Vier Gastronomien, Cocktail-Catering, eine Spirituosenboutique, Tasting-Events für Genießer und ein Schulungsprogramm für den Nachwuchs: Dominik Galander aus Berlin hat sein Business binnen sieben Jahren von einer kleinen Bar zu einer Bar-Gruppe ausgebaut. Über Zufälle und Systemdenken, lärmende Shaker und fruchtige Drinks.
Wir sitzen im „Galander“ in der Großbeerenstraße in Berlin, eröffnet 2009. „Ich war eigentlich total zufrieden mit der Bar hier. Wir hatten coole Abende, wir konnten zu dritt davon leben, es war gemütlich“, sagt Dominik Galander. Wenn er so zufrieden war, warum ist dann nicht einfach alles bei einer Bar geblieben? Wieso ist „Galander“ heute ein kleiner Berliner Bar-Kosmos mit vier Bars, einer Schulungs-Bar und einem Spirituosen-Fachgeschäft, dem „Galander Liquor Store“ gleich nebenan? Plus Catering, plus bundesweitem Förderungsprogramm für den Nachwuchs?
„Zufälle“, erklärt uns der Ur-Berliner. „Ich habe ja schon immer Catering als Nebengeschäft betrieben. Ein Mitstreiter wollte seine Kiezkneipe loswerden und hat mich gefragt, ob ich sie kaufen will.“ Das war das „Schatzi“ am belebten Kottbusser Tor. Eigentlich habe er keine große Lust darauf gehabt, aber dann fand man doch eine Idee, wie sich der Ort würde bespielen lassen: Als „Bier-Bar“, als Hybrid aus Kneipe und Cocktailbar, mit handwerklichem Bier vom Fass und gut geschüttelten Drinks. Gesagt, getan – die „Brugge Bar“ eröffnete 2011. Fabian Gusdorf, der bei Dominik seine Barkeeper-Ausbildung absolviert hat, übernahm die Leitung und die Verantwortung für das operative Geschäft.
So funktioniert es in allen Objekten – im Stammhaus hier und im Shop nebenan ebenso wie im „Galander Charlottenburg“, eröffnet 2013 am Stuttgarter Platz, und der 2016 dort hinzu gekommenen „Galander Dive Bar“: Dominiks Betriebsleiter bauen sich ihre eigenen Teams auf (mittlerweile arbeiten rund 20 Leute für das Unternehmen), entscheiden über Getränkeauswahl, Programm und Ambiente. Es ist im Prinzip ihre Bar. „In dem Moment, wo du als Angestellter für ein Ergebnis verantwortlich bist, schaust du ganz anders auf die Dinge“, sagt der Chef. „Nur, wenn du deinen Leuten freie Hand gibst, haben sie die Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln.“
Zurück in die Zukunft, auf in die Achtziger
Sich stetig weiterentwickeln tut auch die „Galander-Galaxie“ – der Stern „Brugge Bar“ ist Mitte 2016 verglüht, die Gastronomie wurde an gastronomisch aktive Freunde verkauft und heißt nun „Roter Rabe“. Kein großes Ding für den Unternehmer: „Die Bar passte einfach nicht mehr in unser Konzept, und mit dem Geld aus dem Verkauf können wir jetzt das nächste Projekt angehen.“
Vor wenigen Wochen nämlich hat man die „Haifischbar“ im Bergmannkiez übernommen (mittlerweile eröffnet, Anm. d. Red.) und baut sie nun, mit neuem Team, zur „Fancy-Cocktail-Bar 2.0“ um: In der „Galander Haifischbar“ will sich Dominik Galander, Fan des Tom-Cruise-Streifens „Cocktail“ aus dem Jahr 1988, nicht nur seiner Leidenschaft für die Cocktails der Epoche hingeben („Ich habe eine Schwäche für die Eighties“), sondern damit vor allem Gäste glücklich machen.
