Im Dezember fasste die Veranstaltungsreihe „FEC Tuesday“ des „Food Entrepreneurs Club“ ein heißes Eisen unter den Gastro-Themen an: das Scheitern. Ein offenes Gespräch mit zwei Gastronomen, die die Frage „woran lag´s“ mit der falschen Partnerwahl beantworteten. Und Tipps für die Kollegen haben.
Menschen zu finden, die über das Scheitern ihres Konzepts offen und wie in diesem Fall vor Fachpublikum sprechen, ist gar nicht so leicht – besonders gilt das in der Gastronomie-Branche. Telse Bus (gescheitert mit der veganen „Organic Glamour Food Bar“) und Michael Rosenfeld (Ex-„MJ´s Food Shop“) sind dazu bereit gewesen: Sie berichteten den Gästen des „Holy Fail“-Events, das der Food Entrepreneurs Club zusammen mit der Mietküche und nomyblog ausgerichtet hat, von ihren Erfahrungen. (Infos zu ihren Biografien und vorherigen Projekten hier).
Im Folgenden einige Notizen aus dem Gespräch.
Wie fühlt sich das an, zu scheitern? Schließen zu müssen?
Die Food-Konzepterin Telse Bus aus Hamburg hat deswegen kein Problem damit, weil sie klar abgrenzt: „Ich bin nicht das Projekt und nicht das Restaurant.“ Die typisch-deutsche Sichtweise hingegen sei: „Deine Profession ist deine Persönlichkeit.“ Mit dem Projekt scheitere man, nicht als Person. Selbständig zu sein, das erfordere auch, das, was man ist, von dem zu lösen, was man tut. Zum eigenen Wohle: „Sonst überrennen dich Schuldgefühle“.
Der US-Amerikaner Michael Rosenfeld sieht es ähnlich:
„Scheitern gehört dazu in diesem Business. Selbst mit dem besten Konzept und Team spielt Glück eine Rolle. Es ist nicht schön, niemand mag das. Aber man kann nicht ändern, was man nicht ändern kann. Man muss das Schließen planen, sein Team bezahlen, darf nicht einfach verschwinden. Wickelt man den Prozess sanft ab, dann ist es kein Desaster.“
Wann war den beiden klar, dass es nicht weiterging?
Michael Rosenfeld berichtete, er habe schon einige Monate zuvor gemerkt, dass es zu Ende geht. Er begann, weniger Schichten zuzuteilen, mehr selbst im operativen Geschäft mitzuarbeiten und schließlich leitende Angestellte zu informieren, was bevorstehe.
Telse Bus und das Team wurden von ihren Geschäftspartnern kurzfristig über die Insolvenzanmeldung informiert.
Woran lag es genau?
In beiden Fällen lag es nicht an der Lage, nicht am Konzept und nicht an fehlender Frequenz. In beiden Fällen war es nicht das erste Projekt. Beide Food-Macher können auf über zwanzig Jahre Erfahrung im Business zurückblicken. Beide Konzepte schlossen, als sie gut liefen: Das sehr spitze Vegan-Food-Angebot der „Organic Glamour Food Bar“ kam bei den Gästen gut an, die Tagesumsätze stimmten. Im Falle von „MJ´s Food Shop“ hatte man nach anderthalb Jahren (Jahr eins Minusgeschäft, dann einige Monate Plus-Minus-Null) die Gewinnzone erreicht.
Es lief, und trotzdem Schließung?
Ja, weil man sich die falschen Partner dazu geholt habe, berichteten beide. Partner, die zwar finanzielle Mittel, aber kein gastronomisches Know-how mitbrachten, oder die zu wenig nachhaltige Bereitschaft aufwiesen, sich vor Ort zu engagieren. Mit dem operativen Geschäft bzw. der gastronomischen Geschäftsführung alleine da zu stehen, war von Anfang an und in beiden Konzepten nicht vorgesehen und auch nicht umsetzbar. Arbeitstage mit bis zu 17 Stunden, Aufgaben der Partner wie Besorgung finanzieller Mittel oder Lieferanten-Koordination mussten selbst erledigt werden oder blieben liegen.
Sollte man besser ohne Partner arbeiten?
Rosenfeld hätte, wie in seinen vorherigen Projekten in New York und Rom, gerne ganz auf einen Partner verzichtet – doch während er sich in der Muttersprache Englisch und im Italienischen sicher fühlt, reiche sein Deutsch nicht bzw. habe er sich nicht sicher genug gefühlt, um es in Berlin alleine zu stemmen (Koordination des Teams, Gespräche mit Lieferanten etc.).
