Dieses ist der 1.000 Artikel, der auf dem nomyblog erscheint. Das möchte ich zum Anlass nehmen, mich bei allen zu bedanken, die mich mit Tipps, Ideen und Feedback jedweder Art unterstützen. Ganz besonderer Dank gilt den Gastronomen, Food-Entrepreneuren und Kreativköpfen, die dieses besondere Business bewegen und mit denen ich über ihre Themen sprechen kann. Über Themen, die manchmal schön sind und manchmal eher weniger, aber vielleicht gerade deswegen für die Branche interessant sind. Wie dieses.
Feuer.
Dieses archaische Biest. In der Bar taucht es planmäßig höchstens mal auf, wenn die Garnitur flambiert oder Overproof-Schnaps abgefackelt wird. Aber immer wieder passiert es, dass in Gastronomien Feuer ausbricht. Binnen Minuten wird aus einem Ort der Geselligkeit eine verrußte Wüste und ein florierendes Geschäft kommt zum Stillstand. Oder zum Erliegen. Es passiert ständig. Erst kürzlich brannte es im „25hours Hotel Altes Hafenamt“ in Hamburg. Ein Gast wurde schwer verletzt, das Haus mitsamt Restaurant und Bar bleibt mehrere Wochen geschlossen. Soeben kommt die Meldung rein, dass gestern ein Münchener Steakrestaurant abgebrannt ist. Nach einem Brand zum Jahreswechsel hat die Berliner Bar „Sodom & Gomorra“ kürzlich unter neuer Leitung wiedereröffnet (Nachtrag: mehr dazu auf der Webseite von Mixology).
Einer Wiedereröffnung fiebern auch diese Berliner Bar-Betreiber nach Bränden in ihren Betrieben entgegen: Aishah Bennett vom „Geist im Glas“ in Neukölln, wo es vor einiger Zeit ebenso gebrannt hat wie in der „Booze Bar“ von Lutz Rau in Friedrichshain. In beiden Fällen kam zum Glück kein Mensch zu Schaden.
Einmal sieben Minuten offene Flammen („Geist im Glas“), einmal ein Schwelbrand über fast anderthalb Stunden („Booze Bar“), in beiden Fällen mit verheerendem Effekt: Die Bars müssen komplett renoviert werden – Böden neu, Decken neu, Wände neu. Der Tresen in der „Booze Bar“ war feuerfest und braucht „nur“ einen neuen Anstrich, der hölzerne Tresen im „Geist im Glas“, dekoriert mit Strohmatten, wie man sie an Balkonen sieht, war binnen Minuten zur Hälfte weg. Mehrere Monate Schließung und Umsatzeinbußen sind die Folge in beiden Betrieben.
Wie geht man mit so einer Situation um? Wie rappelt man sich wieder nach so einem Unglück emotional wieder auf und sichert den wirtschaftlichen Fortbestand? Wie lässt sich die Zeit überbrücken? Was lernt man aus so einem Schaden? Darüber habe ich mich mit beiden Gastronomen auf der Baustelle in der „Booze Bar“ unterhalten.
Warum hat es in der „Booze Bar“ gebrannt, Lutz?
Lutz Rau: Das wissen wir nicht. Der Brandherd ist an der rechten Seite der Bar. Man vermutet, dass es entweder einen Kabelkurzschluss gegeben oder ein Fußboden-Pflegemittel mit Leinöl sich entzündet hat.
Ein Fußboden-Pflegemittel?
Lutz: Ja, Leinöl neigt anscheinend dazu, sich an trockenen Gegenständen in Verbindung mit viel Sauerstoff selbst zu entzünden. Aber was die Ursache nun genau war, weiß man nicht.
Und bei euch, Aishah?
Aishah Bennett: Ich weiß auch nicht, warum es gebrannt hat. Das fragen viele. Es ist möglich, dass etwas in einem Mülleimer geschwelt hat. Zwei Tage zuvor ist bei uns eingebrochen, der Safe geknackt und ein Schlüssel geklaut worden. Ich will mich damit nicht aufhalten und jetzt in die Zukunft blicken. Was geschehen ist, ist geschehen.
Aber ist das nicht frustrierend? Es hat gebrannt und man weiß nicht warum?
Lutz Rau: Wenn du der Bar-Betreiber bist, bist du der Boss. Die Polizei kommt zu dir und fragt dich: Warum hat es gebrannt? Kannst du es nicht sagen, weil du es einfach nicht weißt, dann ist das zum einen aus Versicherungsgründen besser – anders nämlich sieht es aus, wenn klar ist, dass es dein Fehler war. Und zum anderen ist es für dich als Person besser.