Denn: Nach wie vor bestimmen die Drinks, die in dieser Zeit entstanden sind, das Bild eines Cocktails außerhalb der mixologischen Echokammer, hat er beobachtet. „Geh‘ in die Fußgängerzone und lass‘ hundert Menschen einen Cocktail malen. Fünfundneunzig zeichnen dir ein Coladaglas mit Obstdeko. Warum sollte man den Leuten nicht das geben, was sie wollen? Eine frische Pina Colada mit frischer Ananas ist richtig gut“ sagt der Bar-Profi, der selbst übrigens gar keinen Alkohol trinkt, „und mit der Spirituosenauswahl, die du heute hast, kannst du schöne Fancy-Drinks machen. Ein „Golden Cadillac“ mit frischem O-Saft – das ist ein Mega-Dessertdrink mit toller Marge. Rechne mal einen Tequila Old Fashioned dagegen, und wenn du den Leuten den vorsetzt, erzeugst du vor allem eines: kognitive Dissonanz.“
Augen und Ohren genießen mit
Solch unangenehme Gefühlszustände gehören in einer Bar vermieden. Nicht nur bei den Drinks, sondern bei allem, doch leider sehe er bei vielen Besuchen in anderen Bars, dass oft Grundlegendes falsch gemacht werde. Zum Beispiel in punkto Arbeitslautstärke: „Tin-in-Tin-Shaker haben sich überall eingebürgert, weil sie ergonomischer als Boston Shaker sind. Sie sind aber extrem laut, das Eis schlägt auf beiden Seiten gegen Metall. Jetzt stell‘ dir eine ruhige Bar-Atmosphäre vor. Leichter Jazz, ein Pärchen sitzt am Tresen, erstes Date, die beiden kommen sich näher und dann prügelt der Barkeeper los“, sagt Dominik Galander.
Er zeigt auf das stufenförmige Rückbuffet. Was fällt auf? Die Flaschen wurden nicht nur nach Spirituosenkategorie, sondern auch nach Größe sortiert. Leichte Wellenformen machen das Arrangement übersichtlich und angenehm anzusehen. Fast beruhigend. „Mit Ordnung und professioneller Arbeit gewinnst du das Vertrauen das Gasts. Hast du dieses, dann kannst du ihm das Produkt empfehlen, von dem du möchtest, dass er es trinkt – weil es wirtschaftlich sinnvoll für dich ist oder ein Alleinstellungsmerkmal darstellt, dass es nur bei dir gibt. Dann kommt er wieder.“
Praxisnah und hart: „Learning for Life“
Prinzipien, die der gelernte Veranstaltungs-Kaufmann nicht nur in den eigenen Betrieben anwendet, sondern auch dem Nachwuchs außerhalb seines Unternehmens vermittelt: Er ist Dozent des Schulungsprogramm für Barkeeper, „Learning for Life“, welches der Spirituosen-Weltmarktführer Diageo in Südamerika gestartet und 2014 nach Deutschland gebracht hat. Die Ausbildungsinhalte für den hiesigen Markt hat Dominik Galander großenteils selbst entwickelt („vieles lag schon lange in der Schublade“). Sie sollen junge Kollegen fit für die Selbständigkeit oder für leitende Positionen machen.
Den einwöchigen praktischen Teil, der an den sechzigtägigen Online-Theoriekurs anschließt, absolvieren die Teilnehmer in der „Galander Bar Academy“, einer komplett ausgestatteten Bar eigens für Schulungskurse, versteckt im Hinterhof auf der gegenüber liegenden Straßenseite. Eigentlich ein perfekter Speakeasy-Spot. „Die Prüfung ist praxisnah und hart“, so Galander, und das belegen die Zahlen: Nur rund die Hälfte der Prüflinge besteht, Ehrenrunden sind ausgeschlossen – jeder darf nur einmal mitmachen. „Wir versuchen die Teilnehmer zu befähigen, ihren Abend an der Bar besser zu organisieren und wirtschaftlich erfolgreich zu machen.“
Einen anderen Blick auf das Thema soll der Nachwuchs bekommen: Es geht nicht nur um gute Spirituosen und kreative Selbstverwirklichung, sondern vor allem um Empathie für den Gast und wirtschaftliches Denken. Von einem, der auf dem Weg zum mittelständischen Bar-Unternehmer ist, kann man da sicher einiges lernen.
Editierte Version des in fizzz 1/2017 erschienenen Beitrags.
2009 Galander Kreuzberg, Großbeerenstraße 54
2011-2016 Brugge Bar, Kottbusser Straße 13
2013 Galander Charlottenburg, Stuttgarter Platz 15
2014 „Learning for Life“
2015 Galander Liquor Store, Großbeerenstraße 54
2016 Galander Dive Bar, Stuttgarter Platz 15
2016 Galander Haifischbar, Arndtstraße 25