Telse Bus würde prinzipiell nicht auf einen Partner verzichten wollen: „Man sollte sich aber immer Partner suchen, die über das reine Geld was mit hineinbringen und Verantwortung für einen Teilbereich übernehmen.“
Lag es also an „den anderen“?
Keiner der beiden, das haben sie während des Gesprächs mehrfach betont, will die „Schuld“ am Scheitern anderen in die Schuhe schieben: Am Ende liege die Verantwortung bei ihnen selbst, denn die Wahl des Partners / der Partner sei schließlich ihre Entscheidung und somit ihr Fehler gewesen.
Wie geht es für die beiden nun weiter?
Telse Bus glaubt an das Konzept der „Organic Glamour Food Bar“ und überlegt, es unter anderem Namen fortzuführen. Ihr Traum sei eine Agentur für Foodkonzepte, sagt sie. „Angestellt? Kann ich nicht. Bin ich nicht. Ich suche weiter nach dem richtigen Konstrukt.“ Aus der Produktion werde sie sich aber noch weiter herausziehen.
Michael Rosenfeld kann sich vorstellen, eine zeitlang angestellt zu arbeiten („irgendwo Zwiebeln schneiden und Kartoffeln schälen, Hauptsache was mit Food machen“), währenddessen seine Deutschkenntnisse zu verbessern – und sich dann an ein neues eigenes Gastro-Projekt in Berlin zu machen.
Während des Gesprächs gaben die beiden eine Vielzahl von Tipps für Gastronomen und Food-Gründer: Wie achtet man auf sein Business? Welche Erfahrungswerte und Kennzahlen helfen dabei? Und was muss man im „worst case“, wenn das Scheitern sich nicht abwenden lässt, tun?
Eine kleine Auswahl hier:
5 Tipps für Food-Entrepreneure
1. „Wenn du deine Miete in anderthalb Öffnungstagen wieder reinholen kannst – ohne Mehrwertsteuer – dann stehen die Chancen gut, dass dein Restaurant überlebt und Geld verdient. Das sollte man nach sechs, acht Monaten erreichen. Tut man es nicht, muss man was ändern.“ (Michael Rosenfeld)
2. „Ein klarer Businessplan – für sich selbst, nicht für die Bank – hilft, damit es nicht selbstausbeuterisch wird.“ (Telse Bus)
3. „Der Faktor 3,5 für den Aufschlag auf den Wareneinsatz gilt nicht mehr. Es ist 4,5. Wir haben alles durchgewogen und durchgerechnet und waren überrascht, wo man preislich am Ende landet. Vorkalkulieren ist mühselig, aber hilfreich. Auch eigene Lebenskosten muss man reinrechnen. Denn dafür arbeiten wir.“ (Telse Bus)
4. „Streit unter Geschäftspartnern strahlt das aufs Restaurant ab. Das Personal und die Gäste spüren die Spannung. Als Betreiber muss man Menschen im positiven Sinne manipulieren können: Mitarbeiter glücklich machen, damit sie das tun, was du willst. Gäste glücklich machen, damit sie Geld ausgeben. Das kann man nicht, wenn man streitet.“ (Michael Rosenfeld)
5. „Man braucht ein ‚worst case scenario‘: Was passiert, wenn wir entscheiden zu schließen? Wie sehen die Schritte A, B, C aus? Wird ein neuer Partner gesucht? Werden Anteile verkauft? Das muss vorher festgelegt werden, sonst geht viel Geld an die Anwälte. Tut man das, ist das Scheitern ein Lernprozess und kein Alptraum.“ (Michael Rosenfeld)
Schlussbemerkung
Das Thema Scheitern und Schließung mit diesem Event erschöpft. Gründe und Facetten gibt es viele, und nachfolgende Gründer und Food-Entrepreneure können davon nur lernen. Es wäre wünschenswert, noch häufiger darüber mit „Betroffenen“ sprechen und darüber berichten zu können. Und so einen Teil dazu beizutragen, dass dieser allgegenwärtige Teil des Branchengeschehens nicht tabuisiert, sondern offener und unverkrampft damit umgegangen wird.Wer Interesse hat, mit mir darüber zu sprechen: Für Anfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
„Failure is always the best way to learn“
1 Kommentar
Wow, das nenne ich mal Rückgrad haben. Danke für die weitergabe der Erfahrungen