Aishah: Du willst nicht für ein Feuer verantwortlich sein und triffst am Ende jeder Nacht alle Vorsichtsmaßnahmen, damit nichts passiert.
Wenn es in einer Gastronomie brennt, dann gibt es oft Gerüchte. Habt ihr was mitbekommen?
Lutz: Einige. Zum Beispiel, dass es ein Antifa-Angriff aus der Revaler Straße gewesen sein soll. Oder die Mafia, weil wir sie nicht bezahlt haben, deswegen haben sie uns die Bar angezündet.
Aishah: Ich habe zum Glück keine gehört.
Wie und wann habt ihr überhaupt von dem Brand in eurer Bar erfahren?
Aishah: Wir hatten gerade erst 20 Minuten zu. Die Nachbarn haben Rauch gerochen und die Feuerwehr alarmiert. Es hat sieben Minuten gebrannt, die ganze Bar besteht aus viel Holz.
Lutz: Ich wurde nachts um drei aus dem Bett geklingelt. Es war Ostermontag, wir hatten geschlossen. Es hat ungefähr eine halbe Stunde gebrannt, als die Nachbarn den Rauch festgestellt und die Feuerwehr gerufen haben. Weil es kein offenes Feuer war, sondern ein Schwelbrand, hat es lange gedauert, bis der Brandherd gefunden wurde. Die Feuerwehr hat sogar im Keller danach gesucht.
Was war das Erste, das ihr gedacht habt?
Aishah: Shit, meine halbe Bar ist weg! Aber: Wird schon. Bloß wie werde ich morgen öffnen können?
Lutz: Ich habe gehofft, dass niemand da drinnen ist.
Aishah: Als der Rauch sich gelichtet hat und man den Raum sehen konnte, habe ich auch gedacht: Zum Glück ist keinem etwas passiert. Eine Viertelstunde länger und die Decke hätte gebrannt.
Lutz: Es ist krass: Du stehst draußen, von drinnen kommt nur Rauch. Du willst rein, aber die Polizei sagt: Wir warten auf die Kripo. Ich durfte nachts nur einmal in die Bar, um zu zeigen, wo die Fenster aufgehen.
Aishah: Du darfst nichts bewegen, wie an einem Tatort.
Und dann, wenn Feuerwehr und Ermittlung abgezogen sind, steht man irgendwann in seinem völlig kaputten Laden.
Aishah: Meine Bar ist jetzt komplett leer. Wie am Anfang (lacht).
Lutz: Der Ruß frisst sich durch alles durch, weil bei der Verbrennung von Plaste Salzsäure entsteht, das zerstört Kabel und lässt die Elektronik korrodieren. Die muss komplett ausgetauscht werden. Durch die Hitze hat die Decke Schaden genommen, die Fensterfront muss neu, die Wände müssen wir „nur“ abstrahlen, die Lounge im hinteren Bereich haben wir rausgerissen. Die war komplett im Arsch. Was man nicht abwischen kann, ist hinüber. Die Gläser gingen noch. Unsere Hocker stehen jetzt in einer Ozonkammer (zur Geruchsneutralisierung, d. Red.).
Wie läuft das Prozedere mit der Versicherung ab?
Lutz: Ein Brandschaden ist erstmal Vermietersache, die Feuerversicherung ist in der Gebäudeversicherung mit drin. Die deckt Wände, Decke und Fußboden, Elektrik, Fenster und Rollos ab. Und sie kommt auch für den Mietausfall auf. Wir haben uns alle hier zu Abstimmung getroffen, unser Versicherungsmensch, der Besitzer, sein Versicherungsmensch. Wir haben uns geeinigt, eine Firma zu beauftragen, damit wir schneller vorankommen.
Aishah: Bei uns sind es zwei Firmen, aber das läuft gut. Ein größeres Problem für mich ist, dass meine Bar sehr persönlich gestaltet war, ich habe sie mit Freunden gebaut. Es gibt viele Dinge, die man nicht wieder so herstellen kann. Aber wenn ich sehe, wie weit du hier schon vorangekommen bist, Lutz, macht mir das Mut.
Lutz: Ich bin jeden Tag hier. Ich will, dass es wieder so wird wie früher. Ich habe Zeichnungen und von der Lounge haben wir ein Modell.
Werdet ihr Änderungen vornehmen?
