche Umsetzung gehören in die Betriebstypenbeschreibung – mit konkreten Standards und Training im Pre-Opening und Opening. Wer sich hier nur auf das Sichtbare wie Ambiente, Food & Beverage fokussiert, erlebt schnell die ersten Niederlagen. Das gilt auch für Konzepte, die Serviceaufgaben wie Bestellung und Bedienung an den Gast verlagern oder technisieren: Ohne aufmerksame und hilfsbereite Mitarbeiter funktionieren auch sie nicht!
Auch den Bereich Web und soziale Netzwerke schneiden Sie in Ihrem Buch kurz an. Wie wichtig ist der Service-Gedanke im digitalen Dialog? Gibt es Betriebe, die einen guten Job darin machen?
Allein die digitale Präsenz ist ja schon Service – dann bitte leicht zu bedienen und aktuell. Der bereits überholte Veranstaltungskalender und fehlende Angebote der laufenden Woche verärgern. Ich denke, McDonald’s, Vapiano und Sausalitos sind gute Beispiele.
Uns hat mal ein erfolgreicher Gastronom erzählt: Viele Mitarbeiter tun sich sehr schwer damit, den Gast zu fragen, ob es noch ein Bier sein darf. Er könne nicht vermitteln, dass diese Nachfrage den gesamten Erfolg des Betriebes sichern hilft. Was würden Sie ihm – und den Mitarbeitern – raten?
Ja, Mitarbeiter mögen ihren Gästen nichts „aufdrücken“ und befürchten pampige Antworten. Wir üben das in Trainings immer wieder. Wenn sie mit den blöden Erwiderungen umgehen können, bekommen sie Spaß daran. Und der sportliche Wettbewerb hilft: Mehr Umsatz zu machen als Kollegen und dafür Anerkennung zu erhalten, das beflügelt. Letztlich ist auch hier die Führungskraft der Schlüssel: Indem sie Veränderungen wahrnimmt, Erreichtes festigt und Lücken immer wieder in neue Ziele ummünzt.
Gibt es eine Serviceleistung aus dem Ausland, die aktuell bei uns Fuß fasst?
Im Inland haben Gastronomen begonnen, Reservierungen am Vortag per Mail oder Telefon zu bestätigen. Das finde ich gut.
Und wie kann der Leser Ihres Buches die Dinge in die Tat umsetzen, wenn er Personalverantwortung hat?
Indem er markiert, was bei ihm passt. Und dann das Thema in Mitarbeiterbesprechungen, Standardentwicklungen oder Minitrainings aufnimmt – methodische Hilfen dafür sind überall eingestreut. Wichtig ist, dass sich dieser Leser über seine Rolle als „Führungs-Kraft“ im Klaren ist und diese Kraft gekonnt und motiviert einsetzt – Schritt für Schritt optimistisch vorantreibend mit laufender Kontrolle und Anerkennung der Erfolge!
Vielen Dank!
Seit vielen Jahren gehören Training, Beratung und Coaching zu den Aufgaben der Autorinnen Ulla Thombansen und Christine Possler. Zusammen arbeiten sie für viele Unternehmen und unterstützen Mitarbeiter aus unterschiedlichen Branchen in ihrer Servicekompetenz.
Christine Possler/Ulla Thombansen
Service-Check
Matthaes Verlag, Stuttgart 2011
160 Seiten, Softcover
978-3-87515-056-8
Preis: 32 EUR
Service-Check: Gastronomie & Hotellerie
Leseprobe des Buches hier