Aishah: Dass man etwas verbessern kann, ist das einzig Gute an dieser Situation. Ich habe ohne jegliche Erfahrung mit der Bar angefangen. Jetzt weiß ich, was man anders einrichten sollte. Der „Flow“ der Bar wird etwas anders, und vor allem kommen feuerfeste Materialien rein. Die Bar wird nur noch aus Beton und Fliesen bestehen (lacht). Ich habe auch die Firma etwas restrukturiert und habe viele neue Leute kennen gelernt. Ein guter, aber teurer Trip.
Lutz: Die Mixstationen machen wir ein bisschen anders und vor allem die Lounge verändern wir. Die wird auch später wiedereröffnet. Wir haben vorne eine kleine zweite Toilette (die große wäre nur durch die Lounge erreichbar, d. Red.), deswegen geht das.
Ihr habt beide die Zeit mit temporären Projekten und mit Takeovers in anderen Gastronomien überbrückt: „Burning Booze Bar im Exil“ im „KuchenRausch“ und im „Chapel“, jetzt „Booze Bar Kotname Dackel“ in der ehemaligen „Sapphire Martini Lounge“ im Prenzlauer Berg. Und das „Geist im Glas“-Team hat auch einige Projekte, zum Beispiel die Bars bei den Streetfood-Events vom „Bite Club“. Das tut ihr ja sicherlich auch, um euer Team bei der Stange halten zu können?
Aishah: Ja. Wir machen viele Bar- und Food-Caterings. Ein paar Monate hatten wir eine Popup-Bar in der Graefestraße, wir machen die Bars beim „By The Lake“-Festival und in Kürze starten wir einen wöchentlichen Brunch in der Prinzenstraße. Den Brunch aus dem „Geist im Glas“ scheinen unsere Gäste sehr zu vermissen!
Lutz: Diese Dinge sind wichtig für die Stammgäste. Es gibt welche, die sehen: „Oh, ist geschlossen“, und sind weg. Und es gibt welche, die folgen dir überall hin. Ein Stammgast ist Booker im „Berghain“ und hat uns die Soli-Party in der „Berghain Kantine“ ermöglicht. Das alles hilft. Aber es ist nicht dasselbe.
Aishah: Überhaupt nicht. Du hast nicht deine Bar, nicht deine Musik, die Stühle stehen anders … es war fürs Team wichtig, um weiterhin Jobs zu haben und für mich, um die Dinge im Fluss zu halten und den Alkohol verkaufen zu können, den ich nach dem Brand behalten durfte.
Stand eine Wiedereröffnung für euch eigentlich immer fest? Oder habt ihr auch mit dem Gedanken gespielt aufzuhören?
Lutz: Darüber denkt man nach, klar. Die ersten Wochen war die Laune im Keller. Dann sieht man das alles nüchterner und dann kommt auch die Stimmung zurück. Vor allem, weil alle dabei geblieben sind aus meinem Team.
Aishah: Meins ist auch super. Ich habe nach dem Brand allen geschrieben: Leute, ihr müsst nicht kommen, es hat gebrannt. Und dann komme ich aus dem Büro und alle stehen da: Let‘s see what we can do.
Hat euch die Industrie geholfen?
Aishah: Eine Craft-Bier-Brauerei baut ein Zapfsystem in die neue Bar ein. Unterstützung in Form von Ausrüstung ist für mich in Ordnung. Ich will aber nicht an eine Marke gebunden sein, deswegen akzeptiere ich kein Geld von großen Getränkefirmen.
Lutz: Drei Tage nach dem Brand kam Diageo auf mich zu: Wie können wir dir helfen? Sie geben uns jetzt Jobs bei Events, wir arbeiten in unserer Exil-Bar mit ihren Produkten und sie unterstützen uns dafür bei der Miete. Red Bull bucht uns für Caterings. Andere haben gesagt: Melde dich, wenn du Hilfe brauchst. Es gab auch einige, von denen ich gar nichts gehört habe.
Welchen Tipp habt ihr für eure Kollegen?
Aishah: Updatet eure Versicherungen, Leute!
Lutz: Findet jemanden, der der euch hilft, die optimale Versicherung zu finden.
Aishah: Und erstellt eine Liste der Dinge, die ihr in der Bar habt.
Lutz: Dann ist es kein Brainfuck. Zum Glück haben wir in den letzten Jahren, wo es gut gelaufen ist, Rücklagen für den „worst case“ gebildet. Die retten jetzt die GmbH.
Vielen Dank, alles Gute und hoffentlich baldige Wiedereröffnungen, Aishah und Lutz.